Wolfgang Fellner

APA/HANS PUNZ

Vorwurf der sexuellen Belästigung

Boykott gegen den Medienmanager

Die Diskussion über Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen einen einflussreichen Medienmanager hat eine neue Dimension erreicht. Der betroffene Chef der Verlagsgruppe "Österreich", Wolfgang Fellner, hat sich schlussendlich selbst geoutet. Er bestreitet die Vorwürfe mehrerer Frauen gegen ihn entschieden, beide Seiten argumentieren ihre Sichtweisen in Interviews. Einem Boykott seiner Sendung - den Spitzenpolitikerinnen von ÖVP, Grünen, NEOS und SPÖ wegen der Vorwürfe organisiert haben - ist Fellner durch einen vorläufigen Rückzug als Moderator zuvorgekommen.

Im April #doublecheck haben wir über die "dunkle Seite der Medienmacht" berichtet, über Erfahrungen von Journalistinnen mit sexueller Belästigung in der Branche. Aufhänger war der Prozess gegen Fellner, er ist ein Medienmanager, dem sehr viel Macht zugeschrieben wird - allein schon dadurch, dass vom Bundeskanzler abwärts bis zu SPÖ-Ehemaligen wie Josef Cap alle zu Fellner ins Studio kommen, wenn er ruft, und sich von ihm interviewen lassen. Wir haben in unserer Sendung von "Skrupeln in der Berichterstattung" gesprochen. Weil, Zitat: "Der besagte Medienmanager ist bekannt für seine Retourkutschen in Form von negativer Berichterstattung - damit tut sich jedes Medienhaus schwer, und auch wir als Journalisten stoßen da an Grenzen."

Namensnennung über die deutsche Bande

Die Kolleginnen und Kollegen von der Österreich-Ausgabe der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" haben diese Grenzen durchstoßen. Christina Pausackl hat eine umfassende Recherche gemacht über Vorwürfe, die von mehreren Frauen gegenüber Wolfgang Fellner erhoben werden, und der Artikel wurde unter Nennung des Namens veröffentlicht. Damit - und vor allem weil sich Fellner in der Folge selbst geoutet hat, indem er Interviews gegeben und darin zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigung Stellung genommen und sie zurückgewiesen hat - sind die Dämme in der Berichterstattung gebrochen. Wobei für Fellner natürlich ganz klar die Unschuldsvermutung gilt. Es laufen in einem konkreten Fall zwei Verfahren - eines hat Fellner angestrengt, das andere die betroffene Ex-Mitarbeiterin – und die sind nicht abgeschlossen.

Klagen sollten "Standard"-Recherchen stoppen

Die Tageszeitung "Der Standard" ist als erstes Medium auf die gerichtliche Auseinandersetzung aufmerksam geworden, von der Fellner versucht hatte, die Öffentlichkeit auszuschließen. Was ihm aber nicht gelungen ist. Der "Standard" hat dann anonymisiert über die Vorwürfe gegen "den Medienmanager" berichtet und ist dennoch von Fellner geklagt worden. Eine Einstweilige Verfügung hat er nicht erreicht, das Hauptverfahren ist noch in Schwebe. "Standard"-Chefredakteur Martin Kotynek hat bisher nichts gehört, ob die Klage allenfalls zurückgezogen wird. Fellner-Anwalt Georg Zanger war dazu trotz mehrmaliger Anfrage nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Nach dem Outing die Rote Karte der Politikerinnen

Medientechnisch hat Fellner einen Strategiewechsel vollzogen. Er spricht über die Vorwürfe und weist sie zurück. Sein Format "Fellner live" wird Wolfgang Fellner bis zur Klärung der Vorwürfe nicht mehr moderieren, die Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO wurde mit einer "internen Untersuchung der Vorwürfe nach internationalen Compliance-Regeln" beauftragt, hieß es in einer Aussendung der Mediengruppe "Österreich". Fellner ist damit einem Boykott von politischer Seite zuvorgekommen, von dem er Wind bekommen hat: Spitzenvertreterinnen von ÖVP, Grünen, NEOS und SPÖ haben sich in einer beispiellosen Aktion geeinigt, bis zur Klärung der Vorwürfe der sexuellen Belästigung nicht mehr zu Wolfgang Fellner ins Studio zu gehen. Eine Aktion mit enormer Signalwirkung, der sich auch andere Vertreter dieser Parteien schwer entziehen hätten können. Dem Vernehmen nach war auch der Bundeskanzler an Bord, den Beweis muss er dank Fellners freiwilliger Bildschirm-Pause nicht antreten.

Fellner sieht Rache-Aktion der Konkurrenzmedien

Inhaltlich sieht sich Fellner als Opfer, er spricht von einer Rache-Aktion von Mitbewerbern. Im Interview mit dem Branchenmagazin "Horizont" wurde er gefragt, wie sehr die Vorwürfe der sexuellen Belästigung sein Unternehmen schädigen könnten. Fellner: "Der Imageschaden wird letztendlich sehr gering sein. Wenn ich den Prozess gewinnen sollte, wovon ich ausgehe, wird sich herausstellen, dass hier eine letztklassige Vorverurteilung einiger Konkurrenzmedien stattgefunden hat."

Die Boulevard-Machtkampf im Hintergrund

Und Fellner nennt in dem "Horizont"-Interview Puls24 und krone.tv, zwei kleine Sender so wie sein oe24.tv - nur seien die beiden Sender "chronisch erfolglos" und bei dem Versuch gescheitert, ihn zu kopieren. Der Hintergrund: Fellners Prozessgegnerin Raphaela Scharf arbeitet mittlerweile für krone.tv und wird vor Gericht von Michael Rami vertreten, der auch der Anwalt der "Kronen-Zeitung" ist. Auch eine wichtige Zeugin, die im von Wolfgang Fellner gegen Scharf angestrengten Prozess gegen den Medienmanager aussagen wird, Katia Wagner, arbeitet für die "Krone". Und beide Frauen waren am Mittwoch bei Corinna Milborn auf Puls4 in einer Sondersendung zu Gast.

Zwei Frauen sind entschlossen zu kämpfen

Von Milborn mit der Aussage Fellners konfrontiert, wehrte sich Katia Wagner, in diesen Zusammenhang gerückt zu werden: "Ich finde das eine Frechheit, warum ich nicht als Frau mich hinstellen und für meine Rechte kämpfen können soll. Das hat nichts mit meinem Arbeitgeber dahinter zu tun oder mit sonst irgendjemandem. Das hat einzig damit zu tun, dass ich jetzt finanziell abgesichert bin. Dass ich keine Angst mehr habe, in der Medienbranche vielleicht keinen Tritt mehr zu fassen." Raphaela Scharf will auch kämpfen, ein allfälliges Vergleichsangebot würde sie nicht annehmen, sagt sie: "Ich möchte das System Wolfgang Fellner aufzeigen, wie geht er vor, wie geht er mit jungen Frauen um. Ich möchte mir das einfach nicht mehr gefallen lassen, und ich möchte um mein Recht kämpfen. Bis zum bitteren Ende."

"Die Branche war an der Story nicht interessiert"

Katia Wagners Vorwürfe gegen Wolfgang Fellner liegen schon einige Jahre zurück. Sie hat in der Puls4-Sendung berichtet, dass sie ihre Recherchen in eigener Sache auch Journalisten-Kollegen mitgeteilt habe. Deren Reaktion laut Wagner: "Was ist die Geschichte? Das wissen wir doch eh alle." Das habe sie dann doch einigermaßen erstaunt, wie das in der Medienbranche kommentiert worden sei, so die Moderatorin. Fellner hält Wagner jetzt eine in herzlichen Worten gehaltene Geburtstags-Grußkarte vor, die sie ihm Jahre nach den von ihr behaupteten sexuellen Belästigungen geschickt hat. Die Botschaft: das mache Katia Wagner unglaubwürdig. Man kann davon ausgehen, dass der Gegenschlag des Medienmanagers damit noch nicht erschöpft ist.

Übersicht