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C Pam Zhangs gefeiertes Debüt
"Wie viel von diesen Hügeln ist Gold"
Barack Obama zählt ihn zu seinen Lieblingsromanen, die Presse überschlägt sich vor Euphorie und 2020 war C Pam Zhangs Debütroman nach anderen Auszeichnungen auch für den Booker Prize nominiert. Was ist der chinesischstämmigen Autorin da für ein Coup gelungen in ihrem historischen Roman über den kalifornischen Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts?
3. September 2021, 02:00
Auf jeden Fall ein eindrücklicher Perspektivenwechsel, weg vom männlichen Abenteurer hin zu zwei verwaisten Kindern, die ihr Schicksal im Angesicht der Armut und Brutalität selbst in die Hand nehmen müssen.

GIOIA ZLOCZOWER
Die Autorin C Pam Zhang
Mitten hinein in die Debatten um Rassismus, Sexismus und die Privilegien alter, weißer Männer veröffentlichte C Pam Zhang 2020 ihren Debütroman, in dem sie die urmännliche Geschichte vom kalifornischen Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer jungen, weiblichen, migrantischen und queeren Perspektive erzählt.
Marketingtechnisch 1a, möchte man naserümpfend meinen, doch schon die ersten Seiten lösen alle Vorbehalte in Luft auf. Denn die 30-Jährige hält sich nicht mit oberflächlichen Zuschreibungen auf, sondern schürft tief in den Geschichten und Wunden ihrer Protagonisten und entlarvt durch den Perspektivenwechsel den Wahn, dem die Goldgräber verfallen waren und die Brutalität, mit der sich gegeneinander ums tägliche Überleben kämpften, in neuer Klarheit und Deutlichkeit.
"Es ist an uns Schriftstellern, die Literatur behutsam um bisher unbeachtete Perspektiven zu erweitern", C Pam Zhang
Zwei Kinder und ein Leichnam in der Prärie
Sam und Lucy, elf und zwölf Jahre alt, sind allein unterwegs durch den Wilden Westen. Die Eltern, chinesische Einwanderer, die auf der Sehnsucht nach Reichtum herkamen und in bitterer Armut als Bergarbeiter lebten, sind kurz nacheinander gestorben und hinterlassen den Kindern nichts als den Staub und Dreck in der schäbigen Hütte und den Auftrag, ihre Augen vor der Beerdigung mit zwei Silberstücken zu bedecken, damit sie in Frieden ruhen können.
Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Und so machen sich die Kinder, mit der Leiche des Vaters im Gepäck auf in den verheißungsvollen Osten, wo die Luft sauber, das Gras saftig und das Wasser kristallklar sein soll.
HOW MUCH OF THESE HILLS is out in paperback!
— C Pam Zhang (@cpamzhang) April 6, 2021
In a v bad year, I'm proud as hell to have written a book for and about Asian girls, queer folk, immigrants. I reject the whitewashing of the American myth. We're here, we've been here, & our stories are epic.https://t.co/HS9dxZNEg5 pic.twitter.com/V2xoGB0Z7A
Im Sprachgalopp durch den Wilden Westen
C Pam Zhang erzählt schnell und bildreich, aufgebracht und unerbittlich wie die verbrannte Landschaft, durch die ihre beiden jungen Protagonisten unterwegs sind. Wie die Geschwister durch die Prärie stolpert die Sprache manchmal regelrecht durch die Handlung und verleiht ihr dadurch eine große Atemlosigkeit. Sie galoppiert dahin wie das Pferd des Lehrers, das Lucy für die Flucht gestohlen hat, während die Autorin Versatzstücke des Westerngenres lässig um die Finger kreisen lässt wie der Cowboy den Revolver.
"Es hat Spaß gemacht, mit dem Genre zu experimentieren, ...
... bis hin zum Satzbau. Ich mag den saloppen Slang der alten Western, und ich überlegte, wie ich ihn zeitgenössischer machen und mir aneignen könnte. Zum einen funktionierte das mit den vielen chinesischen Ausdrücken in den Dialogen, diesem Pidgin-Mandarin, das ich zu Hause immer gehört habe. Zum anderen habe ich bei Sam fast alle geschlechtsspezifischen Pronomen weggelassen und so die alte Marke 'Western' ein wenig zu meiner eigenen gemacht", erzählt die Autorin.

S.FISCHER
Vier Blicke auf zerstörte Illusionen …
Aus vier Kapiteln setzt sich die tragische Familiengeschichte zusammen, von der Geburt des Vaters bis zur erwachsenen Lucy, die ihren Körper verkauft, um Sams Schulden zu tilgen. Durch die wechselnden Perspektiven treten auch die vielen Schicksalsschläge und unerfüllten Hoffnungen und vor allem die lebenslangen Lügen zutage, die sie einander und wohl auch sich selbst auftischten, um das Dasein erträglicher zu machen.
Dass Sam nach einem traumatischen Erlebnis beschließt, fortan als abgebrühter Bursche durch die Welt zugehen, dass die chinesische Herkunft der beiden auf den ersten Blick sichtbar ist und stets für Fragen sorgt, die sie nicht beantworten können, dass die Goldgräber nicht nur die eigenen Leiber, sondern auch die Landschaft schinden, hebt die Geschichte aus den zeitlichen Angeln heraus in eine brennend aktuelle Zeitlosigkeit.
… und ein Funken Hoffnung
Dass das gelingt, ohne die Spielregeln des historischen Romans zu verletzen, ohne aufgepfropft und konstruiert zu wirken, zählt zu den vielen Besonderheiten dieses Pageturners, der am Ende zumindest einen Funken Hoffnung auf Selbstbestimmung und Freiheit aufblitzen lässt.
Service
C Pam Zhang, "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold", Roman, übersetzt von Eva Regul, S. Fischer
Originaltitel: "How Much of These Hills is Gold"