Johannes Kaup auf dem Motorrad

ORF/JOHANNES KAUP

Radiokolleg

Africa Upwards

Afrika im Aufbruch - Johannes Kaup machte sich mit dem Motorrad auf die Suche nach neuen Perspektiven.

Jenseits von Europa liegt der Kontinent, von dem die durchschnittliche europäische Bevölkerung kaum etwas weiß. Dabei handelt es sich um die wohl spannendste und zukunftsträchtigste Weltregion, die mitten in einem rasanten Wandel und Aufbruch steht.

Ich bin - im Zuge eines Sabbaticals - zusammen mit meiner Frau Silvia auf eine abenteuerliche Reise durch diesen Kontinent aufgebrochen. Von Wien über Hamburg haben wir unsere beiden Motorräder nach Kapstadt verschifft. Wir wollen vom Kap der Guten Hoffnung Richtung Nordosten zu einer abenteuerlichen Reise "Africa Upwards" aufbrechen. Unser Plan ist es, auf der Reiseroute "good stories" zu sammeln: Geschichten von Menschen, Initiativen und Lebensräumen, die den Blick auf Afrika und seine Menschen - abseits von humanitären und politischen Krisen - erweitern und vertiefen.

Silvia Kaup mit Menschen in Afrika

ORF/JOHANNES KAUP

Afrika schlägt uns vom ersten Moment an in seinen Bann.

Die Schönheit und Größe der Landschaften lassen uns schon auf den ersten tausend Kilometern erahnen, auf welches Abenteuer wir uns da eingelassen haben. Tagesdistanzen wie Wien - Innsbruck auf Landstraßen und in Namibia - auf staubigen "Dirt roads" setzen uns gehörig zu. Auf dem Weg zum Fish River Canyon - nach dem Grand Canyon die zweitgrößte Schluchtlandschaft der Welt - staunen wir zum ersten Mal über Springböcke, Oryx-Antilopen und Bergzebras, die vor uns über die Piste laufen. Speziell in der menschenleeren Wüste Namib, müssen wir bei Temperaturen über 40 Grad nicht nur viel Wasser auf die Motorradkoffer packen, sondern auch Reservesprit. Denn wenn die nächste Tankmöglichkeit 250 Kilometer entfernt liegt, braucht nur eine Reifenpanne oder ein Unfall passieren und schon kann es ganz schnell eng werden.

Deadvlei

Deadvlei in Namibia

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Deadvlei ist wohl eine der schönsten Sanddünenlandschaften unseres Planeten. Im Schweiße unseres Angesichts stapfen wir den langen geschwungenen Dünenkamm bis auf die Spitze des 400 Meter hohen "Big Daddy" hinauf und werden mit einer unvergesslichen Aussicht auf die älteste Wüste unserer Erde belohnt. Tief unten in der Deadvlei-Pfanne sehen wir ausgedörrte schwarze Baumgerippe stehen. Diese stummen Mahner bezeugen, dass es hier vor Jahrzehnten einmal eine Wasserstelle gab. Fünf Kilometer weiter überrascht uns in der Sossusvlei-Pfanne ein kleiner See, der sich erstmals seit vielen Jahren Trockenheit infolge massiver Regenfälle gebildet hat. - Landschaften wie diese stehen in einem großen Kontrast zu den artenreichen grünen Buschwäldern entlang des Okavango oder des Sambesi, die wir später durchqueren werden. Wilde Tiere, denen wir vereinzelt oder in Herden auch abseits der Nationalparks begegnen, lassen unser Herz höherschlagen. Aber das ist wohl das, was man klischeehaft von Afrika-Reisen erwartet.

Was uns am meisten fasziniert, sind die Menschen, die wir unterwegs näher kennenlernen dürfen.

Maasai Duncan Kaloi Saitoti

Maasai Duncan Kaloi Saitoti

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Nur ein Beispiel von vielen aus West-Kenia: In der Siedlung Suswa lernen wir den 27-jährigen Maasai Duncan Kaloi Saitoti kennen. Weil die Frauen in seinem Dorf mitgeholfen haben, sein Studium der Wirtschaft und Informatik zu finanzieren, wollte er ihnen etwas zurückgeben. Er entschloss sich, jene Frauen in seiner Gemeinde zu unterstützen, die selbst kaum etwas haben, aber alles geben, damit es ihre Kinder einmal besser haben.

So organisierte er ein Netzwerk der Frauen in seiner Region, die den traditionellen Maasai-Perlenschmuck herstellen und schuf im Internet eine Fair-Trade-Plattform zur besseren Vermarktung. Seine Frau Mary Yantet, ist als Designerin für die kreative Gestaltung zuständig. Das über diese Plattform generierte Einkommen, verbessert die kargen Lebensbedingungen und ermöglicht den Maasai-Kindern eine höhere Schulbildung. Im kleinen, selbstgebauten "Dreamas Hub" erlernen Massai-Mütter und ihre Familien mithilfe eines handtellergroßen einfachen Computers, eines Raspberry Pi, digitale Fähigkeiten für den Alltag, die sie dann an andere Mütter weitergeben (Mamas2Mamas).

Initiativen wie diese sind der Versuch einer individuellen Antwort auf die rasante Modernisierung und den wachsenden Wohlstand, die vor allem in den urbanen Zentren wie beispielsweise in Nairobi stattfinden. In den infrastrukturell benachteiligten ländlichen Gegenden hat sich dadurch der wirtschaftliche Druck auf die Bevölkerungsteile erhöht, die nur von Subsistenz-Landwirtschaft leben. In manchen Regionen, die von Wassermangel und der Privatisierung von einstigem kommunalen Land geprägt sind, schwelen Nutzungskonflikte zwischen Ackerbauern und Viehhirten, die mitunter gewalttätig ausgetragen werden. In Nordkenia sind wir selbst Zeugen davon geworden.

Zwei afrikanischen Menschen beim Ernten

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Keine Frage: Ungleichheit, Landkonflikte, neokoloniale Abhängigkeiten, Korruption, Ressourcenraubbau und politisches Versagen sind ein Teil der afrikanischen Realität. Aber bei weitem nicht alles und auch nicht überall.

Afrika ist ein junger, vitaler Kontinent.

60 Prozent der Bevölkerung ist unter 25 Jahren alt. Die jüngeren gebildeten Generationen versuchen, verfestigte Machtverhältnisse aufzubrechen und nachhaltige, innovative, solidarische und demokratische Strukturen aufzubauen. Sie sind kreativ, solidarisch und wirtschaftlich innovativ unterwegs. In komplexen Problemen sehen sie Herausforderungen, auf die sie mit unkonventionellen Ideen und viel Engagement reagieren und so ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen leisten. Die entspannte afrikanische Lebensfreude, die freundliche Offenheit und Neugier am Leben der anderen, der gelebte Gemeinsinn und eine lebendige Religiosität und Kultur - das sind die bleibenden Geschenke dieser Reise, die wir "jenseits von Afrika" mit nach Hause nehmen.

Service

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Duncan Kaloi Saitoti
Mary Yantet