Adolf Eichmann

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Roman von Ariel Magnus

Adolf Eichmann in Argentinien

Der argentinische Schriftsteller Ariel Magnus hat deutsche Wurzeln. Seiner Großmutter, einer Holocaust-Überlebenden, hat er 2012 den Roman "Zwei lange Unterhosen der Marke Hering" gewidmet. In seinem neuen Roman wechselt Magnus nun die Perspektive und erzählt über die argentinischen Jahre eines der größten Nazi-Verbrecher, der Titel "Das zweite Leben des Adolf Eichmann".

Juli 1952. Vor zwei Tagen starb Evita und durch Buenos Aires irrt ein Mann, mit O-Beinen und im löchrigen Mantel, der verzweifelt versucht, Blumen aufzutreiben. Der Grund: Seine Frau ist gerade zusammen mit den drei Söhnen per Schiff aus Deutschland angekommen.

Lücken füllen

Seit sieben Jahren hat Adolf Eichmann seine Familie nicht mehr gesehen, doch weil das Volk alle Blumen für die verstorbene Evita aufgekauft hat, wird es nichts aus dem Rosenstrauß zur Begrüßung für seine Frau. Mit dieser Szene beginnt der Roman "Das zweite Leben des Adolf Eichmann". Ariel Magnus dazu: "Es ging mir darum, die Lücken zu füllen, die in der Geschichtsschreibung und in den Biografien klaffen, ganz einfach, weil es dazu keine Aussagen oder Quellen gibt. Da musste dann die Literatur einspringen."

"Ich wollte das Buch aus Eichmanns Sicht schreiben“ Ariel Magnus

Sich durch die Hölle lesen

Um Adolf Eichmanns Denken zu verstehen, hat Magnus dessen im Gefängnis geschriebene Autobiografie gelesen, wichtig waren auch Eichmanns Aussagen im Prozess in Jerusalem und ein ausführliches Interview, das Eichmann in Argentinien dem niederländischen Journalisten und Nazi-Kollaborateur Wim Sassen gegeben hatte. Eine intensive und aufreibende Recherchearbeit.

"Es war wirklich die Hölle", sagt Ariel Magnus über seine Recherchearbeit. "Als ich dann aber den richtigen Ton für meinen Roman gefunden, die erste Szene geschrieben und wirklich das Gefühl hatte, im Argentinien der 50er-Jahre heimisch zu sein und Eichmann in der Hand zu haben, begann die Vergeltung. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Sicherheit, jetzt hab‘ ich dich, Eichmann, und jetzt werde ich aus dir eine Figur machen und du wirst meine Figur sein."

Eichmanns Sprache

Um den besonderen Tonfall des Romans auch im Deutschen zum Ausdruck zu bringen, musste die Übersetzerin Silke Kleemann ähnliches leisten wie der Autor. "Sie musste durch die Hölle wie ich", so Ariel Magnus, "weil sie auch Eichmann lesen musste, um meine Sprache nicht zu weit weg von Eichmanns Sprache anzusiedeln.

Idiot oder Intellektueller

Er wollte keine Groteske schreiben, sagt Ariel Magnus, eine feine ironische Note zieht sich jedoch sehr wohl durch den Roman. Die macht "Das zweite Leben des Adolf Eichmann" aber nicht weniger tiefschürfend, denn Magnus sieht sehr genau hin und er bricht mit Hannah Arendts Darstellung von Eichmann als dümmlichem Bürokraten, der willfährig seinen Dienst tut.

"Natürlich hat er sich als kleines Rädchen dargestellt", sagt Ariel Magnus, "er wollte schließlich der Todesstrafe entgehen. Das entsprach aber überhaupt nicht seinem wahren Selbstbild. Deshalb waren für mich auch die Sassen-Interviews so wichtig, weil er da wirklich sagt, was er denkt, und zeigt, wie stolz er auf seine Arbeit im Dritten Reich war, die er wirklich als seine Lebensarbeit betrachtete."

Buchumschlag

KIEPENHEUER & WITSCH

Der Feminist Adolf Eichmann

Als überzeugten Ideologen zeigt Ariel Magnus Adolf Eichmann, der seine Fähigkeit zu bluffen und zu täuschen beim argentinischen Kartenspiel Truco perfektioniert. Zum Haareraufen sei es, so Ariel Magnus, was Eichmann so von sich gegeben hat, um sich in ein besseres Licht zu rücken: "Da meinte er zum Beispiel an einer Stelle, dass eigentlich die Frauen die Welt regieren sollten, weil wir Männer bewiesen haben, dass wir es nicht können. So ist der Eichmann, macht sich auch noch schnell zum ersten Feministen."

Massenmorde und Kaninchenzucht

Bis zu seiner Ergreifung durch den israelischen Geheimdienst Mossad geht der Roman; ein Bravourstück, das es auf atemberaubende Weise schafft, hinter die Fassade eines Mannes zu blicken, der in seinem Leben Massenmorde verantwortete und Kaninchen züchtete, leidenschaftlich Sonnenuntergänge liebte und den Transport von Millionen von Juden in Konzentrationslager organisierte.

Service

Ariel Magnus, "Das zweite Leben des Adolf Eichmann", aus dem Spanischen von Silke Kleemann, KiWi

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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