Überschwemmungen

APA/HELMUT FOHRINGER

Diskussion über Klimapolitik

Einmal Steinzeit und zurück

Die Klimaschutz-Debatte in diesem Sommer der auch klima-bedingten Wetter-Extreme verläuft grotesk. Im deutschen Bundestags-Wahlkampf versuchen Medienleute zu billigen Verbots-Schlagzeilen zu kommen, die Politikerinnen und Politiker fürchten sich oft vor klaren Antworten, weil alle Kanzlerin werden wollen. In Österreich fährt die Kanzlerpartei einen hochgradigen Retro-Klimakurs. Und die Medien suchen noch immer mehr oder weniger verzweifelt ihre Rolle.

Noch immer werden Berichte über Hitze-Rekorde mit schönen Frauen im Bikini oder Menschen, die am Strand chillen, bebildert. Zur Macht der Bilder kommt die Macht der Sprache, auf dem Zeitungsboulevard bisweilen sogar zu Fake News verzerrt: Wenn etwa von der reichweiten-starken "Bild-Zeitung" in Zweifel gezogen wird, dass das veränderte Klima die Ursache für Flutkatastrophen sei – was ernstzunehmende Wissenschafter ja nicht behaupten. Die Klimakrise begünstigt solche Wetterereignisse. Ob Flut oder Hitze, das wird jetzt einfach immer öfter vorkommen.

Politiker drücken sich vor Klartext

Die Politiker drücken sich um Klartext in dieser elementaren Frage herum, Ausnahmen bestätigen die Regel. So hat der Ko-Chef der deutschen Grünen, der auch im Wahlkampf steht, aber nicht als Kanzlerkandidat, im ARD-Talk "Maischberger" das gesagt: "Es wird wärmer werden, es ist ausgeschlossen, dass es so bleibt wie es ist. Dafür ist schon zu viel passiert. Wir reden nicht darüber, dass es keinen Klimawandel gibt. Wir reden einzig und allein darüber, dass die Erderwärmung so eingebremst wird, dass wir als Menschen uns anpassen können."

Robert Habeck

Robert Habeck

APA/AFP/RONNY HARTMANN

Der Gust, der Traktor und die Lastwägen

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz kontert den Kanzlerkandidaten der Herzen so: "Der Klimaschutz muss durch Innovation und Fortschritt funktionieren und nicht durch Verzicht und den Weg zurück in die Steinzeit." Oder wie es der ÖVP-Klubobmann beim Parteitag Ende August hemdsärmelig ausgedrückt hat: "Die Pendlerinnen und Pendler brauchen ihr Auto, die Bauer braucht einen Traktor, und die Unternehmer brauchen Lastwägen. Sonst funktioniert’s nicht."

Traktor

APA/ROLAND SCHLAGER

Kanzler-Wording von ganz rechtsaußen

Die Richtung hatte ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager schon im Juli vorgegeben – mit dem Satz: "Man möchte da nicht sozusagen eine Klimadiktatur haben." Ein Begriff, der wie das Gespenst eines "Klima-Lockdown", von dem ÖVP-Obmann Kurz neben der "Steinzeit" auch noch gesprochen hat, vom Spektrum ganz rechtsaußen entlehnt ist. Die Extremismus-Expertin Julia Ebner in ihrem "Falter"-Blog: "Wenn man auf Telegram oder auf Twitter nach dem Hashtag #KlimaLockdown oder #ClimateLockdown sucht, so zeigt sich schnell, dass Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker und Klimawandelleugner ein Quasi-Monopol auf den Begriff haben."

Die Medien schielen auf Schlagzeilen

Das Kalkül oder in den anderen Fällen die Angst der Politiker - getrieben von zuwenig kompetenten Medienleuten, die auf Schlagzeilen schielen, und von Umfragen, die nie Mehrheiten für das Unpopuläre ergeben, sind Teil des Problems. Die renommierte Klima-Wissenschafterin Helga Kromp-Kolb will mehr Klartext von Politikern hören: "Politiker sind halt Diplomaten, und man weiß oft nicht, was schon bei ihnen angekommen und was nicht. Es braucht den Mut zur Wahrheit."

Helga Kromp-Kolb

Helga Kromp-Kolb

APA/HANS KLAUS TECHT

Der Einspruch der Klimaforscherin

Und sei in diesem Zusammenhang überhaupt nicht schrecklich, repliziert Kromp-Kolb auf das Nein des Kanzlers zum Verzicht. "Die Veränderungen, die notwendig sind, um das Klima zu stabilisieren, können zugleich so viel in richtige Bahnen lenken, was jetzt schiefläuft. Es könnte ja sein, dass wir wirklich auf alles verzichten müssen – das ist es aber nicht. Wir können Qualität gewinnen."

"Die Frage ist nur, welcher Verzicht"

Oder wie es die Caritas Deutschland als Replik auf die erste TV-Konfrontation der deutschen Kanzler-Hoffnungen von Union, SPD und Grünen formuliert hat: "Klimakrise heißt Verzicht auf Zukunft, Lebensqualität, Gesundheit, für manche sogar Verlust von Existenz. Die Frage ist also nicht kein Verzicht vs. Verzicht, sondern worauf: Innerdeutsche Flüge? Mit dem Auto zum Bäcker? Oder eine gesunde Zukunft?" Sebastian Kurz darf sich ruhig auch angesprochen fühlen.

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