Wolfgang Blau

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Interview mit Medienmanager Wolfgang Blau

Der Klima-Vordenker in Oxford

Wolfgang Blau war zuletzt Chef von Condé Nast International. Die Auslandssparte des US-Medienkonzerns bringt 143 Magazine heraus und betreibt an die 100 Webseiten. Zuvor war Blau Chefredakteur von" Zeit Online" und später Chief Digital Officer für den britischen "Guardian". Heute forscht er am Reuters Institute an der Oxford University über Klima-Berichterstattung. Wolfgang Blau sieht diese als größte Herausforderung für den Journalismus überhaupt. Nadja Hahn hat für #doublecheck mit ihm gesprochen.

Klimaschutz sei so komplex und so mit Ängsten beladen, dass das beobachtbare Medienversagen eigentlich nicht überrasche: "Das ist journalistisch die größte Herausforderung, die es je gegeben hat. Das glaube ich inzwischen. Das ist das Führungsthema für die Chefredaktion zu sagen, wir müssen jeden Weg finden, die Wahrnehmung der Menschen zum Thema Klimawandel zu erhöhen. Denn die Welt, in der wir jetzt leben und in der wir leben werden, ist einfach nicht mehr dieselbe."

Wolfgang Blau im #doublecheck-Interview mit Nadja Hahn

Die Komplexität erfassen und zugeben

Einerseits die inhaltliche Komplexität der Thematik, die nicht nur berichtende Journalistinnen und Journalisten, sondern auch die redaktionelle Führungsebene überfordere: Da gehe es auch um das Eingeständnis von Versäumnissen und von Unwissen, somit um die Angst, sich vor den Mitarbeitern zu blamieren, sagt Blau. Er plädiert dafür, dass Redaktionen Fachressorts einrichten, wie sie zum Beispiel der ORF hat, zumindest aber sollte es eine Wissenschaftsredakteurin oder einen Klima-Redakteur geben, der Know-how-Geber für die ganze Redaktion sein kann. Wie viele Redaktionen während der Pandemie ihre Corona-Berichterstattung organisiert haben, das könne hier Vorbild sein.

Den Druck von Trollen und Lobbys aushalten

Andererseits komme massiver Druck auf die Berichterstatter von Klimawandel-Leugnern, die im Netz geballt auftreten und enorm viel Kraft kosteten, berichtet Wolfgang Blau über Gespräche mit Betroffenen. Und auch die Lobbyisten der fossilen Wirtschaft seien mächtig und versuchten speziell in den USA, aber auch in anderen Ländern Druck auf Journalistinnen und Journalisten zu machen. "Es gibt viele gut dokumentierte wissenschaftliche Studien, über wieviele sogenannte Institute, sogenannte Thinktanks, sogenannte Industrie-Vereinigungen ganz gezielt Desinformation verbreitet wird, die auch Journalisten irreführen und Zweifel säen soll."

Die Grenze zum Aktivismus definieren

Wolfgang Blau sagt auch, man müsse Redaktionen dabei helfen, in ihren Statuten zu definieren, wann Berichterstattung als Aktivismus gilt. Das ist ein ständiger Vorwurf an engagierte Klima-Berichterstatter: dass sie sich mit der guten Sache gemein machen. Ein Kriterium zur Abgrenzung könnte sein, dass journalistische Texte mehr als eine Option zur Lösung von Problemen anbieten sollten: "Wenn ich beispielsweise sage, die einzige Lösung, die Klimakrise in Österreich zu bekämpfen, ist diese Technologie oder diese eine politische Initiative, dann sollte ich schon aufhorchen", betont Blau.

Die Debatte habe sich freilich längst verselbstständigt und gehe schon so weit, dass "Kollegen Angst haben, als Aktivisten dazustehen, wenn sie den Klimawandel oder die Klimakrise überhaupt nur erwähnen".

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