Klimaaktivisten

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Journalismus versus Aktivismus

Der Maßstab ist die Wissenschaft

Wer mit eindringlichen Worten über die Klimakrise berichtet, bekommt schnell den Aktivismus-Stempel aufgedrückt. Neutral und nüchtern bleiben, sich mit keiner noch so guten Sache gemein machen, das kann beim Thema Klima schwerfallen. Andere probieren es gar nicht, und sagen: "Ich bin beides - Aktivistin und Journalistin."

Es geht um nichts Geringeres als die Lebensgrundlage der Menschheit auf dieser Erde, und die Forderungen der Wissenschaft sind seit Jahrzehnten klar. Weg von fossiler Energie, die Erderhitzung müsse gestoppt werden. Und um das Allerschlimmste zu verhindern, sei nur noch wenige Jahre Zeit. Genau darauf berufen sich auch Klima-Aktivistinnen und Aktivisten weltweit, etwa die Bewegung "Fridays for Future" rund um Greta Thunberg. Die Politik müsse endlich der Wissenschaft folgen, wird gefordert.

Kind spielt auf einer Demonstration mit der Erdkugel als Ball

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Klimaschutz hat keine zweite Seite

Auf der anderen Seite stehen oft wirtschaftliche Interessen und die Bremser der Politik. Eine Schieflage, die für Medien zur Herausforderung werden kann. Natürlich bleibe Ausgewogenheit auch beim Thema Klima wichtig, sagt die deutsche Journalistin Sara Schurmann, die sich für mehr Klima-Bewusstsein in Redaktionen einsetzt, aber: "Was ist die zweite Seite zu Klimaschutz? Kein Klimaschutz bedeutet, dass wir unsere Lebensgrundlage zerstören." Sie sei fest davon überzeugt, dass Journalismus in dieser Frage nicht neutral in die Mitte stehen könne.

Offener Brief an die Branche: Tut was!

Schurmann hat vor einem Jahr in einem Offenen Brief an die Branche appelliert: "Nehmt die Klimakrise endlich ernst!" Ihr selbst sei das Ausmaß der Krise erst seit rund einem Jahr bewusst. Einer der Auslöser sei die ihrer Meinung nach unkritische Berichterstattung zum EU-Wiederaufbauplan nach Corona gewesen, bei dem der Klimaschutz zu kurz gekommen sei. "Das hat mir klargemacht, dass Klimaschutz offensichtlich in der Breite der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung noch gar nicht mitgedacht wird."

Sara Schurmann

Sara Schurmann

REBECCA RÜTTEN

Die Sorge vor dem "Aktivismus-Stempel"

Seither nimmt sich Schurmann seltener ein Blatt vor den Mund. Auf Twitter klagt sie das offen als Medienversagen an und schweigt nicht, wenn es darum geht, die Klima-Folgen klar zu benennen. Die Gefahr, sich damit journalistisch ins Out zu schießen, habe sie bewusst in Kauf genommen, sagt Schurmann. Die Bedenken teilt sie mit vielen Kolleginnen und Kollegen. "Der Aktivismus-Vorwurf ist ein großes Thema." Auch wenn entlang des wissenschaftlichen Konsenses berichtet werde, komme in den Redaktionen immer wieder der Hinweis, ja nicht zu "einseitig" zu sein, und auch den wirtschaftlichen Lobbys Platz zu geben. Schurmann warnt daher vor einer "False Balance", einer falschen Ausgewogenheit.

Journalismus muss Kante zeigen dürfen

Auch Benedikt Narodoslawsky, Ressortleiter des neuen Natur-Ressorts bei der Wochenzeitung "Falter", kennt diese Debatte, nachvollziehen kann er sie aber nicht. "Wenn ich weiß, dass das Klima ein riesiges Problem ist und das nicht eine Partei sagt, sondern die vereinte Wissenschaft, dann verstehe ich eigentlich nicht, warum man das als Journalist nicht massiv kritisieren soll." Es sei vielmehr ein Versagen, dass viele in den Medien noch immer nicht klare Worte finden und immer noch den sanfteren Begriff "Klimawandel" wählen. "Immer wenn ich "Klimawandel" lese statt "Klimakrise", weiß ich, der hat sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt", sagt Narodoslawsky.

Ein Megaphon für die Ex-Aktivistin

Wie die strikte Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus bei der Klimakrise ins Wanken geraten kann, zeigt auch das Beispiel "Heute". Das Gratis-Blatt hat sich für das neu gegründete Umwelt-Ressort samt Klimakolumne mit Lydia Matzka-Saboi eine Redakteurin ins Haus geholt, die zuletzt bei der österreichischen Umweltschutz-Organisation Global 2000 gearbeitet hat. Fünfzehn Jahre lang war Matzka-Saboi dort Pressesprecherin. Sie habe schon immer etwas bewegen wollen, die Reichweite der Boulevard-Zeitung sieht sie jetzt als Chance für ihre Agenda: "Das war ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte." Die Zeitung "Heute" drücke ihr ein "Megaphon" in die Hand. Als Journalistin werde sie künftig "beide Seiten hören" und freilich eine andere Rolle einnehmen, ihre Haltung sei der Redaktion unter Chefredakteur Christian Nusser aber natürlich bewusst.

Für keine Seite entschieden

Von der Aktivistin zur Journalistin, ein Seitenwechsel, den nicht alle vollziehen wollen. Etwa Clara Porak, die von sich selbst sagt: "Ich bin beides. Aktivistin und Journalistin." Porak ist bei den Klimaschutz-Organisationen "Fridays for Future" und "Extinction Rebellion" aktiv. Und sie schreibt als freie Journalistin für mehrere Medien, wie etwa für das Monatsmagazin "Datum" und die "Süddeutsche Zeitung". Demonstrieren und berichten, eine heikle Doppelrolle, die aber ihre Daseinsberechtigung hat, findet Porak. Man dürfe sich von ihr sicher nicht "die große Aufdeckergeschichte über Fridays for Future" erwarten, dennoch recherchiere sie "ergebnisoffen" und achte auf Transparenz. Porak sagt, sie gehe mit ihrem Anliegen zumindest offen um. "Es wäre arrogant zu glauben, dass jeder jeden Text schreiben kann."

"Zynischer" Alarmismus-Vorwurf

Die Aktivismus-Debatte im Klimajournalismus sieht Clara Porak angesichts der enormen Herausforderung, vor die Medien in der Klimakrise stehen würden, kritisch: "Wir haben die Aufgabe, den Menschen eine wirkliche schreckliche Botschaft zu überbringen und sie gleichzeitig nicht in Verzweiflung zu stürzen, weil wir noch Handlungsspielraum haben. Das gelingt keinem einzigen Medium im deutschsprachigen Raum. So gesehen versagen wir alle. Und dann einzelne Berichte als alarmistisch zu diffamieren, finde ich fast schon zynisch." Zumal sich ausgerechnet die Medien die "alarmistischen Ich-Texte" oft selbst wünschen würden, die Porak immer wieder zum Klima geschrieben hat.

Netzwerk für Klimajournalismus

Porak will auch in der Branche etwas verändern. Mit dem "Netzwerk Klimajournalismus", das Porak gemeinsam mit Katharina Kropshofer und Veronika Winter gegründet hat und Vorbild für das gleichnamige erfolgreiche Projekt in Deutschland war, sollen interessierte Journalistinnen und Journalisten eine Plattform haben, um sich zur Berichterstattung rund um die Klimakrise auszutauschen, und sich gegenseitig zu bestärken.

Aktivismus-Kriterien ins Redaktionsstatut

Der Journalist Wolfgang Blau, der an der Oxford University zum Thema Klimaberichterstattung forscht, sagt, man müsse Redaktionen dabei helfen, in ihren Statuten zu definieren, wann Berichterstattung als Aktivismus gilt. Ein Kriterium könne sein, dass journalistische Texte mehr als eine Option zur Lösung von Problemen anbieten sollten: "Wenn ich beispielsweise sage, die einzige Lösung, die Klimakrise in Österreich zu bekämpfen, ist diese Technologie oder diese eine politische Initiative, dann sollte ich schon aufhorchen." Die Debatte habe sich aber verselbständigt und gehe schon so weit, dass "Kollegen Angst haben, als Aktivisten dazustehen, wenn sie den Klimawandel oder die Klimakrise überhaupt nur erwähnen."

Fernseh-Zeitschrift wirbt für Klimaschutz

Aber dürfen Medien gemeinsame Sache mit der Klimabewegung machen? Ja, findet Hans Metzger, Geschäftsführer der Fernsehzeitschrift "Tele". Metzger hat vor zwei Jahren die "Tele Klima-Initiative" gestartet. Im Heft, das 16 Tageszeitungen beiliegt und damit nach eigenen Angaben mehr als eine Million Menschen erreicht, werden Klima-Programmtipps abgedruckt, und in den Werbefenstern von Tele in anderen Medien werben Prominente wie Adele Neuhauser unter dem Logo der Zeitschrift für mehr Klimaschutz.

Es gibt keine Ausreden mehr, nichts zu tun

Eine niederschwellige Kampagne für Klimaschutz an einem ungewöhnlichen Ort, mit der Metzger seinen Beitrag leisten will. Zu seiner Motivation sagt er, er wolle aus den Fehlern der Generation seiner Eltern und Großeltern während der Nazi-Zeit lernen, die Fragen zu ihrer Verantwortung kaum beantworten konnten. Jetzt bei der Klimakrise würden "alle Fakten auf dem Tisch liegen." Es gebe keine Ausreden, nichts gegen die Klimakrise zu tun, sagt der Medienmanager.

Service

Netzwerk Klimajournalismus Österreich

"Journalist:innen, nehmt die Klimakrise endlich ernst" - Offener Brief von Sara Schurmann

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