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Spielräume
Arabische Diven
Die großen Sängerinnen der arabischen Welt von 1920 bis 1970
22. Oktober 2021, 15:22
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Nadja Kayali
Eine Frauenstimme tönt aus dem Radio. Sie singt "Enta omri", "Du bist mein Leben". Die Zeit scheint stillzustehen. Vor den Radioapparaten der gesamten arabischen Welt sitzen Frauen und Männer, Jung und Alt, in Wohnungen und Zelten und lauschen den Liedern, die Umm Kulthum gerade singt. Die Straßen sind leer, kein Politiker, auch kein Staatschef würde auch nur auf die Idee kommen, eine öffentliche Rede anzusetzen, wenn Kulthum im Radio zu hören ist.
Umm Kulthum, geboren ungefähr 1900, war nicht die erste arabische Sängerin, aber sie war diejenige, die Ägyptens Musikwelt nachhaltig veränderte. Einer ihrer zahlreichen Ehrennamen lautete "Stern des Orients". Tatsächlich war sie der Stern am arabischen Musikhimmel. Unübertroffen blieben ihre Improvisationskünste und ihre Fähigkeit, die Zuhörenden in Begeisterung zu versetzen. Als sie 1975 starb, folgten Millionen von Menschen dem Leichenzug durch Kairo.
Mädchen Bildung, Frauen Unabhängigkeit
Kulthums Karriere begann bereits als Kind. Damals musste das Mädchen in Bubenkleidern auftreten. Aber auch in der arabischen Welt veränderte sich die Gesellschaft. In den Salons des Bürgertums ergriffen die Frauen Syriens, des Libanon und Ägyptens bereits im 19. Jahrhundert das literarische Wort, ein arabischer Feminismus begann sich zu entwickeln.
In einem Artikel, erschienen 1926 in der Zeitschrift "al-Muqtataf", plädierte die bedeutende Intellektuelle May Ziadé (1886–1941) dafür, den Mädchen Bildung und den Frauen Unabhängigkeit zuzubilligen. Es waren diese gesellschaftspolitischen Umwälzungen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts den Aufstieg der Sängerinnen und Schauspielerinnen in den Ländern der arabischen Welt ermöglichten.
Radio als Partner
Eine bedeutende ägyptische Sängerin, deren Karriere in den 1920er Jahren ihren Höhepunkt erreichte, war Mounira al-Mahdiyya (circa 1884 bis 1965). Sie repräsentierte eine Wende in der arabischen Musikwelt, die in der Folge zu neuen Formen, neuen Instrumentierungen und anderen Verbreitungsweisen führte. Gerade das Radio wird für die Sängerinnen zum bedeutenden Partner.
Umm Kulthum hatte eine monatliche Radioübertragung für sich reserviert, und der erste Donnerstag im Monat wurde über Jahre hinweg ihrem Publikum zum Feiertag. Die aus Beirut stammende Fairuz (geboren 1934) wurde vom libanesischen Radiodirektor entdeckt. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwager, besser bekannt als "Rahbani-Brüder", gelang eine Modernisierung der arabischen Musik.
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Musik und Kino
Aber auch das Kino war aus dem Berufsbild einer Sängerin nicht wegzudenken, denn Musik und Film waren eng miteinander verbunden. Kairo war das Zentrum dieser neuen Kunstform, die schon bald in anderen Ländern, allen voran dem Libanon, mit der Musikwelt verknüpft war. Alle berühmten Divas der arabischen Musik waren auch in Filmen als Schauspielerinnen zu sehen: Umm Kulthum ebenso wie die Syrerin Asmahan (1917 bis 1944), die in Frankreich geborene Algerierin Warda (1939 bis 2012), die Libanesin Fairuz oder die in Kairo aufgewachsene Italienerin Dalida (1933 bis 1987).
Verfolgt man die Geschichte der arabischen Musik im 20. Jahrhundert, so zeigt sie sich geprägt von Veränderungen, die besonders durch Kulturtransfers vor sich gingen. Dass daraus wieder etwas ganz Eigenes entstanden ist, ist nicht zuletzt der künstlerischen Kraft der arabischen Sängerinnendivas zu verdanken.