Schauspielerkette blickt in den Theatersaal

THEATER IN DER JOSEFSTADT

Architektur, Geschichte, Kultur

"Theater in der Josefstadt 1788-2030"

Mit einer großen zweibändigen Publikation setzt sich das Theater in der Josefstadt selbst ein Denkmal. 1788 erbaut und als eines der ältesten durchgängig bespielten Theater Europas erhalten, hat es eine wechselvolle und höchst interessante Vergangenheit hinter sich.

Der Kunsthistoriker Robert Stalla hat sich dieser Geschichte angenommen und das Buch "Das Theater in der Josefstadt 1788-2030" herausgegeben. Das Werk behandelt sowohl die baugeschichtlichen wie theaterhistorischen Aspekte.

Ensemble trinkt Tee

Hans Jaray, Lucie Bittrich, Otto Schenk, Maria Emo, Vilma Degischer, Elisabeth Markus und Renée Michaelis in "Die liebe Familie" von Felicity Douglas, 7. Juli 1955, Archiv Theater in der Josefstadt

MICHAEL KÖSSLER

650 reichbebilderte Seiten, 250 Jahre wechselvolle Theatergeschichte und fünf Jahre intensivste Recherchearbeit stecken in den zwei großformatigen weißen Bänden mit Goldprägung. "Das war eine unglaublich quellenintensive Arbeit", sagt Autor Robert Stalla, der das Theater in der Josefstadt mittlerweile kennt, wie kein zweiter: "Wir hatten eine riesige Menge an Material, haben rund 20 Archive durchgeforstet, nach Planmaterial, Bildmaterial." Über die letzten 100 bis 150 Jahre habe man alle Zeitungsarchive nach Berichten durchforstet.

Lotte Lang und Peter Matic 1966

ERNST HAUSKNOST

Lotte Lang und Peter Matic in "Alles zum Guten" von Luigi Pirandello, 20. Oktober 1966, Archiv Theater in der Josefstadt

1788 eine Wirtshausbühne

Ursprünglich als reine Architekturgeschichte des Hauses angelegt, erweiterte sich der Horizont der Arbeit auf die Theaterhistorie, auf die kulturgeschichtlichen, politischen gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen des Hauses und auf jene Menschen, die das Theater über die Jahrhunderte geprägt haben, einschließlich aller über 50 Direktoren.

Begonnen hat das Theater in der Josefstadt als schlichte Wirtshausbühne, gegründet vom Schauspieler Karl Mayer, dem Schwiegersohn des Wirtes "Zum goldenen Strauss" (deswegen heute noch Sträusselsäle).

"Wir sind im Jahr 1788, das war eine ganz einfache Hinterhofbühne, eine Holzständerkonstruktion aber damals schon mit drei Emporen, das war ein Logentheater auf einer Grundfläche von 250 m2 - eine sehr kleine Bühne, ein sehr großer Zuschauerraum. Wir sind in einer Zeit der nicht-finanzierten Theater, das war also auch ökonomisch gedacht", so Robert Stalla.

Nestroy, Raimund, Marx und Wagner

1822 folgte der Neubau von Josef Kornhäusel, zu dessen Eröffnung Ludwig von Beethoven seine Komposition "Weihe des Hauses" selbst dirigierte. Nestroy und Raimund haben im Theater in der Josefstadt gespielt, Attila Hörbiger und Paula Wessely, Oskar Werner und Marlene Dietrich, Gustaf Gründgens und Helmut Qualtinger. 1848 hielt Karl Marx hier in den Sträusselsälen vor dem ersten allgemeinen Arbeiterverein seine Rede, 1857 erklang zum ersten Mal in Wien Wagners "Tannhäuser".

"Das Haus ist bis heute geprägt von der strahlenden Figur der Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts, Max Reinhardt, der das Haus 1923 übernommen hat", erzählt Stalla. Reinhardt, der eigentlich das Theater an der Wien haben wollte, ließ das Theater komplett umbauen und gab ihm mit seinen dunkelroten Damasttapeten, Goldschmuck und venezianischen Lustern seine heutige Prägung. Die rückwärtsgewandte Ästhetik, geschuldet Max Reinhardts Vorliebe für das Teatro Fenice in Venedig, erntete durchaus Kritik.

Ernst Waldbrunn und Kurt Sowinetz 1973

Ernst Waldbrunn und Kurt Sowinetz in "Wie es euch gefällt" von William Shakespeare, 29. November 1973, Archiv Theater in der Josefstadt

ERNST HAUSKNOST

Josef Goebbels plante Reichstheater

"Das ist sicherlich ein sehr retardierendes Element, das auf ein bürgerliches Publikum zugeschnitten war, und sicherlich nicht Avantgarde. Es ist auch ein Anachronismus, denn wir befinden uns in der Ersten Republik, nach 1918, und man muss sich klarmachen, dass Walter Gropius, der Bauhausdirektor zur gleichen Zeit den Umbau des Stadttheaters Jena vornimmt, was heute ein Vorbild für den 'international style' ist."

1935 musste der hochverschuldete Reinhardt das Haus abgeben, 1938 kam das abrupte Ende. Die jüdischen Schauspieler mussten das Theater verlassen, Heinz Hilpert, ein Reinhardt-Schüler mit ambivalentem Verhältnis zum Nationalsozialismus, übernahm die Leitung. "Ein zentraler Punkt in der Zeit um 1938 war, dass der Propagandaminister Josef Goebbels das Theater in der Josefstadt für sich gewinnen wollte, also für das Ministerium, es sollte ein Reichstheater daraus gemacht werden."

Buch aufgeschlagen und zugeklappt

THEATER IN DER JOSEFSTADT

"Die Tradition im Griff, die Zukunft im Blick"

Ein Reichstheater wurde nie aus der Josefstadt, Rudolf Steinböck übernahm nach dem Krieg. Es folgten Häussermann, Stoß, Schenk und Lohner und seit 2006 Herbert Föttinger drückten dem Haus ihren Stempel auf. Unter Föttinger erfolgte die Generalsanierung des Haupthauses und der Kammerspiele sowie der Einbau einer Probebühne. Unter dem Titel "Die Tradition im Griff, die Zukunft im Blick" steuert Föttinger dem Werk eine Liebeserkärung an das Theater und "Einblicke und Ausblicke" bei.

Bis 2026 wird Föttinger das Haus leiten. Die Jahreszahl im Buchtitel 1788-2030 weist aber schon über seine Direktionszeit hinaus. Warum? Das bleibt nach Lektüre dieses umfangreichen Prachtbandes über die Josefstadt, vermutlich die einzige ungeklärte Frage.

Service

Robert Stalla, "Theater in der Josefstadt 1788 - 2030. Architektur, Geschichte, Kultur", 2 Bände mit 640 Seiten, 495 Abbildungen in Farbe, 25 x 29 cm, gebunden, Hirmer

Am Sonntag, den 17. Oktober 2021, 11:00 Uhr, wird das Buch im Rahmen einer Matinée im Theater in der Josefstadt präsentiert - mit Robert Stalla, Günther Rhomberg und Herbert Föttinger

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