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Österreichischer Buchpreis 2021 - Die Preisverleihung

"Ich kann Euch nichts geben!" (Nur meine Integrität) - Bekenntnisse eines Jurors.

Die Wahrheit ist: Wer ohne Wenn und Aber an die Gerechtigkeit glaubt, der sollte nie Teil einer Jury sein. Das soll die Ergebnisse nicht schmälern, zu denen sich Juror/innen durchringen, aber fünf Personen - wie im Fall des Österreichischen Buchpreises - haben nun einmal fünf Ansichten darüber, was gute Literatur ist. Und wenn aus mehr als 120 Büchern zehn für die Longlist, fünf für die Shortlist, drei für die Debüt-Shortlist und am Ende zwei (Hauptpreis und Debütpreis) übrig bleiben, liegt es in der Natur der Sache, dass sich diese schrittweise Reduktion auf viele Kompromisse zurückführen lässt.

Denn es ist natürlich nicht so, dass die Gewinner/innen ohnehin schon längst feststehen, wie manchmal behauptet wird. Überhaupt wird viel behauptet, hinter vorgehaltener Hand oder in sozialen Netzwerken: Jurys lesen nichts und ziehen ohnehin nur die üblichen Verdächtigen aus dem Hut; da werde interveniert, oder es spielten Beziehungen eine Rolle etc.

Die Wahl des besten literarischen Buches des Jahres ist ohnehin eine Illusion

Ich gebe zu, ich hatte selbst schon manchmal den Verdacht, dass es so sei, und es mag bei der einen oder anderen Entscheidungsfindung auch so abgelaufen sein. Aber der Österreichische Buchpreis - der übrigens sehr jung ist, er wird in diesem Jahr erst zum sechsten Mal vergeben - ist so prestigeträchtig, dass Geheimabsprachen und anderes verschwörungstheoretisches Zeug ausgeschlossen sind. Dafür verbürgen sich ein Mitglied der Kunstsektion im Bundeskanzleramt und ein Mitglied des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, die bei den Sitzungen anwesend sind. Damit das einmal gesagt ist. Mitzureden haben die allerdings nichts.

Mit gutem Grund kann man behaupten, dass die Wahl des besten literarischen Buches des Jahres erstens ohnehin eine Illusion ist. Und zweitens kann ein ästhetisches Urteil nie auf einem Kompromiss beruhen. Der Kompromiss ist ein politisches Werkzeug; man findet bei einer Problemlösung einen gemeinsamen Nenner, idealerweise den größten und nicht den kleinsten, und alle Beteiligten sind, wenn schon nicht glücklich, so zumindest zufrieden. Doch alle, die Literaturkritik ernst nehmen, werden darauf beharren, kompromisslos zu urteilen, nichts als den Text in Augenschein zu nehmen - nicht den Autor oder die Autorin, nicht die Bedingungen des Schreibens - und keinerlei Erwartungshaltung zu haben.

Ein Kompromiss zum Nutzen der Literatur

Es ist auch nicht die Aufgabe der Kritik zu bestimmen, ob ein Buch als das beste, das zweitbeste oder das schlechteste des Jahres zu markieren ist. Das gehört - wie Hitparaden - in den Bereich der Vermarktungsstrategien. Aus Sicht der Kritik ist es nicht zulässig, einen Text gegen einen anderen auszuspielen.

Aber eine Jury ist eine Institution, in der jedes Mitglied idealerweise kompromisslos und nicht korrumpierbar urteilt, und die damit naturgemäß auf keinen grünen Zweig kommt. Im zweiten Schritt erweist sich die Diskursfähigkeit der Mitglieder, denn es geht dann nicht mehr unmittelbar um die Texte, sondern um die Qualität der Kritik an diesen. Die Kritik wird also kritisch durchgewalkt und durch die Mangel gedreht, bis am Ende die besten Argumente von allen als die tatsächlich besten Argumente anerkannt werden. Aus Sicht der Autor/innen ist das Ergebnis vielleicht nicht gerecht (das wird es nie sein), aber der Entscheidungsfindungsprozess ist zutiefst demokratisch. Das heißt: anstrengend, aber das auf hohem intellektuellen Niveau. Man kann es Kompromiss nennen. Aber es ist einer zum Nutzen der Literatur.

Gestaltung

  • Peter Zimmermann

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