Dacia Maraini

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Literatur

Italiens Doyenne Maraini wird 85

In ihren Werken hat Dacia Maraini bereits in den 1960er Jahren über die von Gewalt und Unterdrückung geprägten Lebensrealitäten von Frauen geschrieben. Als Weggefährtin von Alberto Moravia oder enge Freundin Piere Paolo Pasolinis hat sie mit ihrem widerständigen Wesen den Zeitgeist der Intellektuellen ihrer Generation mitgeprägt.

In ihrem aktuellen Roman "Trio" erzählt Dacia Maraini die ungewöhnliche Geschichte zweier Freundinnen: "Er weiß, dass wir uns schreiben und über seine Gefühle Bescheid wissen, aber an die Aufrichtigkeit unserer Freundschaft scheint er nicht zu glauben. Seiner Meinung nach können zwei Frauen, die denselben Mann lieben, nur an Gift oder Dolch denken", heißt es darin.

Hommage an die Loyalität

In Form eines Briefwechsels erzählt Dacia Maraini die Geschichte von zwei Frauen, die Mitte des 18. Jahrhunderts in Sizilien während der großen Pestepidemie denselben Mann lieben und dennoch beste Freundinnen bleiben. Eine Geschichte, so meint die Autorin, als Hommage an die Loyalität:

"Mein Roman 'Trio' spielt zur Zeit des Feudalismus: Es gab die großen Herrscher und alle anderen waren Diener. Diese Hierarchie gab es überall: Der Vater war der Herrscher seines Hauses in der Familie und Frau und Kinder seine Untertanen. Allerdings befand sich die Gesellschaft im 18. Jahrhundert im Umbruch - mit der französischen Revolution wurden gleiche Rechte für alle gefordert. Und die beiden Frauen kannten natürlich Eifersucht, waren auch geprägt von den Mechanismen und Strukturen ihrer Zeit, aber es gelang ihnen diese Eifersucht mit Hilfe des kulturellen Fortschritts zu überwinden."

Isolation & Widerstand

Das Buch "Trio" hat Dacia Maraini während des Lockdowns, isoliert von der Welt geschrieben. Die Pandemie sei für sie eine Erinnerung an die Vergänglichkeit und Verwundbarkeit geworden - wiewohl sie die Auseinsetzung mit dem Tod seit ihrer Kindheit kennt. Wegen eines Forschungsprojekts ihres Vaters übersiedelte die damals zweijährige Maraini 1938 mit ihren Eltern von Florenz nach Japan, wo die Marainis später aufgrund ihrer antifaschistischen Haltung interniert wurden.

"Wir müssen die Welt und die Rechte der Frau verteidigen", Dacia Maraini

"Diese Zeit war für mich von grundlegender Bedeutung - eine durch und durch schmerzliche und prägende Erfahrung", so Maraini: Im Konzentrationslager konnte ich es jeden Abend nicht glauben, noch am Leben zu sein. Meine Auseinandersetzung mit dem Sterben war als Kind alltäglich! Zuerst hatte ich Angst vor den Bomben, im Konzentrationslager wären wir fast verhungert und auch in der Nachkriegszeit herrschte schreckliche Polizeigewalt. Jeden Tag habe ich mit meinem Tod gerechnet. Aber was ich in dieser Zeit trotz allem gelernt habe, ist Widerstand. Denn im Angesicht der Gefahr ist nicht passive Verzweiflung, sondern aktives Handeln gefragt! Diese Erfahrung, diese Erkenntnis hat mir Kraft gegeben. Aber nicht nur Kraft - ich habe früh realisiert, dass unser Leben zerbrechlich ist, der Mensch verwundbar und unsere Beziehungen komplex und kostbar."

Die stumme Herzogin

Dacia Maraini hat sich trotz der strengen Zensur im Italien der Nachkriegszeit bereits als junge Frau einen Weg in die Welt der Literatur gebahnt. Als ihr erfolgreichstes Werk gilt "Die stumme Herzogin" - ein Roman der 1990 erschien, verfilmt und in viele Sprachen übersetzt wurde und mit dem sich Maraini weltweit als Schriftstellerin etablierte.

"Ich hätte mir, ehrlich gesagt, niemals gedacht, dass genau dieser Roman so erfolgreich wird - ich wollte von einer taubstummen Herzogin erzählen, die gewissermaßen für die Geschichte aller Frauen steht. Denn allen Frauen wurde in der Vergangenheit das Wort verborten. Sie hatten in der Öffentlichkeit nichts zu sagen."

Gegen die Unterdrückung der Frau

Gegen die Unterdrückung der Frauen kämpfte Maraini unermüdlich an - auch mit ihren Bühnenstücken. 1973 gründete sie im Kollektiv das Teatro della Maddalena, das ausschließlich von Frauen geführt wurde. Neben historischen Stücken gelangten auch moderne Werke auf die Bühne - die den damaligen vom Feminismus geprägten Zeitgeist und den Kampf um Frauenrechte spiegelten:

"Wenn ich in Schulen eingeladen werde und dort mit den Mädchen spreche, dann lehnen sie den Begriff der 'Feministin' immer ab - obwohl sie per Definition danach leben. Sie sind viel feministischer als ich selbst. Die Frauen von heute sind sehr selbstbestimmt und leben ihre Freiheit. Nur glauben viele, diese Freiheit gab es immer. Wir haben mühsam die Rechte der Frauen erkämpft, und wer die Geschichte kennt, weiß, dass diese jederzeit wieder verloren gehen können. Denken wir nur an die Türkei oder an Afghanistan. Wir müssen wachsam sein und diese Rechte verteidigen. Weil es immer Menschen in der Gesellschaft geben wird, die die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft unterdrücken wollen - und zu diesen Mitgliedern gehören natürlich auch Frauen."

Frieden und Umweltschutz

Am 13. November wird Dacia Maraini 85 Jahre alt und wünscht sich zu ihrem Geburtstag neben Gesundheit vor allem Frieden und Fortschritte im Umweltschutz. "Ich wünsche mir Frieden, denn ich habe den Krieg kennengelernt und weiß, dass er auf allen Ebenen Verlust bedeutet. Abgesehen davon wäre es schön, wenn den Menschen bewusst wird, dass die Reserven unserer Welt nicht unendlich sind - ich schließe mich zu 100 Prozent Greta Thunberg an. Ich bin begeistert von ihrer Stärke, ihrem Mut und ihrer Fähigkeit, Menschen weltweit für das Thema zu sensibilisieren. Sie hat Recht in ihrer Wut, es geht um ihre Zukunft. Obwohl ich diese Zukunft wahrscheinlich nicht mehr erleben werde, wünsche ich mir, dass unsere Welt nicht untergeht. Dafür ist sie zu schön. Aber es geht mit der Welt wie mit den Rechten der Frauen: Wir müssen sie verteidigen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, zerstören wir sie.

Gestaltung

  • Julia Baschiera

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