Mann sperrt eine Türe in einem Gefängnis auf

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Dimensionen

Der raue Ton im Häfn

"Du kannst dir quasi die Hand halten beim Schlafen. Du hast niemals eine Privatsphäre, und das im schlimmsten Fall jahrelang. Das führt auch zu Streitereien irgendwie, wer hat das zusammengegessen, wer hat das ausgetrunken, warum rauchst du meinen Tabak und so? So Streitereien hat man dauernd, diese räumliche Nähe, das tut das sicher noch fördern, klar."

Ein Zitat eines Mannes, der in einem österreichischen Gefängnis in Haft ist. Er erzählte seine Erfahrungen von Gewalt im Gefängnis den Forscherinnen Veronika Hofinger und Andrea Fritsche vom Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck. Die beiden Wissenschaftlerinnen veröffentlichten im Frühjahr 2021 "Gewalt in Haft. Ergebnisse einer Dunkelfeldstudie in Österreichs Justizanstalten" und lieferten damit für Österreich die erste repräsentative Untersuchung zu diesem Thema.

Mit der Faust geregelt

Im Gefängnisalltag werden Kleinigkeiten mit der Faust geregelt, die Hierarchie in der Gefängnissubkultur wird mit Demütigung hergestellt und aufrechterhalten. Beleidigungen, Bedrohungen, aggressives Anschreien, Tritte, Vergewaltigung - viele Inhaftierte in österreichischen Gefängnissen erleben psychische, körperliche und sexuelle Gewalt.

Veronika Hofinger und Andrea Fritsche interviewten 386 zufällig ausgewählte Insassinnen und Insassen in zehn Justizanstalten. Gewalterfahrungen sind fast alltäglich: 72 Prozent aller Häftlinge berichten von mindestens einem Gewaltvorfall, wie die Studie der Universität Innsbruck zeigt, wobei nicht nur strafrechtlich relevante Gewalt miteinbezogen wurde. Vier von zehn Häftlingen erfahren körperliche Gewalt, jede bzw. jeder Zehnte sexualisierte Gewalt. Jugendliche und Personen im Maßnahmenvollzug sind besonders gefährdet.

Was beeinflusst die Gewalt?

Die Studie analysiert, wodurch Gewalt im Gefängnis beeinflusst wird. Geschlecht und Bildungsstand haben keinen Einfluss. Hingegen sind bestimmte Nationalitäten (Personen aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Österreich) stärker betroffen, über die Hälfte der Inhaftierten besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. 45 Prozent der befragten Häftlinge berichten von psychischer Gewalt, die vom Gefängnispersonal ausgeht, ein kleinerer Teil auch von körperlicher Gewalt.

Dabei lasse sich schwer sagen, was legitime Handlungen der Justizwache sind und was von den Häftlingen übertrieben wird, schreiben die Autorinnen. Genauso werden Vorfälle nicht erzählt, vielen fällt es schwer, sich als Opfer zu zeigen. Die chronische Überbelegung, unbesetzte Stellen bei der Justizwache und die zum Teil veralteten Haftanstalten in Österreich erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Gefangene Gewalt erleben.

106 Inhaftierte auf 100 Haftplätze

2019 kamen auf 100 Haftplätze im Schnitt 106 Inhaftierte, das liegt deutlich über dem europäischen Wert. Oft können Gefangene nicht voneinander getrennt untergebracht werden, auch wenn das sinnvoll und in manchen Fällen vorgeschrieben wäre. Verständigungshürden, Sucht, psychische Erkrankungen, fehlende Beschäftigung, wenige Arbeitsstunden pro Tag und lange Einschlusszeiten verschlechtern das Anstaltsklima.

Ein Gefangener im Jugendvollzug meint: "Wir haben uns beim Fußball gegenseitig gestoßen, gefoult, und irgendwann sind wir gegenseitig ausgezuckt, haben uns gegenseitig geschlagen." Welche Folgen hat die Gewalt für die Häftlinge im Gefängnis und nach der Entlassung? Welche Konzepte gibt es, um Gewalt im Gefängnis zu vermeiden? Und inwiefern profitiert die Gesellschaft von gewaltfreien Gefängnissen?

Text: Lukas Tremetsberger