Drei Frauen stehen vor einem geschlossenen Geschäft

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Krisenkommunikation

Aus drei Wellen nichts gelernt

Die Bundesregierung hat es auch am Ende des zweiten Jahres der Pandemie nicht geschafft, professionelle Krisenkommunikation zu betreiben. Die vierte Corona-Welle wurde schwer unterschätzt, die Maßnahmen viel zu spät eingeleitet. Krisenkommunikationsprofis geben ein hartes Urteil ab, aber sie haben auch Tipps.

Die Corona-Krise hat die politischen Verantwortlichen in Österreich in den vergangenen Wochen und Monaten mehrmals eingeholt. Bundeskanzler Alexander Schallenberg konnte sich noch "bei bestem Willen" keinen kompletten Lockdown mehr vorstellen, musste ihn angesichts der verheerenden Lage auf den Intensivstationen und Neuinfektionsrekorden nur vier Tage später aber selbst verhängen. Die Impfpflicht wurde von vielen lange kategorisch ausgeschlossen, nun soll sie mit Februar eingeführt werden. Und von den Versprechungen des Sebastian Kurz, die Pandemie sei für Geimpfte vorbei und gemeistert, ist schon längst keine Rede mehr.

Alexander Schallenberg und Wolfgang Mückstein

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Zu spät, zu wenig, zu schlecht

Kommunikationsexpertinnen und -experten stellen der Politik bei der Krisen-PR ein schlechtes Zeugnis aus. "Überraschend inadäquat, weil handwerklich schlecht, weil zu spät, weil teilweise unverständlich, weil teilweise zögerlich", sagt etwa Regina Jankowitsch. Die Expertin für Krisenkommunikation kritisiert vor allen die widersprüchlichen Ansagen, die bei allen für Unmut sorgen: „Das ärgert einerseits die Willigen und gibt den Unwilligen, den Skeptikern gutes Material in die Hand, um als Ganzes die Bestrebungen der Bundesregierung in Richtung Impfschutz zu verteufeln." Das Prinzip "One Voice, one Message" sei nicht beachtet worden.

Falscher Fokus der Verantwortlichen

Vor allem in Sachen Corona-Impfung sei wertvolle Zeit verplempert worden. Die Regierung hätte Überzeugungskampagnen starten müssen, sagt Jankowitsch. "Wenn ich heute lese, Sebastian Kurz, unser ehemaliger Bundeskanzler, tourt durch die Gegend, um innerhalb der ÖVP Vertrauen zu generieren, dann würde ich mir doch wünschen, dass er zum Beispiel auch Vertrauen für die Impfung adressiert und nicht nur in seinem eigenen Interesse agiert."

Kommunikationschaos als Wurzel des Übels

Nicht weniger hart in seiner Einschätzung ist Martin Zechner, ebenso Experte für Krisenkommunikation. Er führt auch die vergleichsweise niedrige Impfquote im Land auf das kommunikative Versagen der Regierung zurück. "Wir machen viele Fehler zwei und vermutlich drei bis vier Mal. Es lässt sich leider diagnostizieren, dass das Lernen aus der Krise nicht erfolgt", meint Zechner.

Demonstration gegen Corona-Impfzwang

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Impfpflicht schadet Krisenfähigkeit

Längerfristig habe das schwerwiegende Folgen. Weil es die Regierung nicht geschafft habe, die Vorteile einer Impfung zu vermitteln und daher nun eine Impfpflicht einführen muss, entgehe der Gesellschaft ein wichtiger Lerneffekt für künftige Krisen. Denn Menschen, die zu Verhaltensweisen gezwungen werden, würden nicht so gut mit Krisen-Ereignissen umgehen können, so Zechner. "Die Resilienz für zukünftige Krisen könnte damit ein Opfer der nun eingeführten Impfpflicht sein."

Entschuldigungen vom Kanzler abwärts

Das Kommunikationschaos perfekt machte dann noch ein nach außen getragener Regierungsstreit. Etwa als der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein live im ORF Ausgangssperren ankündigte und dafür am nächsten Tag von ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger öffentlich gescholten wurde. Unklar war selbst, ob es einen Krisen-Gipfel geben wird oder nicht. Vor dem Lockdown herrschte schlichtweg tagelang pure Verwirrung.

"Jetzt sitzen wir erste Reihe fußfrei"

Kanzler Schallenberg, Gesundheitsminister Mückstein, Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler entschuldigten sich in den folgenden Tagen. Das sei ein wichtiges Signal, sagt Expertin Jankowitsch, aber: "Einmal kann man sich entschuldigen, zweimal kann man sich nicht entschuldigen. Wir sitzen jetzt alle erste Reihe fußfrei und schauen, ob organisatorisch in Richtung Impfpflicht-Einführung weniger Fehler bis keine Fehler mehr passieren."

Das Gemeinsame wurde vernachlässigt

Die Expertinnen und Experten haben auch Vorschläge, wie man in Zukunft besser agieren könnte. Regina Jankowitsch verweist etwa auf eine aktuelle Studie der Medizinischen Universität. Diese habe gezeigt, dass man Menschen zur Impfung motivieren könne, wenn man vermehrt das Gemeinsame zwischen Ungeimpften und Geimpften, zwischen Skeptikern und Befürwortern herausstreicht. "Wir alle wollen wieder ein normales Leben haben. Wir alle wollen zurück zur Normalität. Das ist ein recht wichtiger Argumentationsstrang, meine ich, der bis dato vernachlässigt wurde."

Pandemie-Management entpolitisieren

Es gibt aber auch den Vorstoß, der Politik das Management aus der Hand zu nehmen. Als Vorbild dient Portugal. Dort hat ein U-Boot-General das erfolgreiche Impfprogramm fast als militärische Kommandoaktion durchgezogen. Der Verhaltensökonom Gerhard Fehr würde zwar nicht gleich das Bundesheer einsetzen, ein externes Krisenmanagement hält er aber auch in Österreich für sinnvoll. In der ZIB2 nannte Fehr ein historisches Lehrbeispiel: Weil es die Finanzminister 250 Jahre lang nicht geschafft hätten, die Inflation zu bekämpfen, habe man die Notenbank geschaffen. Auch jetzt in der Pandemie wäre es sinnvoll, das Management einer Institution zu übergeben, die von der Politik bestellt ist, meint Fehr.

Zeit für Wissenschaft und Kommunikationsprofis

Auch Martin Zechner glaubt daran, dass es zu Änderungen kommen muss. Kommunikationsprofis, Wissenschafterinnen und Wissenschafter sollten in Krisenzeiten gemeinsam arbeiten, um die Politik zu unterstützen. Für Regina Jankowitsch ist das Zeitalter der Wissenschaft angebrochen. Der Wissenschaft sei es gelungen, im Laufe der Pandemie immer mehr in den Vordergrund zu treten. Und es sei auch noch nicht zu spät, eine unabhängige Expertin oder einen unabhängigen Experten zu finden, die oder der Österreich beim Meistern der Krise hilft, so Jankowitsch.

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