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AP/TONY RIVERA

Desinformation

Eine pervertierte "News"-Recherche

Ein Video erreicht uns per WhatsApp. Die Person, die es teilt, ist aufgebracht. Es geht um eine "News"-Recherche über das nationale Impfgremium und seine Verbindungen zur Pharmaindustrie. Dann stellt sich heraus, das Video ist gar nicht von "News", es ist von der FPÖ. Aber der Reihe nach. Es folgt ein Lehrbeispiel für Desinformation.

Im ersten Satz des Videos werden "erschreckende Ergebnisse" angekündigt: "Werden die Experten der Regierung heimlich von der Pharmaindustrie finanziert?" Die aktuelle Ausgabe des Magazins "News" beschäftige sich mit dieser Frage, heißt es - und das stimmt auch. "News" hat am 22.Jänner einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel "Das Netz der Pharmaindustrie" - es geht darum, dass Mitglieder des Nationalen Impfgremiums Beziehungen zu Pharmaindustrie haben und diese nicht transparent offengelegt würden. Eine wichtige und relevante Frage.

Dem Qualitätsblatt die Marke geklaut

Auf dem Video ist das "News"-Logo zu sehen. Aber weder die Bilder, noch die Sprache passen zu "News". In der emotionalen Wortwahl ist die Diktion der Rechten zu erkennen, etwa an Sätzen wie: "Der Schein eines angeblich unabhängigen Gremiums wird mit allen Mitteln verteidigt." Und: "Statt Transparenz zu schaffen, werden wir nun schon seit fast zwei Jahren von der schwarz-grünen Regierung gegängelt, belehrt und eingesperrt." Und weiter: "Anstatt unabhängige Experten und Wissenschafter zum Thema Impfung an Kindern zu Wort kommen zu lassen, strahlte der zwangsgebühren-finanzierte ORF die Propaganda der Impfstoff-Hersteller aus." ORF-Kritik und Regierungskritik, das ist das Programm der FPÖ.

FPÖ-Video als gefundenes Fälscher-Fressen

Wir fragen also bei "News" nach: Ist das Video von euch? Nein, ist es nicht, sagt der Verlag. Wir suchen das Video im Netz und finden es bei FPÖ-TV. Dort ist statt dem "News"-Logo das "FPÖ-TV" Logo zu sehen. Wir fragen bei der FPÖ nach: Ja, das Video sei von der Partei und nein, man wisse nicht, wer das eigene Video mit dem "News"-Logo veröffentlicht habe. Wer dahintersteckt, bleibt ungelöst. Was dahintersteckt, analysiert die Journalistin und Expertin für Desinformation, Ingrid Brodnig. Sie sagt, es handle sich um einen Klassiker:

Realer Kern wird mit Propaganda aufgeladen

Brodnig: "Man nimmt oft in solchen parteiischen Videos einen realen Anlass, wie einen Artikel, den es tatsächlich gegeben hat - überlädt den aber mit spektakulär aussehendem Bildmaterial und auch mit so einer Feindessprache. Zum Beispiel über den ORF, der ja häufig ein Feindbild in der Rhetorik der FPÖ ist. Das heißt, da hat man einen realen Kern, reale Berichterstattung und lädt man es mit Meinung auf."

Glaubwürdigkeits-Versuch durch Intransparenz

Auch das Logo auszutauschen hat Strategie: "Da kann einerseits die Idee sein, dass man den Bericht aufwertet und sagt, das sei die etablierte Presse, die das gemacht hätte. Es kann aber auch die Absicht sein, dass man verheimlicht, aus welcher Richtung es kommt, also dass man rechte Inhalte nicht mehr als rechts zu erkennen gibt. Damit sich Leute das anschauen, die das sonst nicht anschauen würden." Auf diesem Weg würden mehr Menschen erreicht, meint Brodnig. "Man nimmt die Zuspitzung der Freiheitlichen und verheimlicht, dass es von den Freiheitlichen kommt“, das sei ein bekannter Trick.

"News"-Anwalt verlangt Löschung von Plattform

Und wer könnte das tun? Fans aus dem Umfeld der Partei, meint Brodnig, aber nachweisbar ist es nicht. Deshalb ist es für "News", dessen Ruf als Qualitätsblatt dadurch beschädigt wird, schwer, jemanden zu klagen. Übrig bleibt: Eine journalistische Recherche zu einer relevanten Frage wurde als etwas dargestellt, was sie nicht ist: nämlich rechte Propaganda. Der Anwalt von "News" ist Gerald Ganzger, er hat #doublecheck mitgeteilt, dass er das manipulierte Video im Netz gesucht und auf einer bestimmten Plattform gefunden habe, jetzt mahne man die Löschung ein. Mehr könne man in dem Fall nicht tun, sagt Ganzger.

Check, Re-Check, Doublecheck im Ö1 Journal

Auch wir haben für die Ö1-Journale diese "News"-Recherche aufgegriffen. Nämlich den Punkt, dass die Erklärungen der Mitglieder des Nationalen Impfgremiums sehr kompliziert einzusehen sind und warum sie nicht einfach so wie etwa in Deutschland online gestellt werden. Dabei haben wir direkt etwa bei Ursula Wiedermann-Schmidt und Herwig Kollaritsch - beide sind ausgewiesene Impfexperten und seit vielen Jahren im Impfgremium Mitglieder - nachgefragt und ihre Antworten auf Sendung gebracht, ebenso wie die Reaktion des Gesundheitsministeriums. Sie sind also keine anonymen "Experten" geblieben, denen man was andichtet - sondern sie wurden namentlich zur Rede gestellt, ob sie im Interesse der Pharmaindustrie handeln oder unabhängig entscheiden.

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