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AUF1 und "Report24" in Oberösterreich
Rechter Propaganda-Cluster wächst
Der rechte Medien-Cluster um "Wochenblick" und "Info-Direkt" in Oberösterreich hat Verstärkung bekommen - durch den Sender AUF1 und das Nachrichtenportal "Report24". AUF1-Geschäftsführer ist der Rechtsaußen Stefan Magnet, mit engen Beziehungen zur FPÖ. Beide Medien rufen zu Spenden auf, ihre Geldgeber sind unbekannt. Entstanden in der Pandemie, machen sie ihr Programm für Corona-Leugner und Impfgegner – und jetzt auch für jene, die hinter dem Krieg in der Ukraine und seinen verheerenden Folgen eine Weltverschwörung wittern.
4. April 2022, 02:00
Vor einem Jahr gegründet, hat sich die Berichterstattung des Senders AUF1 zunächst an Corona-Leugner und Impfgegner gerichtet. Von einer "Corona-Diktatur" oder "Corona-Lüge" ist die Rede, von "Impf-Junkies", "kriminellen" Kinderimpfungen und der Impfung als Instrument der Unterwerfung und Kontrolle. Nun geht es zunehmend um Russland. Die Schlagzeilen auf dem Sender klingen diese Woche zum Beispiel so: "Ukraine-Krise: Der Westen will unbedingt nach Osten marschieren. EU und NATO treten indirekt in den Ukraine-Krieg ein. Inflation und Verschuldung: Wirtschaft gerät zunehmend ins Wanken - und: Great Reset geht weiter".
"Great Reset" als Thema der Abendnachrichten
"The Great Reset" bedeutet auf Deutsch so viel wie der große Neustart oder Umbruch. Verschwörungstheoretiker verstehen darunter, dass nun eine neue Weltordnung beginnt, die von den Eliten eingefädelt worden sein soll, um das Volk zu unterdrücken. Die Corona-Pandemie sei ein Schritt, dann der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen - so die Erzählung, die immer wieder vorkommt. Die FPÖ schaltet Inserate bei AUF1, mit Slogans wie "Gemeinsam gegen die Impfpflicht". Und Geschäftsführer Stefan Magnet, früher Mitglied beim rechtsextremen Bund Freier Jugend, hat eine Werbeagentur, die für die FPÖ Oberösterreich gearbeitet hat - etwa im Nationalratswahlkampf 2019.
Rechter Medien-Gründer mit blauer Kundschaft
Recherchiert hat das Jakob Winter vom "profil", er sagt: "Die haben Wahlkampf-Videos produziert, die haben Social Media Postings organisiert für das freiheitliche Spitzenpersonal in Oberösterreich. Und jetzt macht der Chef dieser Werbeagentur, der davor quasi die offizielle Parteipropaganda orchestriert hat und dafür bezahlt wurde, noch einen Fernsehsender. Und in diesem Fernsehsender arbeiten wiederum Moderatorinnen und Moderatoren, die einen Bezug zu den Freiheitlichen haben." Magnets Agentur habe die Aufträge von blauen Landesräten bekommen. Die Partei habe nicht bestätigt, von wem die Aufträge kamen, aber "profil" habe von allen außer den blauen Landesräten Dementis. Wenn also öffentliches Geld dafür ausgegeben wurde, um welche Summen geht es? Wir wissen es nicht. Auch #doublecheck hat auf Nachfrage bei der Partei keine Antworten bekommen.
Plattform "Report24" mit namenlosen Mitarbeitern
Ähnlich im Wortlaut wie AUF1 ist die Berichterstattung auf der Internetplattform "Report24", die es ebenfalls ein knappes Jahr gibt. Hier sind derzeit etwa Artikel zu lesen wie: "Krankgeimpft und Alleingelassen" oder "Medienkompetenz heißt zu verstehen, dass der Mainstream immer, auch zur Ukraine-Krise, lügt". Auch bei "Report24" gibt es Verbindungen zum FPÖ-nahen "Wochenblick", wie die Rechercheplattform "Correctiv" dokumentiert hat. Einige Redakteure kämen von dort. Die meisten Redakteure schreiben aber unter Pseudonymen. Als Standort wurde bis vor kurzem eine Adresse in Linz angegeben, dort wo auch AUF1 und die rechte Plattform "Info-Direkt" registriert sind. Man kennt sich. Die Adresse im Impressum wurde vor wenigen Tagen geändert.
Spenden erbeten an eine "GesmbH in Gründung"
Im Impressum ist auch zu lesen, "Report24" sei eine GesmbH in Gründung - seit einem vollen Jahr. Da bleiben viele Fragen offen, etwa welche GesmbH ist es? Wer ist der wirtschaftliche Eigentümer? "Damit kann man eigentlich auch Verquickungen überhaupt nicht sehen. Man sieht nur, dass die Berichterstattung ähnlich ist wie die des "Wochenblick", ähnlich wie die von AUF1", sagt Jakob Winter. Obwohl das nicht bekannt ist, ruft "Report24" seine Leser und Leserinnen zu Spenden auf - für, wie sie sagen, "der Wahrheit verpflichteten unabhängigen Journalismus". Auch AUF1 bittet um Spenden - wer die Geldgeber sind, ist nicht bekannt. "Diese Medien werfen ja den Qualitätsmedien vor, zu verschleiern und zu vertuschen. In Wirklichkeit sehe ich dort die Transparenz überhaupt nicht“, sagt Nina Horaczek vom "Falter". Sie beobachtet seit Jahren rechte Mediennetzwerke.
Gute Freunde in Deutschland und der Schweiz
Horaczek beobachtet auch die Verbindungen dieser Medien in andere Länder. Der Einfluss des Oberösterreich-Clusters gehe weit über das Land hinaus, das sei nur die "Keimzelle", sagt sie. Das Ziel sei der gesamte deutschsprachige Raum, mit Deutschland und der Schweiz ist das ein großes Geschäfts- und Betätigungsfeld. Oberösterreich biete dafür ideale Bedingungen, da die FPÖ in der Regierung sei. Der Deutschlandbezug ist bei AUF1 klar erkennbar. Es gibt deutsche Moderatorinnen, thematisiert wird auch die deutsche Innenpolitik, zum Beispiel der Bundestagswahlkampf.
Populär auf Telegram, gesperrt auf Twitter
Auch die Zahlen im Netz sprechen für sich: AUF1 hat bereits 195.000 Nutzer auf dem in diesen Kreisen beliebten Messenger-Dienst Telegram, "Report24" etwa 35.000. Twitter hat den "Report24" Account gesperrt - aber die Nachrichten-Website soll nach eigenen Angaben mehrere Millionen Zugriffe im Monat haben. Die Artikel dieser Medien werden von Fans auf vielen Social Media Kanälen geteilt.
Propaganda "im Gewand einer Objektivität"
Die Verbindungen dieser Medien untereinander oder die zur FPÖ sind aber nicht klar erkennbar. Aus gutem Grund, wie Jakob Winter meint. "Aus meiner Sicht ist das Ziel, so zu tun, als seien das unabhängige Medien. Das soll die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung erhöhen, weil eine gewisse Absicht dahintersteckt, parteinahe Berichterstattung in das Gewand einer Objektivität zu hüllen. Es sind auf jeden Fall parteiische Medien, die ganz im Sinn der politischen Ausrichtung der FPÖ berichten. Das Ziel ist offenbar, eine Art rechte Gegenöffentlichkeit zu etablieren, die im Sinne der Parteilinie Berichterstattung macht." Auf diesem Weg könne man neue Zielgruppen ansprechen, meint auch Nina Horaczek. Es gehe darum, "Menschen, die nicht sozialisiert wurden in diesem extrem rechten, teilweise auch neonazistischen Milieu, andocken zu lassen. Da wird einfach auch gesagt: Sie haben das doch gesehen, in der Pandemie haben sie uns angelogen. Und wir sagen jetzt, wo noch gelogen wurde".
Der FPÖ-Chef hat mit der Gegenöffentlichkeit Freude
FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl gefällt das. Er hat AUF1-Gründer Stefan Magnet aktuell ein einstündiges Interview gegeben, man war sich durchgehend einig über Corona, den "Great Reset" und der Kritik an den Medien. Kickl lobte dann auch sein Gegenüber: "Es gibt andere Medien, die sozusagen die Arbeit machen, die eigentlich die Etablierten machen sollten und damit kommen die Etablierten unter Druck. Das ist gut", so der FPÖ-Chef.
Desinformation streut Verwirrung statt Ideologie
In Zeiten großer Verunsicherung und bei unübersichtlicher Nachrichtenlage würden Verschwörungstheorien befeuert, der Bogen von der Pandemie zu Krieg schnell gespannt, sagt die Journalistin Ingrid Brodnig, Expertin für Desinformation im Netz. Das Ziel sei, die Gesellschaft zu spalten. "Moderne Propaganda zielt darauf ab, dass man verunsichert und uns sagt: Wir wissen es nicht so genau. Es reicht oft, dass man sagt: Es gibt nicht nur eine Erklärung, sondern fünf verschiedene Thesen. Und am Ende hat ein Teil der Leute keinen Durchblick mehr. So ist man auch erfolgreich. Dann gibt es weniger Geschlossenheit." Wem nützt das? Den rechten Parteien und ihren Freunden, und letztlich auch dem Putin-Regime in Russland, sagt Brodnig.
Das rechtsextreme Medium verkleidet als Dorfsender
Stefan Magnet von AUF1 versteht jedenfalls sein Geschäft. Das Logo erinnere an die ARD, meint Horaczek - das vermittle den Eindruck der Seriosität. Und AUF1 sendet seit Februar auf dem oberösterreichischen Regionalsender RTV. Das vermittle Normalität: "Es geht auch um eine gewisse Normalisierung. Also wenn dein Dorfsender völlig einseitige Nachrichten bringt, unter dem Mäntelchen "jetzt kommen die Nachrichten", dann ist das nicht mehr das klar rechtsextreme Medium, das das macht, sondern dann ist das eines von vielen."
Die Medienbehörde hat den Cluster auf dem Schirm
Die Medienbehörde KommAustria hat die neuen audio-visuellen Medien bereits auf dem Radar. Sie prüft, ob es Rechtsverstöße bei AUF1 und RTV gibt. Die Behörde gibt dazu keine nähere Auskunft. Aber in Frage käme ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, wenn Grundsätze der Objektivität verletzt werden.
Wann die Alarmglocken schrillen sollten
Die Absichten und Zusammenhänge hinter dieser Berichterstattung sind für Laien schwer zu erkennen. Jakob Winter vom "profil", der für das Nachrichtenmagazin regelmäßig Faktenchecks macht, erklärt, ab wann die eigenen Alarmglocken klingeln und man misstrauisch werden sollte. Nämlich dann, "wenn so getan wird, als könnte man für große weltbewegende Ereignisse wie jetzt den Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie sehr einfache Erklärungen finden und dunkle Mächte, die da im Hintergrund die Fäden ziehen, verantwortlich machen." Außerdem müsse man sich die Frage stellen, warum ein kleines Magazin aus Oberösterreich die große Weltverschwörung aufdecken könne.
Die Politik leuchtet nicht in die rechten Ecken
Die rechten Medien rücken weiter in die Mitte der Gesellschaft, von vielen unbemerkt und von einigen wohl gewollt - gerade in Oberösterreich, wo die FPÖ an der Macht, sprich in einer Koalition mit der dominierenden ÖVP ist. Die Politik sei jetzt gefordert, für Transparenz zu sorgen, was mit Steuergeld geschehe, sagt "Falter"-Redakteurin Nina Horaczek. "Ich meine, die FPÖ müsste sich da von ihren Freunden distanzieren. Das ist ein bisschen schwierig, aber die ÖVP schaut überhaupt nur zu."
Ergebnis der Interview-Anfragen von #doublecheck
Selbstverständlich hat #doublecheck bei AUF1 und bei "Report24" um Interviews angefragt. Stefan Magnet wollte das Interview nur unter seinen Bedingungen geben, die haben wir abgelehnt. Mit "Report24" gab es einen Austausch per E-Mail, allerdings ist unklar mit wem: Wir sprachen mit "Der Redaktion", niemand hat sich namentlich zu erkennen gegeben.
Aber wir haben einige bemerkenswerte Antworten bekommen, etwa: "Wir haben keine Nähe zur FPÖ und keine Nähe zur AfD und erhalten von keiner dieser Parteien Geld." Und: "Von AUF1 und "Wochenblick" distanzieren wir uns, mit diesen Herrschaften wollen wir nichts zu tun haben." Die bis vor kurzem gemeinsame Firmenadresse mit diesen "Herrschaften" sei eine "unschöne Optik". Magnets AUF1 und "Report24" haben gemeinsam, dass sie dem ORF misstrauen. Kritik am ORF gehört zu ihrem Programm - wie zu jenem der FPÖ.