exxpress-Chefredakteur Richard Schmitt in Redaktionsräumen

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"Exxpress"

Krawall, Kampagnen und Giftpfeile

Mit der Eigendefinition "gehobener Boulevard" ist der "Exxpress" vor einem Jahr gestartet. Mittlerweile ist eine gewisse ÖVP-Nähe für viele nicht mehr abzustreiten. Chefredakteur Richard Schmitt fährt Kampagnen, wie sie im Buche stehen, sie treffen Journalisten-Kollegen und ihm unliebsame Ministerinnen. #doublecheck hat mit Herausgeberin Eva Schütz über ihre Agenda und ihr Medienverständnis gesprochen und bei einer Liechtensteiner Stiftung nachgefragt, die "Exxpress"-Anteile hat.

Als Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Dezember sein neues Amt antrat, titelte der "Exxpress": "Karl Nehammer: Knallharter "Bulle" & sanfter Familienvater." "Geschätzt" und "geliebt" sei der Neue, stand da. Es folgte ein schmeichelhafter Artikel, samt Foto mit dem Familienhund. Auch schon für Nehammers Vorvorgänger Sebastian Kurz gab es viel Lob, allen Affären und Ermittlungen zum Trotz. Ein Artikel mit dem Titel "Cooler Chef: Sebastian Kurz überrascht seine Mitarbeiter mit Eis" bestand gar nur aus einem kopierten Instagram-Post des längst zurückgetretenen Türkisen.

Es sind Beispiele, die für viele Beobachterinnen und Beobachter exemplarisch sind für die Art des Journalismus, den der "Exxpress" betreibt. Geleitet wird die rund 30 Mitglieder zählende Redaktion von Richard Schmitt. Der Boulevardjournalist hat schon viele Stationen durchgemacht. Von der Gratis-Zeitung "Heute", bis zur "Kronen Zeitung", die er verlassen musste, nachdem Heinz-Christian Strache ihn im Ibiza-Korruptionsvideo "einen der besten Leute" genannt hatte. Daraufhin ging Schmitt zu Wolfgang Fellners "Oe24", bevor er sich mit dem "Exxpress" sein eigenes Medium schuf.

Richard Schmitt

Richard Schmitt

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Chefredakteur mit "tendenziöser" Geschichte

Es sei "toxisch" was Schmitt tut, sagt Helge Fahrnberger, aber das sei es schon immer gewesen. Ob einst bei der "Krone", "Heute" oder "Oe24": "Da wird tatsächlich gehetzt gegen einzelne Personen, sehr oft gegen Frauen, durchaus auch oft ins Persönliche hineingehend, das Outfit kritisierend, private Informationen veröffentlichend", so der Gründer des Medienwatch-Blogs "Kobuk". So habe es Kampagnen aus Schmitts Feder gegen alle weiblichen Mitglieder der Wiener Stadtregierung gegeben.

Vor zwei Jahren ist Schmitt mit einer Klage gegen Fahrnberger wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung rechtskräftig abgeblitzt. Fahrnberger darf seither behaupten: "Wenn Richard Schmitt etwas schreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stimmt, recht hoch. Und wenn es um Verkehr geht, steigt sie gegen 100 Prozent." Dafür musste Fahrnberger den Wahrheitsbeweis antreten. In 18 Fällen dokumentierte er genau, wie Richard Schmitt arbeitet. Und der Richter gab ihm recht. "Tendenziöse Berichterstattung nachgewiesen", hieß es im Urteil. "Das ist einfach sein Stil", sagt Helge Fahrnberger.

Für "Exxpress"-Herausgeberin Eva Schütz ist das Urteil gegen ihren Chefredakteur – das auch nicht das einzige ist - kein Problem. Schmitt sei ein erfolgreicher Journalist, der nun mal "polarisiere", so Schütz im #doublecheck-Interview: "Ich glaube, wenn man das tut, dann muss man auch mit solchen Sachen rechnen. Das würde ich eher gelassen sehen."

Eva Schütz

Eva Schütz

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Die grüne Justizministerin im Schussfeld

Auch mit der Kritik, dass ihr Medium Kampagnen fahre, kann Schütz nichts anfangen. Teilweise fünf Artikel gleichzeitig finden sich auf der "Exxpress"-Startseite etwa gegen die grüne Justizministerin Alma Zadić – die Justizbehörden bringen die ÖVP ja gerade gehörig unter Druck. Eine "Plagiatsaffäre" wird geortet, seit Wochen wird darüber berichtet. Neues Futter lieferte jüngst ein Gutachten von Martin Heidingsfelder, über den Deutschen titelte das Magazin "Stern" einst: "Rent a Plagiatsjäger". 500 Euro koste ein Arbeitstag Heidingsfelders. Ob der "Exxpress" für das Gutachten bezahlt habe, kann Schütz nicht sagen. Der wahre Skandal sei, dass andere Medien die Vorwürfe bisher kaum aufgegriffen haben, sagt die Herausgeberin.

"Exxpress"-Herausgeberin Eva Schütz im Interview mit Rosanna Atzara

Kampagnisieren auch gegen andere Medien

Und kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein "Exxpress"-Artikel über "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk erscheint. Alles wird ausgeschlachtet. Sogar Andeutungen zu Klenks Wohnadresse und jener einer Justiz-Ermittlerin, die mit der ÖVP-Korruptionsaffäre beschäftigt ist, wurden veröffentlicht, was zu heftiger Kritik von der Staatsanwälte-Vereinigung und vom Presseclub Concordia geführt hat. Schütz versteht die Aufregung nicht. Man habe lediglich die Gemeinde genannt.

Erst vergangene Woche zog Florian Klenk vor Gericht – wegen eines als Morddrohung lesbaren Tweets eines Hassposters. Die Tweets des Mannes wurden davor auch vom "Exxpress" veröffentlicht. Eine Kampagne will Eva Schütz da aber nicht erkennen. "Wenn man austeilt, muss man eben auch einstecken können", sagt sie, angesprochen auf die "Exxpress"-Rubrik, in der wöchentlich die Inserate im "Falter" gezählt werden.

Nicht auf ÖVP "eindreschen"

Berichtet der "Exxpress" also mit Schlagseite? Immerhin hat Eva Schütz im Kabinett des damaligen ÖVP-Finanzministers Hartwig Löger gearbeitet, ihr Mann, Alexander Schütz, ist ÖVP-Großspender. Schütz weist eine Befangenheit von sich. Man berichte über die ÖVP genauso wie über andere Parteien, aber "was wir nicht tun und was ich schon ein bisschen in der Medienlandschaft sehe, ist, dass man permanent auf die ÖVP eindrischt". Es tue dem Land nicht gut, "ständig eine staatstragende Partei vernichten zu wollen", sagt Schütz.

Liechtenstein-Stiftung mit ungenanntem Geldgeber

Außerdem wäre eine Nähe zur ÖVP "nicht unbedingt etwas, was vorwerfbar ist". Das sieht auch die "libertatem"-Stiftung mit Sitz in Liechtenstein ganz ähnlich. Sie hält nach Schütz den zweitgrößten Anteil am "Exxpress". Auf #doublecheck-Anfrage heißt es: "Die Nähe zu einer Volkspartei als Vorwurf zu titulieren, zeigt unseres Erachtens bereits sehr deutlich, woran es bei anderen Medien bei der Berichterstattung offensichtlich fehlt. Hier vermissen wir die Objektivität zur Berichterstattung selbst." Verwaltet wird die Stiftung, die eine Million Schweizer Franken schwer ist, von zwei österreichischen Anwälten. Wer der Geldgeber im Hintergrund sind, wird nicht verraten. Schütz sagt aber, es handle sich um einen parteipolitisch unbefangenen, bereits verstorbenen Unternehmer.

"Exxpress"-Miteigentümer zeichnet Wegscheider aus

Das wirft Fragen auf. Die "libertatem" gibt an, "im Sinne der Förderung der Meinungs- und Pressefreiheit" Medien im gesamten deutschsprachigen Raum zu "unterstützen". Welche das neben dem "Exxpress" sind, bleibt unklar. Aber Hinweise, welche Ausrichtung die Liechtensteiner Stiftung hat, gibt zumindest der Medienpreis, den "libertatem" vergangenes Jahr erstmals vergeben hat. Der Preis ging im Juli an Servus-TV-Intendant Ferdinand Wegscheider, also just jenem Mann, der wegen seines verschwörungs-affinen Corona-Kurses massiv in der Kritik steht. Wegen seiner sogenannten Satire-Sendung "Der Wegscheider" ist sogar die Medienbehörde KommAustria befasst.

Die "libertatem" dazu auf Nachfrage: Wegscheiders "kritische" Corona-Berichterstattung sei "trotz aller Anfeindung und dem Establishment zum Trotz erfolgt" und sei ihm daher "nicht hoch genug anzurechnen." Und: dass es rund um die Pandemie zu "widersprüchlichen Aussagen" der "Politik und des Gesundheitswesens" gekommen sei, "müsste auch mittlerweile den öffentlich-rechtlichen Medien klar geworden sein".

Entlassene Mitarbeiterin erhebt schwere Vorwürfe

Man habe keinen Einfluss auf die Berichterstattung des "Exxpress", verfolge sie aber man mit Interesse. Das tut auch Laurin Lorenz, Journalist beim "Standard". Lorenz hat etwa über die Klage der ehemaligen stellvertretenden "Exxpress"-Chefredakteurin Anna Dobler berichtet, die nach einem mehr als fragwürdigen Tweet entlassen wurde und nun dagegen gerichtlich vorgeht. Dobler erhebt in der Klage schwere Vorwürfe und spricht von einer "journalistisch unethischen Handlungsweise", erzählt Lorenz. Außerdem kopiere der "Exxpress" Artikel anderer Medien, und Schmitt brülle in der Redaktion Frauen an. Anschuldigungen Doblers, die ein Gericht zu klären hat. Schmitt und Schütz weisen sie jedenfalls vehement zurück.

"Überraschend große Reichweite" parteiischer Medien

Ein ruppiger und krawall-artiger Stil werde dem "Exxpress" in der Branche vorgeworfen, berichtet Lorenz vom "Standard" weiter. Fakt ist aber, dass Partei- und parteiische Medien auf großes Interesse stoßen. Meinungsstarke und zugespitzte Medien seien gefragt, sagt Klaus Knittelfelder. Der Journalist bei der "Kronen Zeitung" hat dazu an der Universität Oxford eine Arbeit geschrieben und spricht nun von einer digitalen Renaissance von Medien mit Agenda. Sie hätten eine "erstaunlich großen Reichweite". Nur eine Handvoll etablierter Medien liege, was die Verbreitung im Netz angehe, noch vor Online-Seiten wie "Kontrast" von der SPÖ oder den Kanälen der FPÖ – und das, obwohl sie viel größere Redaktionen beschäftigen. Doch die Neuen am Markt hätten es verstanden, wie man Inhalte für die Sozialen Medien aufbereite.

Bald transparente Reichweiten-Zahlen vom "Exxpress"

Der "Exxpress" hat nach eigenen Angaben im Dezember und Jänner zwei Millionen Unique Clients anlocken können. Er wäre damit online größer als die "Presse" und etwa gleichauf mit der "Kleinen Zeitung". Unabhängig überprüfen lassen sich die Zugriffszahlen aber nicht - noch nicht. Schütz kündigt an, Mitglied bei der Österreichischen Webanalyse ÖWA werden zu wollen, die die Zugriffszahlen der Branche sammelt und überprüft. Ändern soll sich künftig auch, hofft Eva Schütz, dass nicht mehr hauptsächlich ÖVP- und FPÖ-Politikerinnen und -Politiker im "Exxpress"-TV-Studio zu sehen sind. Die anderen Parteien hätten da "Vorbehalte", bedauert sie, wegen der "bürgerlich-liberalen Blattlinie".

Service

Die Akte Richard Schmitt - Kobuk

News from a different league: the rise of the digital party press in Austria - Oxford-Arbeit von "Krone"-Journalist Knittelfelder über Parteimedien in Österreich

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