Ambra Schuster und Idan Hanin

Ambra Schuster und Idan Hanin - ORF

Social-Media-Strategie des ORF

Wenn TikTok öffentlich-rechtlich wird

Der Wunsch ist seit Jahren bekannt: Der ORF will auch in den sozialen Netzwerken präsenter werden, um beim jungen Publikum zu punkten. Auch darüber wird im Zuge der geplanten Digitalnovelle gerade verhandelt. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat nach eigenen Angaben ausgearbeitete Social-Media-Pläne in der Schublade. Wie groß das Potential ist, zeigt die ZiB TikTok.

Nachrichten für junge Menschen, genau dort wo sie sich im Netz herumtreiben. Das leistet die ZiB TikTok bereits seit einem halben Jahr. Die beiden Hosts Ambra Schuster und Idan Hanin haben auf der chinesischen Kurzvideoplattform schon mehr als 260.000 Followerinnen und Follower für sich begeistern können. Ihre Videos, in denen sie von der Corona-Krise bis zum Ukraine-Krieg alle möglichen aktuellen Themen zielgruppengerecht aufbereiten, erreichen regelmäßig mehrere hunderttausende Klicks – manche sogar Millionen.

Die ZiB-TikTok ist das jüngste und - wie die Zahlen zeigen - sehr erfolgreiche Prestigeprojekt des ORF in Sachen Social Media. Für Generaldirektor Roland Weißmann erfüllt der ORF damit seinen Auftrag, junge Menschen mit "guten öffentlich-rechtlichen Inhalten zu erreichen". Ein Drittel der TikTok-Followerschaft sei sogar unter 24 Jahre alt. Diese junge Zielgruppe, die sich von linearen Produkten zusehends abwendet, ist besonders interessant für den ORF, geht es doch im Kern um die Frage, wie man auch in Zukunft als gebührenfinanziertes Medienunternehmen relevant bleiben kann.

Unmut der Privaten über TikTok-Erfolg

Den privaten Medien ist die ZiB TikTok freilich ein Dorn im Auge. Sie lassen den Social-Media-Aufritt, während bei Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) gemeinsam über die Digitalnovelle verhandelt wird, juristisch prüfen. Eine Drohgebärde mitten in einer heiklen Phase, die Weißmann nicht kommentieren will. Dem Zeitungsverband VÖZ und dem Privatsender-Verband VÖP geht es konkret um die Frage, ob auf TikTok wirklich nur sendungsbegleitend berichtet wird. Daran muss sich die junge Redaktion bisher penibel halten. Nichts was nicht auch im klassischen TV auf Sendung geht, kommt auf TikTok vor. So will es das aktuelle ORF-Gesetz.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann im #doublecheck-Interview mit Rosanna Atzara

Geht es nach Generaldirektor Weißmann, ändert sich dieses aber bald. Er hofft auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen zur Digitalnovelle noch im Sommer. Die Wünsche des ORF sind seit langem bekannt: Inhalte sollen auch nur fürs Netz produziert werden dürfen, sie sollen dort auch zuerst erscheinen dürfen und dann auch länger abrufbar sein. Die sogenannte 7-Tages-Regel müsse fallen, lautet die alte Forderung. Die privaten Medien sind gegen mehr Spielraum für den ORF im Netz, weil sie um ihre Werbeeinahmen fürchten. Der Druck, bei den Verhandlungen eine Lösung zu finden, dürfte daher vor allem auf ORF-Seite liegen.

Geheime Pläne in der Schublade

Was der ORF dann genau mit einer neu gewonnen Freiheit tun würde, verrät Weißmann vorerst nicht. Auch nicht, was er den Privaten dafür anbietet. "Verhandlungen führt man hinter verschlossenen Türen. Und da ist es nicht gescheit, wenn man zu sehr mit einem Thema vorprescht." Nur so viel: Man sei für den Tag X vorbereitet. Sobald es das gesetzliche grüne Licht gibt, könne man loslegen. "Wir haben hier unsere Hausaufgaben gemacht und werden je nachdem, wann und ob eine Digitalnovelle kommt, unsere Social-Media-Strategie dann auch entsprechend vorstellen", so der Generaldirektor. Angekündigt ist auch eine "Young Audience Intiative". Sie soll Konzepte und Ideen erarbeiten, wie Inhalte so gestaltet werden, dass sie das junge Publikum erreichen.

Schwierige Digital-Verhandlungen

Kaum präsent ist der ORF derzeit etwa auf YouTube, anders als die große Mehrheit der öffentlich-rechtlichen Medien in Europa. Einer aktuellen Studie der European Broadcasting Union (EBU) setzen sogar rund 80 Prozent der Öffentlich-Rechtlichen in ihrer Strategie auf YouTube. Die Hälfte produziert für die Video-Plattform eigene Inhalte, um Jüngere zu erreichen, etwa mit eigenen Reportagen oder Comedy-Formaten. Eine Idee, die laut "Standard" auch in Österreich herumschwirrt. Der Hintergedanke: Unterhaltungsformate für Social Media zu entwickeln sei für die Privaten nicht besonders interessant, aufgrund der hohen Kosten. Dieses Feld dem ORF zu überlassen wäre daher nicht so schmerzvoll. Spekulationen, denen Generaldirektor Weißmann allerdings mit Verweis auf die laufenden Gespräche eine Absage erteilt.

Fokus auf Social Media auch in der Ausbildung

Gelingen soll die digitale Wende jedenfalls auch mit mehr jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für dieses Jahr wurde wieder das Trainee Programm ORF-Akademie ausgeschrieben. Denkbar ist für Weißmann auch, dass der Bereich Social Media bei dieser internen Ausbildung, einen größeren Stellenwert bekommt, neben den klassischen Kanälen TV, Radio und Online.

Leuchtturm im Netz-Wirrwarr

Stärker in den sozialen Medien zu sein, sei ein Gebot der Zeit. Der ORF sei dafür geschaffen, gegen Propaganda und Fake News im Netz zu halten, sagt Generaldirektor Roland Weißmann: "Wir berichten objektiv, unabhängig, öffentlich-rechtlich. Das ist sozusagen der Leuchtturm in einem Meer von ungefilterten Nachrichten. Und das ist unsere Stärke."

Übersicht