Wolfgang Fellner

APA/HANS PUNZ

Das System Fellner franst aus

Der Medienmacher Wolfgang Fellner prägt die österreichische Medienlandschaft seit Jahrzehnten – mit seinem Verständnis von Boulevardjournalismus ebenso wie mit seinem Geschäftsmodell, das auf aggressiver Inseraten-Akquise speziell auch bei der öffentlichen Hand aufgebaut ist. Dieses System Fellner franst jetzt aus.

Boulevard-Journalismus, den der Chef Wolfgang Fellner persönlich aufkocht, ein Fernsehstudio als innenpolitischer Stammtisch, an dem es nicht die geringsten Tabus gibt, und das gepaart mit druckvoller Akquise öffentlicher Gelder über Inserate und Förderungen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ermittelt die Korruptions-Staatsanwaltschaft - in Zusammenhang mit Inseraten-Deals mit der Kurz-ÖVP - wegen Bestechung gegen die Fellner-Brüder. Und der "Österreich"-Herausgeber steht in gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen und hat dabei schon mehrfach den Kürzeren gezogen.

Spekulationen über einen Schuldenschnitt

Jetzt will Wolfgang Fellner seine Mediengruppe an Sohn Niki übergeben und bemüht sich um eine Einigung mit seinen Kreditgebern, wobei er das offiziell dementiert. Doch "Standard"-Redakteur und Fellner-Kenner Harald Fidler weist darauf hin, dass sich Fellner wohl kaum freiwillig einen Unternehmenssanierer aus Hamburg in seine Firmen gesetzt hätte. Ohne dessen Unterschrift geht nichts mehr. Was offiziell als "Begleitung der Übergabe an die nächste Generation" bezeichnet wird, ist für Insolvenzspezialisten ein klarer Fall: Die Banken, bei denen Fellner mit hohen zweistelligen Millionenbeträgen in der Kreide steht, haben die Kontrolle übernommen.

Niki Fellner

APA/HANS PUNZ

Niki Fellner

Geordnete Hofübergabe an den Sohn als Ziel

Eine finanziell geordnete Übergabe an den Sohn liegt natürlich auch im Interesse von Wolfgang Fellner. Aber den Ausschlag dürfte doch die wirtschaftliche Lage gegeben haben. Auftrags-Rückgänge, die öffentlichen Inseratengelder fließen spärlicher, die Kosten explodieren in Folge der Energiekrise. "Ein wesentlicher Aspekt ist natürlich jetzt auch für alle Zeitungen Der vervielfachte Papier Preis muss man berücksichtigen und bei einer Gratiszeitung, die offiziell einige 100.000 Stück druckt und vertreibt, fallen diese Papierpreise natürlich ganz besonders ins Gewicht", so Harald Fidler. Kostensenkungsmaßnahmen laufen schon seit Monaten.

Sparmaßnahmen bei Köpfen und Büroräumen

Sparmaßnahmen in den Redaktionen und beim Anzeigen-Layout, eine ganze angemietete Etage im Redaktionsgebäude ist zurückgegeben worden, wie Niki Fellner bestätigt hat. Laut Informationen aus dem Haus sind zu Jahresbeginn knapp 20 Personen in der Redaktion gekündigt worden, einige seien dann einvernehmlich gegangen. Jetzt also der Generationswechsel und das große Aufräumen mit den Banken. Harald Fidler: "Wie das juristisch oder wirtschaftlich gelöst wird, kann ich nicht sagen, aber worum es geht, ist, die Gruppe von dieser Kreditbelastung, die sie seit dem Start 2006 oder schon davor mit sich mitschleppt, einmal zu befreien." Es gehe um Verbindlichkeiten in beträchtlicher zweistelliger Millionenhöhe, die in den Jahresabschlüssen ersichtlich sind.

Erfolgreicher Medien-Geschäftsmann tritt ab

Der Medienökonom Josef Trappel von der Uni Salzburg spricht von kritischen Momenten in der Laufbahn eines solchen Unternehmens – auch deshalb, "weil natürlich die Finanzgeber von einer neuen Generation zunächst einmal Leistung erwarten und sehen wollen, bevor sie dann mit demselben Engagement dahinter gehen". Wolfgang Fellner sei bei aller Kritik, die man an ihm üben könne und müsse, ein großer Innovator gewesen, der Produkte wie "Basta", "News" und "Woman" auf den Markt gebracht und dann für gutes Geld verkauft habe. Diese Erfolge als Medien-Geschäftsmann hätten wohl auch die Banken beeindruckt.

"Unternehmen in die Politik hinein gut vernetzt"

Warum die Banken Fellner trotz hoher Schulden die Stange halten, erklärt Trappel so: "Das ist ein Unternehmen, das sehr gut vernetzt ist in die Politik hinein, das daher nicht unbedingt sofort fallengelassen wird, wenn die ökonomischen Probleme zu groß werden. Auch das ist den Banken verständlicherweise nicht entgangen." In den vergangenen fünf Jahren sind 77 Millionen Euro aus öffentlichen Inseraten sowie Förderungen für Radio und Fernsehen an Fellner geflossen, also an die 15 Millionen im Jahr. Ein Schuldenschnitt – zu dem Thema hält sich Fellner bedeckt, er wollte #doublecheck auch kein Interview geben – könne manchmal für die Kreditgeber auch die bessere Lösung sein, weil Eigenmittel vom Schuldner aufgebracht werden müssen, sagen Insolvenz-Experten.

Innovationen als Zauberwort für Kreditgeber

Zuletzt ist aufgefallen, dass die Mediengruppe neue Online-Produkte wie "Politik-Live" und "Business-Live" auf den Markt gebracht hat, trotz der angespannten finanziellen Situation. Man muss das wohl auch als Signal an die Banken sehen nach dem Motto: Es geht aufwärts. Oder wie es Harald Fidler formuliert: "Wir tun was, und wir halten die Aufmerksamkeit hoch." Ein Punkt, den auch der deutsche Sanierer Andreas Pres bei seinem Antritt im März betont hat. Zitat: "Die gesamte Gruppe steht für schnelle und unkonventionelle Innovationen, getrieben von Medien-Know-How und Kundenorientierung. Darauf werden wir aufbauen."

Es war einmal viel Licht, jetzt ist viel Schatten

Josef Trappel ist, was die Innovationskraft der Fellner Medien betrifft, gespalten: "Einerseits ist Fellner ein Innovationstreiber, der in Österreich etwas bewirkte, und andererseits dann später aber ein Unternehmen und vor allem ein Produkt, das die Sitten in vielerlei Hinsicht in Frage gestellt hat." Mit diesem Produkt meint Trappel natürlich die Tageszeitung "Österreich" und die "oe24"-Ableger im TV und im Netz. Hier habe sich Fellner anders als bei früheren Produkten zerfranst. Und Harald Fidler sieht auch die Schatten der Medienkorruptions-Affäre und der Prozesse wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung durch Wolfgang Fellner über der Mediengruppe: "Natürlich schädigt das die Marke und das Medium. Eine derartige Häufung von Vorwürfen und Verfahren - das erleichtert die Vermarktung sicher nicht."

Übersicht