Wolfgang Fellner, 2013

APA/HERBERT NEUBAUER

Wolfgang Fellner

Der toxische "Fellnerismus"

Wer zahlt, schafft an. Mit seinem fragwürdigen Geschäftsmodell und Journalismus-Verständnis hat Wolfgang Fellner die österreichische Medienlandschaft geprägt wie kaum jemand anderer. Die ÖVP-Ermittlungen zeigen Fellners Methoden erstmals detailliert.

Die ÖVP-Inseratenkorruptionsaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinen engsten türkisen Machtkreis samt mutmaßlich frisierten Umfragen und geschönter Berichterstattung hat zu Tage gebracht, was schon längst ein offenes Geheimnis ist. Der Gegengeschäfts-Journalismus von Wolfgang Fellner, der Österreich seit Jahrzehnten prägt. "Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das", schrieb Thomas Schmid in einem seiner zahlreichen Chats, die schlussendlich zum Rücktritt von Kurz als Regierungschef geführt haben. Gemeint waren Schmids Deals mit dem Boulevard-Macher, die dabei geholfen haben sollen, dass Kurz die ÖVP 2017 übernommen hat. Fellner, der alles abstreitet, verspricht in den Chats an anderer Stelle etwa eine "Doppelseite", nachdem sich Schmid über eine nicht eingehaltene Berichterstattung beschwert.

Bautenminister inseriert im Jugendblatt

Die Vorwürfe wiegen schwer, überraschend kommen sie aber für viele nicht. "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher hat für Fellners fragwürdiges Geschäftsmodell samt aggressiver Abo-Politik sogar einen eigenen Begriff kreiert. Der "Fellnerismus", das bedeute die "Beseitigung aller Schranken - zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung, aber auch die Schranken der moralischen Selbstbeschränkung", sagt Thurnher. Schon bei der ersten Fellner-Mediengründung, der Jugendzeitschrift "Rennbahn-Express", sei es so gelaufen, wie es jetzt inkriminiert wird, erzählt Thurnher. Dort seien neben den üblichen Geschichten über "Sex-Beratung und Pickel-Probleme" auch Fotos des damaligen Bautenministers Karl Sekanina von der SPÖ erschienen. "Der hat als Figur gar nicht in diese Bilder- und Gedankenwelt gepasst. Aber es war erklärlich. Denn er hat gezahlt."

Journalismus für die eigene Geldbörse

Denn wer zahlt, schafft eben an. Später sei es bei "News", "Basta" und schließlich "Österreich" und "Oe24" so weitergegangen. Siebzehn Verstöße gegen den Ehrenkodex hat der Presserat alleine vergangenes Jahr bei "Österreich" gezählt, so viele wie bei keinem anderen Medium. Klare Worte findet auch Florian Skrabal, Chefredakteur von "Dossier“. Fellner mache keinen Journalismus. Für ihn sei der Journalismus "Mittel zum Zweck". Fellner setze seine publizistische Macht dazu ein, Geld für die eigene Geldbörse zu verdienen, sagt Skrabal.

Rachefeldzug nach Anzeigen-Kürzung

"Dossier" recherchiert seit Jahren zu Fellners Methoden. Mehrere Politikerinnen und Politiker haben seither ausgepackt, etwa die ehemalige FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, die es bitter zu spüren bekam, als sie ihr Inseratenbudget kurz nach Amtsantritt zurückgefahren hat - mit einer Negativ-Kampagne aus Fellners Feder persönlich. "Wenn ihr nicht inseriert, dann kommt ihr nicht vor", hat auch schon die ehemalige liberale Politikerin Heide Schmidt zu hören bekommen, wie sie Puls4 vor kurzem erzählt hat.

Die rote Erbsünde des Inseraten-Wahns

Ähnliches berichtet auch Ex-Kanzler Christian Kern. Seine Frau und er seien wegen gekürzter Inserate in "Österreich" etwa der Korruption beschuldigt worden. Kerns Partei, die SPÖ, hat den Paarlauf Boulevard und Politik freilich erst erfunden. Zum zweifelhaften Höhepunkt kam es unter Werner Faymann. Eine "Erbsünde" der Roten nennt es Kern heute. Auf die Spitze getrieben habe es dann aber Sebastian Kurz, sagt Armin Thurnher. Und mit Wolfgang Fellner habe das Team des Ex-Kanzlers den perfekten Partner gefunden. Denn Fellners Medien würden als dankbarer Multiplikator dienen. Zuerst habe man das "Beinschab-Tool" dazu genutzt, um bei den Funktionären für eine Pro-Kurz-Stimmung zu sorgen, und dieses Momentum habe sich dann auf die gesamte Öffentlichkeit übertragen. "So funktioniert das Spiel", sagt Thurnher.

Die Angst vor Fellners Retourkutsche

Dass Wolfgang Fellner immer noch Medien macht, liegt nach der Meinung von "Dossier"-Chefredakteur Florian Skrabal aber auch daran, dass sich die Beteiligten und Betroffenen fürchten. "Sie haben Angst vor der publizistischen Retourkutsche. In dem Moment, in dem man einmal mitspielt, sitzt man im selben Boot", so Skrabal. Der PR-Experte und ehemalige SPÖ-Wahlkampfmanager Stefan Sengl drückt es im Buch "Näher als erlaubt" von News-Journalist Andreas Wetz so aus: Dass man sich positive Berichterstattung kaufen könne, sei von der Politik zu kurz gedacht gewesen. "Mit jedem Brocken, den man der Bestie hinwarf, wurde sie größer. Inzwischen füttert man sie nur noch, damit sie nicht über einen herfällt", wird Sengl zitiert.

Ein hartes Urteil aus dem Ausland

International blickt man angesichts der Medienkorruptionsaffäre mit Staunen auf Österreich, weiß Matthew Karnitschnig, Europa-Chef-Korrespondent des Magazins "Politico". Es gehe nicht nur um Inserate, sondern um eine "Kultur", die jetzt ans Licht gekommen sei. Auch angesichts der Vorwürfe der sexuellen Übergriffe, die gegen Fellner von ehemaligen Mitarbeiterinnen erhoben werden und die der Beschuldigte bestreitet, sagt Karnitschnig: "Ich glaube, dass Herr Fellner in jedem westeuropäischen Land schon längst weg vom Fenster wäre."

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