Röhrender Hirsch

AP/MATT DUNHAM

Inseraten-Unwesen

Die blinden Länder-Flecken

Die Bundesregierungen haben seit 2012 - so lange gibt es die Medien-Transparenzdatenbank - rund 200 Millionen Euro an Inseraten geschaltet, die Landesregierungen sogar 300 Millionen, davon zwei Drittel allein die Stadt Wien. Von den Inseratenbudgets der Länder gehen hohe Anteile an die Bundesländer-Zeitungen, die sich regelmäßig über die Schaltungen im Boulevard ereifern. In Vorarlberg gehen 41 Prozent an den Platzhirschen "Vorarlberger Nachrichten", wie der Journalist Andreas Wetz in seinem neuen Buch "Näher als erlaubt" schreibt. Das ist ein Rekord-Anteil.

Im Ländle gibt es noch andere Inseraten-Besonderheiten. Eine spezielle Geschichte spielt im Dunstkreis von ÖVP und Russmedia, deren Flaggschiff die "Vorarlberger Nachrichten" sind: Der Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Jürgen Kessler, hält knapp 50 Prozent einer Kommunikationsberatungsfirma namens Media Team, an der auch die Russmedia Verlags GesmbH mit 40 Prozent beteiligt ist. Die Media Team wickelt das Anzeigengeschäft ab für eine Reihe von Zeitschriften der Wirtschaftskammer Vorarlberg, der Landeslandwirtschaftskammer und der Vorarlberger Jägerschaft.

Anzeigen-Zubrot für ÖVP-Direktor

Das scheint ein lukratives Geschäft zu sein. Der Bilanzgewinn der Media Team 2020 hat 164.560 Euro betragen. Ein schönes Zubrot für den ÖVP-Mann Kessler, vor allem dank der Wirtschaftskammer. Kessler verdient an Anzeigengeschäften der Kammer als Geschäftsführer der in der Kammer dominierenden ÖVP-Fraktion, eine spannende Kombination, zu der uns Kessler auf Anfrage aber nichts sagen wollte. Er verwies auf die Geschäftsführung seiner Firma, die für politische Einordnungen wohl die falsche Adresse ist. Zugeknöpft reagierte auch Russmedia auf unsere Anfrage, was hinter die Beteiligung an der Media Team stecke: "Zu strategischen Überlegungen über Beteiligungen geben wir grundsätzlich kein Statement ab."

40 Seiten Inserate für Wirtschaftsbund

Auch interessant: der von Jürgen Kessler gemanagte Wirtschaftsbund gibt die Zeitschrift "Vorarlberger Wirtschaft" heraus, Kessler zeichnet im Blatt für Redaktion und Anzeigen verantwortlich. Die Wirtschaftskammer und die Hypo Vorarlberg - mehrheitlich im Eigentum des Landes - inserieren dort regelmäßig, die Big Player der Vorarlberger Industrie sowieso. Im Oktober-Heft war fast die Hälfte der 88 Seiten mit ganzseitigen Inseraten bedruckt. Allein die Inserate von Wirtschaftskammer und Hypo haben zuletzt im Jahr an die 60.000 Euro gebracht.

Eine Parteizeitung als Spenden-Hafen

Wer das Buch von Andreas Wetz gelesen hat, dem fällt da unweigerlich eine Passage über das "Oberösterreichische Volksblatt" ein, das ist die letzte klassische Parteizeitung, sie gehört der Landes-ÖVP. Wetz zitiert Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer, der in einem Interview gesagt hat: "Wir haben das Problem der Parteispenden generell nicht. Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren."

Das rote Inseraten-Eldorado Wien

Von den 300 Inseraten-Millionen der Länder seit 2012 sind 205 Millionen in Wien ausgegeben worden. Wien ist das Eldorado des Gegengeschäfts-Journalismus, der dort mit Werner Faymann seinen Ausgang genommen hat. Die Grünen haben in den Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ 2010 und 2015 versucht, hier gegenzusteuern und zunächst ein Einfrieren und dann eine Reduktion des Inseratenvolumens von 30 Richtung 20 Millionen Euro im Jahr erreicht. Klubobmann David Ellensohn schildert im #doublecheck Interview, wie mühsam das war: "Es wurde uns immer nahegelegt, selber auch zu inserieren. Nach dem Motto: steckt’s ein paar Millionen rein, dann habt’s eine Ruh‘, steckt’s nichts rein, dann werdet’s schon sehen, was ihr davon habt."

Beinschab-Österreich-Tool reloaded?

Ende Oktober hat Ellensohn im Rahmen einer (öffentlich praktisch unbeachteten) Dringlichen Anfrage im Gemeinderat an Bürgermeister Michael Ludwig von der SPÖ auf spannende Parallelen zwischen dem 2017-er Nationalratswahlkampf von Sebastian Kurz und dem Gemeinderatswahlkampf 2020 der SPÖ hingewiesen. Der grüne Klubchef hat Indizien präsentiert, dass das berühmte "Beinschab-Österreich-Tool" auch im Gemeinderats-Wahlkampf 2020 zur Anwendung gekommen sein könnte: nämlich Dutzende Umfragen aus dem Hause Sabine Beinschab, der möglichen Kronzeugin in der Medienkorruptionsaffäre, die in der Fellner-Zeitung "Österreich" erschienen sind.

Die Erinnerung an eine Demontage

Die Umfragen haben den damaligen SPÖ-Spitzenkandidaten Michael Ludwig hochgejubelt, dessen innerparteilicher Konkurrent Andreas Schieder wurde als nicht kompetent abgestempelt. In einer Umfrage von Beinschabs Firma Research Affairs wurde ein Dutzend unterschiedlichster Kategorien abgefragt, bei keiner einzigen war Schieder besser als Ludwig. Kommentar von Ellensohn: "Das ist gar nicht möglich. Das ist … Beinschab." Er fühle sich entfernt an die Demontage von Reinhold Mitterlehner durch Sebastian Kurz erinnert, so der Grüne. Der SPÖ-Bürgermeister ist in der Gemeinderatssitzung auf all das überhaupt nicht eingegangen, er hat nur eine wenig sagende Anfrage-Beantwortung von einem Blatt heruntergelesen.

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