Gartenzwerge

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Folgen der Medienkorruptionsaffäre

Die Scheinheiligkeit der Guten

Wenn die Vertreter der anderen Medien jetzt mit dem Finger auf Wolfgang Fellner zeigen und dessen allseits bekannte Methoden als einziges Übel kritisieren, dann sei da viel Scheinheiligkeit dabei, sagt Florian Skrabal von "Dossier". Die Plattform befasst sich immer wieder mit dem Thema Inserate und wie die Zeitungen damit umgehen. Faktum ist: Alle profitieren von den ohne Kriterien vergebenen Millionen, nicht nur der Boulevard.

300 Millionen Euro Inseratengeld von den Landesregierungen, 200 Millionen von der Bundesregierung seit 2012. Also allein von den Regierungen, das hat der Journalist Andreas Wetz in seinem neuen Buch "Näher als erlaubt. Wie sich die Politik mit Steuergeld Medien kauft" zusammengetragen. Nimmt man öffentliche Unternehmen dazu, kommt man auf gut 200 Millionen Euro im Jahr, die in Österreich ohne Kriterien politisch gesteuert an Medien gehen.

100-Euro-Schein

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Inserate korrumpierten das System

Das hat das System korrumpiert, milder ausgedrückt: Abhängigkeiten geschaffen. Andreas Wetz sagt: "Wenn das so weit geht, dass die eine oder andere Zeitung ohne dieses Geld gar nicht überleben könnte, dann ist das noch keine Korruption, aber ein bedenkliches Abhängigkeitsverhältnis, über das man offen sprechen muss." Den betroffenen Chefredakteuren gelingt das noch nicht so recht, wie eine Pressestunde in den Tagen nach den Hausdurchsuchungen im Kanzleramt und bei der ÖVP gezeigt hat.

ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse

ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse

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Die Chefredakteure und die roten Linien

Da wurden Selbstverständlichkeiten betont, wie die notwendige Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung und dass man nicht käuflich sei. Ähnlich eine Erklärung des Vereins der Chefredakteure: Es gebe in den "allermeisten Medienhäusern rote Linien und eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung", hieß es da. In Deutschland schüttele man darüber den Kopf, sagt die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid: "Undenkbar, dass sich Chefredakteure noch dazu in der Form zu Inseraten positionieren."

"Alle haben sie die Hand aufgehalten"

Man merkt, dass es so ist, wie "Dossier"-Chefredakteur Florian Skrabal sagt: "Mitgespielt haben da alle, die Hand aufgehalten haben auch alle, und interveniert dürften Qualitätsmedien-Macher auch haben." In so einem Biotop ist es nicht ganz einfach mit "radikaler Transparenz und Offenlegung dessen, was man tut" gegenüber den Leserinnen und Lesern – dazu bekennt sich der Doyen der Chefredakteure, Hubert Patterer. Er hat für seine "Kleine Zeitung" offengelegt, wie hoch der Anteil der Regierungsinserate am gesamten Inseratenumsatz ist.

Im Dickicht der öffentlichen Inserate

Zwischen 1,6 und 2,3 Prozent seit 2017 mit einem Ausreißer im Corona-Jahr, als der Bund das Inseratenbudget verdoppelte - das waren Summen zwischen einer Million und drei Millionen Euro im Jahr, hat Patterer erheben lassen. Zur radikalen Transparenz fehlt allerdings noch einiges: Es kommt in einem Normaljahr noch eine Million an Inseraten des Landes, von Landesgesellschaften und Gemeinden dazu, im Corona-Jahr waren es laut Medien-Transparenzdatenbank sogar rund eineinhalb Millionen Euro, die im Land an die "Kleine Zeitung" geflossen sind. So wie auch an andere Bundesländerzeitungen etwa in Vorarlberg, Niederösterreich und Salzburg hohe Anteile der Landes-Inseratenbudgets fließen.

Die heimlichen Stars der Presseförderung

Und: die Styria-Group, zu der Patterers Zeitung gehört, ist auch Empfängerin der mit Abstand höchsten Summe aus der Bundes-Presseförderung. Andreas Wetz weist in seinem Buch 38 Millionen Euro seit 2004 für die Styria aus, fast doppelt so viel wie die Nummer zwei – "Der Standard" - bekommen hat. Der Löwenanteil ging an die Tageszeitung "Die Presse", die zur Styria gehört. Das stand alles nicht in Patterers Newsletter.

Die unangemessene Nähe des "Presse"-Chefs

Sein Chefredakteurs-Kollege Rainer Nowak von der "Presse" kommt in den Chats als Best Buddy von Thomas Schmid vor. Nowak hat sich in einem Brief an die Leser und Leserinnen entschuldigt wegen "einem unangemessenen Tonfall und unangemessener Nähe" in den Chats. Aber, so Nowak weiter: "Zu meinen Aufgaben als Chefredakteur gehört es auch, in Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern und deren Büros zu sein, Auge und Ohr an strategischen Entwicklungen zu haben." Trockener Kommentar von Matthew Karnitschnig vom Brüsseler Magazin "Politico": "Das mag stimmen. Aber man müsste diese Politiker nicht unbedingt in der Pratersauna treffen."

Die Relativierung der Regierungsinserate

Rainer Nowak ist kurioserweise vom Branchenmagazin "Journalist:in" gerade zum Medienmanager des Jahres gewählt worden, worüber er sich in einem internen Mail stolz zeigt und der Redaktion dankt. Eigentlicher Inhalt des Mails, das #doublecheck vorliegt, ist eine Darstellung der "Presse"-Erlöse aus Regierungsinseraten. Seit 2016 lägen diese stabil bei einer Million Euro im Jahr - also auch die Kurz-Jahre hindurch, schreiben Nowak und sein Mit-Geschäftsführer Herwig Langanger. Das soll helfen, die Wogen im Haus zu glätten, die wegen der für die Zeitung fatalen Chats hochgegangen sind.

Strittige Doppelrolle in manchen Verlagen

Chefredakteur und Geschäftsführer gleichzeitig: auch das ist ein österreichisches Unikum, es wird vom Branchenmagazin nicht zum ersten Mal gewürdigt. Auch Gerold Riedmann von Russmedia war schon einmal Preisträger, die Vorarlberger machen das wie die Styria. Alexandra Föderl-Schmid sagt dazu: "Die Chefredaktion soll für die Inhalte zuständig sein, nicht für die Einnahmen, also die Inserate. Da tritt eine Vermischung auf, die ist problematisch." Auch "Falter"-Gründer Armin Thurnher argumentiert gegen diese Doppelrolle.

Ähnlich ist es bei "Dossier". Dort ist Florian Skrabal Chefredakteur und Geschäftsführer. Das werde intern auch immer wieder diskutiert. "Der Punkt, warum es bei uns funktioniert, ist, dass wir nicht Werbung verkaufen, sondern unsere journalistischen Fähigkeiten", sagt Skrabal. Dossier ist werbefrei und finanziert sich nur durch Mitgliedschaften und Kooperationen. Für das kleine Medium sei die Personalunion auch schlichtweg günstiger.

Norwegen schützt per Gesetz vor Intervention

Hubert Patterer verteidigt sie wie sein Styria-Kollege Nowak. Es sei wichtig, mitentscheiden zu können, wenn es etwa um die Entwicklung neuer journalistischer Produkte gehe, sagt Patterer: "Natürlich gibt es Konflikte, aber die gäbe es auch, wenn zwischen Redaktion und Geschäftsführung ein großer Graben wäre." In Norwegen ist dieser Graben gesetzlich vorgeschrieben: Seit 2020 gibt es dort das "Gesetz zur redaktionellen Unabhängigkeit und Verantwortung in redaktionellen journalistischen Medien". Es schützt die Redaktionen vor Interventionen - auch des eigenen Managements.

Das Du-Wort als "emotionale Korruption"

Vieles ist eben eine Frage der Kultur. Wie das Du-Wort zwischen Journalisten und Politikern, das in Österreich weit verbreitet ist. Anneliese Rohrer, Doyenne der Innenpolitik-Journalisten, spricht von "emotionaler Korruption". Hubert Patterer hält dem entgegen, dass die innere Distanz entscheidend sei, nicht die äußerliche Nähe. Eine Diskussion, die in Deutschland nicht geführt wird, wo laut Alexandra Föderl-Schmid von der SZ selbst Chefredakteure nicht die Handy-Nummern von Ministern haben.

Erinnerung an einen Schulausflug mit Kurz

Wolfgang Ainetter ist Österreicher mit langjähriger Boulevard-Erfahrung von NEWS über "Heute" bis BILD, er war zuletzt Sprecher des deutschen Verkehrsministers. Bei einem Berlin-Besuch von Sebastian Kurz hat er diese Beobachtung gemacht: "Hinter dem Kanzler sind österreichische Journalistinnen und Journalisten gegangen, alle fröhlich und per Du, es war wie beim Schulausflug. Ein deutscher Kollege hat sich über die große Entourage von Kurz gewundert – und dann ist ihm der Mund offengeblieben, als er erfahren hat, dass das Journalisten sind." Und damit ist irgendwie auch alles gesagt.

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