Joe Zawinul

APA/HERBERT PFARRHOFER

Opus

Joe Zawinul - eine österreichische Jazzlegende

Im Sommer 2001 nahm sich Joe Zawinul zweimal Zeit, um über seine Musik und aus seinem Leben zu erzählen. Die Interviews fanden in Wien und in Zawinuls Haus in Kalifornien statt. Albert Hosp erinnert sich.

Joe Zawinuls Biografie ist die Geschichte eines Musikers, der Geschichten erzählen wollte, und zwar eigene. In den 1950er Jahren hatte er bereits in allen maßgeblichen Jazzformationen Österreichs gespielt. Am 7. Jänner 1959 kommt er, frühmorgens, nach fünftägiger Schifffahrt, in New York an. Der erste Weg führt ihn ins Birdland, den berühmten, nach Charlie "Bird" Parker benannten Jazzclub am Broadway. Im Birdland befinden sich an jenem Abend unter anderem der Schlagzeuger Louis Hayes, mit dem Zawinul dann Jahre in der Gruppe von Cannonball Adderley spielen sollte, weiters der Trompeter Miles Davis, mit dem er ebenfalls intensiv zusammenarbeiten würde, sowie das vielleicht größte Idol des Wieners: Duke Ellington.

Ein ikonisches Foto zeigt Joe Zawinul, noch ohne Schnurrbart, aber mit Hut, am Flügel sitzen, und Duke Ellington lehnt am Klavier und hört ihm zu. Damit beginnt eine der spektakulärsten Laufbahnen der Jazzgeschichte. Mercy, Mercy, Mercy. In A Silent Way. Birdland. Undundund.

Es ist hier nicht der Platz, den Weg des Buben, der im Haus seines Onkels in Oberkirchbach im Wienerwald Akkordeon spielte, minutiös zu erzählen. In der Radiosendung Opus am 15.August berichtet er selbst, und auch fast 20 Jahre nach der Erstausstrahlung scheint vieles, was er sagt, zeitlos zu sein. "Wenn ich schon etwas machen muss, dann mach ich's wenigstens gern." "Mein Motto ist: Be happy, but don´t be satisfied. Ich hab‘ so viele kennengelernt, die zwar satisfied waren, aber nicht happy."

Frühjahr 2001

Der Plan für eine zweistündige Radiosendung über Joe Zawinul nimmt Gestalt an. Kollege Kurt Reissnegger und ich dürfen dafür den prominenten abendlichen Sendetermin am Nationalfeiertag haben. Zwei Interviews werden vereinbart. Es müssen ganz einfach zwei sein, in seinen Ländern, denen er beiden die Nummer eins gibt, fast ex aequo: "Österreich: 1A. Amerika: 1B."

Im Sommer 2001 treffen wir ihn in Güssing - dem Freund Frank Hoffmann erweist Zawinul die Ehre, bei dessen Festspielen aufzutreten. Ein Termin im Wiener Hotel Hilton ist schnell vereinbart, ebenso wie ein Besuch in Malibu, Kalifornien. Von seinem amerikanischen Zuhause werde ich unter anderem die Atmosphäre auf der Terrasse nie vergessen: Wir blickten auf den Pazifik, und in der Meeresbrise schaukelte ein blechernes Schild mit weißen Buchstaben auf grünem Rund: Gösser…

Für den Termin im Hilton nimmt Techniker Franz Ahammer, damals ganz frisch bei uns in Ö1, eine gute alte Nagra-Tonbandmaschine mit, die Zawinul sichtlich gefällt. Er schaut aus dem Hotelfenster auf den Wiener Stadtpark, erzählt zunächst von seiner Kindheit in Erdberg, nicht weit von hier, und zeichnet uns dann eine Skizze seines Lebens. Das Interview dauert eine Stunde, am Ende haben wir das Gefühl: Alles ist gesagt.

September 2001

Trotzdem - die Reise nach Kalifornien darf am Plan bleiben, ich werde sie allein antreten. Sie ist für den 18. September 2001 geplant. Dann kommt jener Dienstag, der 11.September, und nichts ist wie vorher. Mein Flug nach Los Angeles gleicht einem Gefängnistransport - alles wird durchsucht, nervöse Wachleute herrschen die Reisenden an. Hektik und gleichzeitig Schockstarre liegen in der Luft.

Mein Aufenthalt in den USA wird nur knapp 30 Stunden dauern. Vom gesichtslosen Hotel in Santa Monica gehe ich um drei Uhr morgens zum berühmten Pier am Pazifik. Dass ich am endlosen Strand fast allein bin, ist um diese Zeit logisch, aber mich beschleicht trotzdem der Eindruck, dass hier wegen der Anschläge vor einer Woche niemand draußen ist.

Acht Stunden später bringt mich ein Taxi nach Malibu, fährt vom Pacific Coast Highway rechts den Big Rock Drive hinauf, um nach einer Spitzkehre links in den Rockport Way abzubiegen. Auf der Straße ist es heiß und trocken und staubig, aber gleich das erste Grundstück linker Hand wird von üppigem Grün begrenzt. Im Schatten einer Palme wartet ein freundlicher Mann mit Schnurrbart …