Wiener Hofburg

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Sieben Kandidaten und ihre Kampagnen

Der Elefant dreht seine Runde allein

Dass Alexander Van der Bellen seine Wiederwahl schaffen wird, ist außer Zweifel - die Frage ist nur, ob es gleich im ersten Anlauf gelingt. Gerade deshalb wächst sich die Hofburg-Entscheidung aber zu einer veritablen Protestwahl aus. Vor allem das rechte Lager hat sich breit aufgestellt, gleich drei Kandidaten treten neben dem FPÖ-Mann Walter Rosenkranz an. Und in Dominik Wlazny haben mit dem Amtsinhaber unzufriedene Linke ihren Favoriten gefunden. Die Social-Media-Kanäle spielen eine zentrale Rolle, TV-Duelle eher nicht.

Einen kleinen Unfall beim Wandern im Kaunertal haben Alexander Van der Bellens Social-Media-Leute zu einem Klick-Hit auf TikTok gemacht: Der Bundespräsident interviewt den Kandidaten Van der Bellen, der antwortet im Dialekt und spielt so wieder mit dem Heimatbegriff. Den haben seine Berater schon im Wahlkampf 2016 elegant besetzt, um ihn nicht den Rechten zu überlassen, wie es heißt. "TikTok wird jetzt speziell bei diesem Wahlkampf eine große Rolle spielen. Da haben wir wirklich extrem hohe Werte, deutlich über all den anderen Kanälen", sagt Markus Zimmer von der Agentur BuzzValue. Und Van der Bellen ist da ganz vorne dabei.

Doris Schmidauer und Alexander Van der Bellen

Doris Schmidauer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen

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Ein Trio dominiert den Social-Media-Wahlkampf

Nach Gerald Grosz - der durch seine Tiraden bei regelmäßigen Auftritten im Fellner-Fernsehen eine gewisse Bekanntheit erlangt und ziemlich viele Follower gesammelt hat - ist Dominik Wlazny alias Marco Pogo sehr stark auf Social Media. In einem Ranking von BuzzValue für August liegen diese beide noch vor Alexander Van der Bellen, Walter Rosenkranz kann mit dem Trio gerade noch auf Facebook halbwegs mithalten.

Gerald Grosz

Gerald Grosz

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Enorme Reichweiten auf der Plattform TikTok

Was an TikTok frappierend ist, das sind die enormen Reichweiten. Die kleinen Videos von Van der Bellen, Wlazny und Grosz wurden im August 4,3 Millionen Mal angeschaut. Und der richtige Wahlkampf kommt erst. Der 78-jährige Präsident hatte allein fast 1,7 Millionen Views, wie das genannt wird. Wahlforscher Jakob-Moritz Eberl: "TikTok ist auch nicht nur für die ganz Jungen. Da geht es bis Ende Zwanzig, Anfang Dreißig." Tatsächlich belegen Studien, dass zwei Drittel der aktiven TikTok-User von Van der Bellen zwischen 18 und 35 Jahre alt sind, 20 Prozent sind zwischen 13 und 17. Die Verweildauer auf der App beträgt mehr als eine Stunde am Tag. Eine wahre Wundertüte für Kampagnen-Leute, die TikTok können.

Dominik Wlazny

Dominik Wlazny

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Doppelstrategie mit amtlichen Hofburg-Kanälen

Der Amtsinhaber sei zu hundert Prozent authentisch, schwärmt Kampagnenleiter Martin Radjaby: "Van der Bellen ist so, wie man ihn kennt. Und auf TikTok sind vor allem die erfolgreich, die authentisch sind." Natürlich nimmt das Van der Bellen-Team auch Geld in die Hand, kauft sich also Reichweite - zumal die Datensätze der Kampagne von 2016 der Präsidentschaftskanzlei gehören. So wie auch die personellen Ressourcen für Social Media zwischen Amt und Kandidatur klar getrennt seien, wie Radjaby glaubhaft betont. Markus Zimmer von BuzzValue erkennt dennoch einen Vorteil: "Auf der einen Seite kann er über seine etablierten Kanäle als Bundespräsident weiter kommunizieren. Das tut er auch und somit ergänzt sich das schön. Das ist eine Doppelstrategie."

Walter Rosenkranz

Walter Rosenkranz und Herbert Kickl

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FPÖ ist im Netz nicht mehr Avantgarde wie früher

Walter Rosenkranz hat den FPÖ-Apparat hinter sich, den wird er bei seinen Schwächen im Netz auch brauchen, sagt Markus Zimmer: "Dort hat man natürlich andere Kanäle mit hohen Reichweiten. Dort versteht man auch die Mechanismen und die Formalitäten, die auf den sozialen Medien gut funktionieren." Auch der FPÖ-nahe Kommunikationsberater Heimo Lepuschitz sieht das so. Aber er räumt ein, dass die FPÖ auf Social Media nicht mehr die Avantgarde ist, die sie dort unter dem Mastermind Herbert Kickl mit der berühmten Strache-Facebook-Seite einmal war. "Facebook erreicht keine Jungen mehr, sondern eher Mid-Ager. Und auf den anderen Plattformen muss man politisch erst einmal spielen können."

Tassilo Wallentin

Tassilo Wallentin

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Wallentin-Inserat in der "Krone" ethisch "nicht korrekt"

Den Wahlkampf von Rosenkranz finanziert die FPÖ, den von Van der Bellen zum Teil die Grünen, den von Tassilo Wallentin anfangs Frank Stronach. Mit 110.000 Euro vom Magna-Gründer hat Wallentin in der "Krone bunt" am Sonntag drei Seiten gekauft, davon zwei für die Unterstützungserklärung zum Ausschneiden. Unmittelbar davor ein langes Stronach-Interview, geführt von Edda Graf, eine frühere Stronach-Mitarbeiterin. Das riecht nach einem sogenannten Koppelungsgeschäft, ein Fall für den PR-Ethikrat. Dessen Vorsitzende Sabine Einwiller sagt: "Es ist naheliegend, dass hier eine Verbindung ist und dass das eine mit dem anderen zusammenhängt und dass möglicherweise wohlwollende Berichterstattung hier durch diese Anzeige erkauft worden ist. Und das ist aus ethischer Sicht nicht korrekt." Der Ethikrat habe die Sache aber noch nicht behandelt.

Schuh-Guru und Impfgegner backen kleine Brötchen

Dominik Wlazny betreibt einen Webshop mit Merchandising Produkten seiner Bierpartei, Gerald Grosz verkauft online Wahl-Utensilien. Das hilft, den Wahlkampf zu finanzieren. Dabei gehen beide durchaus professionell vor. Wlazny - im Netz von den Fans romantisiert und verklärt - hat für das Sammeln der 6000 Unterstützungserklärungen Marketing-Leute von einer Agentur angeheuert, wie er bestätigt. Der politische Popstar Wlazny ist eben auch der geschäftstüchtige Pogo, gestählt im Musikbusiness und im Merchandising seiner Satire-Bierpartei. MFG-Chef Michael Brunner und Schuh-Guru Heinrich Staudinger, die backen ganz kleine Brötchen.

Heinrich Staudinger

Heinrich Staudinger

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Der Amtsinhaber stellt sich Mitbewerbern nicht

Alle sechs Mitbewerber wollen TV-Duelle mit Alexander Van der Bellen, was der aber ablehnt. Kampagne-Chef Martin Radjaby befürchtet, "dass solche TV Duelle dazu führen können, dass viele Menschen beginnen sich abzuwenden. Manche Videos und Aussagen des Mitbewerbers haben ja schon mehr als deutlich gezeigt, dass es nicht um den Inhalt, sondern um die Provokation geht". Der FPÖ-nahe Berater Heimo Lepuschitz sagt dazu: "Demokratie ist halt Auseinandersetzung unterschiedlicher Meinungen. Nur weil ihn fast alle Parteien unterstützen, fast alle Körperschaften und fast alle Eliten, kann man ja trotzdem mit dem sogenannten Pöbel dann auch diskutieren. Er ist nicht Marie Antoinette."

Herausforderer "sehnen sich nach dem Ritterschlag"

Martin Radjaby bleibt dabei: Es gelte, die Würde des Amtes zu wahren. Es sei ein Balanceakt, meint Wahlforscher Jakob-Moritz Eberl zu dieser Frage: "Die anderen Kandidaten sehnen sich nach Medienaufmerksamkeit. Sie sehnen sich vor allem nach einer Art Ritterschlag, wenn sie von Alexander Van der Bellen auch wirklich wahrgenommen werden bzw. wenn auf sie reagiert wird." Den Ritterschlag wird der Amtsinhaber allen sechs Mitbewerbern verweigern, bei Walter Rosenkranz - der als amtierender Volksanwalt für sich eine Sonderrolle reklamiert - spielt dessen Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft Libertas und deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene eine Rolle. Dazu könnte sich ein Van der Bellen im Fall eines Duells kaum verschweigen. Also lieber nicht.

Schwierige Aufgabe für die Talk-Redaktionen

Deshalb wird es etwa auf ORF2 eine Elefanten-Runde ohne Elefant geben. Und bei den Privatsendern einen Fleckerlteppich an Duellen - bei oe24 zum Beispiel darf jeder gegen jeden, der will. Puls24 plant ebenfalls Diskussionsformate, wie und in welcher Form sei aber noch nicht fix, weil - Zitat - "einige Kandidaten noch nicht entschieden haben, mit wem und in welcher Form sie bereit sind zu diskutieren". Insgesamt sei der Wahlkampf aus Mediensicht eine Herausforderung, weil das Kandidatenfeld groß sei und dazu eine politische Schlagseite habe.

Van der Bellen und sein inhaltliches Dilemma

Wie sehr der große Abwesende auf diesen Medienbühnen Thema sein wird, und wie stark es dort um Inhalte geht, wird sich zeigen. Für Alexander Van der Bellen als Kandidat sieht Politologe Eberl inhaltlich ein Dilemma: "Die politischen Inhalte, auf die er glaubwürdig setzen könnte, wie zum Beispiel Pandemie und Klimakrise, sind im Moment durchaus polarisierende Themen. Und damit könnte ja eigentlich eine Art Bumerang Effekt erzeugen, wo man erst wieder den Protestwählerinnen und Protestwählern einen Grund gibt, zur Wahl zu gehen."

Anschauungsmaterial dank Ibiza und System Kurz

Dennoch müsse Van der Bellen inhaltlich Flagge zeigen: um seine Anhänger zu mobilisieren, um seine Inhalte nicht am Ende dem linken Gegenkandidaten Wlazny zu überlassen und um den Raum für das rechte Kandidatenfeld eng zu machen, so Jakob-Moritz Eberl. Der Plan dafür liegt auf der Hand: Die Kampagne soll anhand von Beispielen des VdB-Krisenmanagements zeigen, was die Aufgaben des Bundespräsidenten sind und wie er das Amt versteht. Anschaulicher geht es kaum.

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