Szenenausschnitt

SUSANNE HASSLER-SMITH

Lyssewski & Bernhard

"Am Ziel" im Kasino

Im Wiener Burgtheater entdeckt man Thomas Bernhard neu und lässt seine Stücke in der Post-Peymann-Ära von jungen Regisseuren auf die Bühne bringen. Bernhards Drei-Personen-Stück "Am Ziel" (1981 in Salzburg uraufgeführt) kommt im Burgtheater Kasino am Schwarzenbergplatz zur Premiere. Im Zentrum - dieser vom deutschen Regisseur Matthias Rippert inszenierten Arbeit - steht die Schauspielerin Dörte Lyssewski und der Bernhardsche Text.

Ich unterhalte mich mit mir allein am besten

Eine schreckliche Mutter hat Thomas Bernhard da erschaffen: Den Ehemann hat sie gehasst und verabscheut, den schon als Kleinkind gestorbenen Sohn, ob seiner Hässlichkeit als Zumutung empfunden, für die eigene Tochter hat sie nur Verachtung über. "Du hast dir so einen ungeschickten Gang angewöhnt, andererseits ist es deine Natur …", heißt es im Stück.

Alles wird beleuchtet

Dörte Lyssewski, die die Mutter spielt schätzt die psychologische Figurenzeichnung Bernhards: "Dieses ‚Ich rede also bin ich‘, das trifft auf diese Frau zu. Die arbeitet sich ab an der Gesellschaft, an sich selbst, an der Ehe, an Familie, an der Kunst, am Theater - alles, was sie an Sujets hat, wird von ihr von allen Seiten beleuchtet. Ein Pathologe ist nichts dagegen."

Das Publikum beklatscht sein eigenes Begräbnis

Maresi Riegner und Dörte Lyssewski

SUSANNE HASSLER-SMITH

Maresi Riegner und Dörte Lyssewski

Während die Tochter die Koffer packt für die alljährliche Reise ins Ferienhaus am Meer, lässt sich die Mutter, beflügelt durch immer mehr Cognac über den am Vortag besuchten Theaterabend und das einfältige Publikum aus: "Sie werden von der Rampe geohrfeigt und beklatschen das."

Biografisches im Stück

Den Dramatiker dieses gesehenen Stückes mit dem Titel "Rette sich wer kann" - hat die Mutter nach der Vorstellung eingeladen, mit ans Meer zu kommen. Eine schnell ausgesprochene Einladung, die sie schon wieder bereut.

Thomas Bernhard hat sich in dieser Rolle nicht nur selbst in das Stück hineingeschrieben, sondern auch viel Biografisches hineingewoben, so Dörte Lyssewski: "Der Kutter aus Rotterdam auf dem er als Baby gelandet ist, wo er ein Jahr lang gelebt hat, kommt vor, die Artisten, die Schauspieler kommen vor, die Hölle, die da Familie heißt, und die wir alle kennen, nur in verschiedenen Abstufungen."

Trauer im Komischen

Die Tochter fungiert lediglich als Stichwortgeberin, ihre zarte Hoffnung auf ein Ausbrechen aus der mütterlichen Umklammerung wird zunichte gemacht: "Aneinandergekettet in Liebe in wahrer Mutterliebe."

Durch die großen Schimpftiraden schimmert eine tiefe Verletzlichkeit, durch die unglaublich komischen Szenen eine bittere Traurigkeit. Etwa wenn Bernhard die Verlogenheit anprangert, mit der jungen Generation abrechnet, die sich nicht auflehnt gegen die Geschichte, und mit sich selbst ins Gericht geht, und an seinem Anspruch die Welt schreibend zu verändern: "Wir gehen ins Theater und schauen uns ein Stück an und gehen hinaus und sagen uns: Es ist sinnlos."

Lyssewski, Riegner und Galke brillieren

Der deutsche Regisseur Matthias Rippert, stellt sich bescheiden hinter Bernhards Text - ist ihm ganz verpflichtet, und lässt im nüchternen Bühnenbild aus zwei Zuschauersitzen, die drei Schauspielenden - Dörte Lyssewski, Maresi Riegner und Rainer Galke - brillieren. In den furiosen Abrechnungen genauso wie in den kleinen, zarten Gesten.

Es ist über ein Theater, in dem fortwährend beides möglich ist: der Applaus oder die Vernichtung.

Die Zeichen stehen wohl eher auf Applaus, die Proben versprechen einen Abend der großen Schauspielkunst. Premiere ist morgen Abend im Burgtheater Kasino am Schwarzenbergplatz.

Gestaltung