ORF/JOSEPH SCHIMMER
Radiokabarettpreis
Salzburger Stier 2023
Am 5. und 6. Mai 2023 wurden im Posthof Linz der Radiokabarettpreis "Salzburger Stier" vergeben. Ausgezeichnet wurden Malarina, Mathias Tretter und Dominic Deville. Josef Hader und Otto Lechner rollten den Preisträger:innen im Rahmen der Eröffnungs-Gala den roten Teppich aus. Moderiert wurden beide Abende von Gery Seidl.
7. Mai 2023, 00:05
Der renommierte Radio-Preis für deutschsprachiges Kabarett ist mit je 6.000 Euro dotiert und wird jährlich an je eine:n Kabarettist:in aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verliehen.
Gastgeber war Ö1 in Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Radiosendern von ARD, SRF und RAI Südtirol.
Malarina für Österreich
Der "Salzburger Stier 2023" für Österreich geht an Malarina, die im wirklichen Leben Marina Lacković heißt. Als Kabarettistin ist sie erst seit 2019 aktiv und begeistert ihr Publikum mit einem listigen wie pointenreichen Mix aus angewandter Völkerkunde, politischer Satire und komödiantischer Aufarbeitung des von Stolz und Vorurteilen geprägten Verhältnisses zwischen Österreich und Serbien. Geboren wurde Malarina in Picka Materina, einem kleinen serbischen Dorf, das ohne Autobahnanschluss auskommen musste. Zu Beginn der 1990er Jahre kamen ihre Eltern als Gastarbeiter nach Tirol. Malarina weiß heute als gelernte Tirolerin serbischer Herkunft das Repertoire altbekannter Klischees auf der Bühne treffsicher einzusetzen. Ihre Bühnenkarriere startete sie im Politically Correct Comedy Club der Queer Community in Wien, für Malarina die Hauptstadt der Misanthropie.
Malarina näherte sich dem komplexen österreichisch-serbischen Verhältnis u.a. kulinarisch an.
In ihrem ersten Solo "Serben sterben langsam", dessen Titel als Anspielung auf den Propaganda-Spruch "Serbien muss sterbien" aus dem Ersten Weltkrieg zu verstehen ist, verhandelt die Bühnenfigur die große europäische Geschichte aus serbischer Perspektive.
Zusätzlich bietet Malarina auch unterhaltsame Einblicke in Sitten und Gebräuche des Balkans und startet den ambitionierten Versuch, mit Kabarett zur Völkerverständigung beizutragen: und zwar zwischen den Schwabos, den Deutschsprachigen, den Tschuschen, den ursprünglichen Gastarbeitern aus Ex-Jugoslawien und den Elite-Tschuschen von heute. Eine perfekte austro-serbische Melange aus Zeitgeschichte und Klischees, aus klugem Witz und inspirierter Bühnenperformance; eine satirische Reise entlang der Balkanroute von Sarajewo nach Wien auf den Brunnenmarkt.
Mathias Tretter für Deutschland
Deutscher Preisträger des "Salzburger Stier 2023" ist der gebürtige Würzburger Mathias Tretter. Während seines Studiums verfasst er neben Seminararbeiten in Germanistik und Anglistik Kabarett-Nummern, die er in der Würzburger Comedy Lounge präsentiert. Nach seinem Uni-Abschluss nimmt die Kabarett-Karriere Fahrt auf: "Die Brille zur Macht", sein erstes Bühnenprogramm, betrachtet die Welt durch die Augen des renitenten Gefängnisbibliothekars Lorenz Lauer.
Der deutsche Preisträger Mathias Tretter wühlte in Kindheitserinnerungen.
Ein Jahr später konstatiert Mathias Tretter das „endgültige Scheitern der sozialen Integration“: Er ist nun Vollzeit-Kabarettist und mittlerweile als Wahl-Leipziger auch Vollzeit-Ostdeutscher. Zahlreiche Soloprogramme später – so sorgte er sich in „Staatsfeind Nr. 11“ um die politische Zukunft der Bundesrepublik, fürchtete in seinem vierten Solo „Mathias Tretter möchte nicht dein Freund sein!“ um unser aller Privatsphäre im Internet oder outet sich aktuell in „Sittenstrolch“ mit einer wohltuenden Portion Selbstironie als männlich, weiß, heterosexuell und Wurstesser, also als „absolut verkommenes Subjekt“ – gehört Tretter zu den etablierten Kräften auf deutschsprachigen Bühnen und zu den profiliertesten Satirikern des Digitalzeitalters.
In seinen Programmen geht es um die gleichermaßen demokratisierende wie verdummende Kraft des Internets, um den allgegenwärtigen Zwang zur Selbstoptimierung, um asoziale Netzwerke und bizarre Trends, um den Siegeszug des Populismus in Politik und Gesellschaft, um die Fallstricke der politischen Korrektheit und der Identitätspolitik. Dicke Bretter, die Tretter intelligent und verspielt zu bohren versteht, mit anarchischem Witz und einer atemberaubenden Pointen-Dichte, auf der Bühne, bei Fernsehauftritten und in Radio-Kolumnen.
Dominic Deville für die Schweiz
Der Anzug sitzt perfekt, ebenso wie die politischen Pointen: So kennt man Dominic Deville dank seiner sonntäglichen Late-Night-Show. Aber das ist ein „Devil in Disguise“: Denn auf den Kleinkunst- und Konzertbühnen ist Deville eine echte Rampensau. Ein Mann, der sich ins Publikum wirft, auch wenn dieses noch nie etwas von „Stage diving“ gehört hat; einer, der schon mal seine Gitarre auf der Bühne zertrümmert. 2016 startete er seine TV-Karriere als Late-Night-Entertainer. Heute, nach über 130 Sendungen „Deville“, hat sich der charmant unverschämte Kabarettist zur unverzichtbaren Stimme der Schweizer Politsatire gemacht.
Der Schweizer Preisträger Dominic Deville schlüpfte auf der Bühne des Linzer Posthofs in eine diabolische Rolle.
Dabei raste der Anarchist mit der unverkennbaren Stimme schon Jahre vor seiner Bildschirm-Bekanntheit wie ein Komet über die verschiedensten Bühnen. Ob als Mitglied der Punk-Band „Failed Teachers“, mit seinen wilden „Taro-Shows“ und „Vinyl-Hinrichtungen“, bei denen er auch gerne mal mit Kettensäge oder Flammenwerfer hantiert hat. Oder mit seinen Bühnen-Programmen „Kinderschreck“, „Bühnenschreck“ und aktuell „Pogo im Kindergarten“ (dem Programm zu seinem gleichnamigen Buch) – der gelernte Kindergärtner und Punkmusiker rockt und euphorisiert die Kleinkunstszene. Auch dann, wenn er als Moderator im Casinotheater Winterthur durch die Talentschau „Rampensau“ und im Theater Hechtplatz durch den „Bösen Montag“ führt und national noch kaum bekannte Musiker/innen und Künstler/innen präsentiert. Er macht das mit sicherem Händchen für Qualität und höheren Blödsinn.
Nun bewies die Schweizer Jury des Salzburger Stiers "Händchen" und zeichnete Dominic Deville mit dem "Salzburger Stier 2023" aus.
Ein Gala-Abend zum Auftakt
Den Beginn des Kabarettforums "Salzburger Stier 2023" bestritt am Freitag Josef Hader mit Auszügen aus seinem neuen Solo "Hader on Ice" und - der Dad Joke sei gestattet - Hadern aus der jahrzehntealten Liedkiste, die er gemeinsam mit dem Akkordeonisten Otto Lechner vortrug, der wiederum eine Prise "Dark Side of The Moon" einstreute. Die Preisverleihung findet am Samstag, den 6. Mai 2023 statt. An diesem Abend unterhalten die "Stier"-Preisträger/innen 2023 mit Auszügen aus ihren aktuellen Programmen. Moderiert werden beide Abende von Gery Seidl, dem österreichischen Stierpreisträger 2016.
Anzeige
Mit freundlicher Unterstützung der Oberösterreichischen Nachrichten und von Mural Harbor Gallery.