Eine der Schwestern, Anna, neben einem Arbeitspferd

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"Hörbilder" & Podcast

Die Geschichte der Ascher-Schwestern

Eine Spurensuche in der Wildschönau - "Hörbilder" in zwei Teilen und als Ö1 Podcast

Als ich im Spätsommer 2020 meine Familie in Tirol besuche, erzählt mir mein Vater zum ersten Mal von zwei weitschichtigen Verwandten: den Cousinen meiner verstorbenen Großmutter. Die beiden Schwestern haben relativ zurückgezogen auf einem Bergbauernhof in der Wildschönau gelebt. 1990 haben sie sich gemeinsam das Leben genommen und den Hof einem Tierschutzverein vermacht. Ich bin ziemlich perplex, als ich diese Geschichte höre, und viele Fragen schwirren mir durch den Kopf: Warum erfahre ich erst jetzt davon? Wie war wohl das Leben auf einem Bauernhof und in diesem Tal für zwei alleinstehende Frauen in den 1960er, 70er, 80er Jahren? Warum sind sie durch Suizid gestorben? Die Geschichte lässt mich nicht los.

Ein paar Monate später - im Frühjahr 2021 - schreibt die Ö1 Feature-Redaktion den Feature-Podcast-Preis "moving_audio" aus. Gesucht werden Konzepte für eine dokumentarische Serie mit durchgehender Handlung.

Mein Konzept stößt auf Gefallen

Ich bewerbe mich mit der Idee, aus der Spurensuche nach den zwei Schwestern einen Podcast zu machen. Inzwischen weiß ich auch, wie die Frauen geheißen haben: Anna und Midi. Ich habe mit Menschen aus der weiteren Nachbarschaft der beiden Kontakt aufgenommen. Und offenbar berührt die Lebensgeschichte der Schwestern gesellschaftlich relevante Themen: den Umgang mit psychischen Problemen auf dem Land, die großen Umbrüche in der Landwirtschaft, Frauengeschichte. Mein Konzept stößt auf Gefallen, und in den darauffolgenden Monaten werden sechs Podcast-Episoden entstehen: "Ferne Verwandte, Das Tal, Das Dorf, Der Bruder, Streit" und "Die Folgen".

Wenig überraschend wollen nicht alle aus der Umgebung der Schwestern mit mir sprechen, aber ich finde Menschen, die mir helfen, den Schwestern näherzukommen: Ein Bauernsohn, der selbst den elterlichen Hof verlassen hat, und Buchautor, der den Schwestern regelmäßig auf seinem Schulweg begegnet ist, schildert mir, wie fleißig die Frauen waren, aber auch, wie wenig sie am gesellschaftlichen Leben im Dorf teilgenommen haben. Zwei andere Nachbarinnen erzählen mir von der strengen Mutter, dem groben, aber auch lustigen Bruder der Schwestern und wie es mit der Landwirtschaft weitergegangen ist, nachdem der Bruder gestorben ist. Auch diverses Archivmaterial hilft mir, die Schwestern fassbar zu machen.

Die heikle Frage

Eine heikle Frage, mit der ich mich im Zuge der Recherche auch auseinandersetzen muss: Wie berichtet man eigentlich über Suizid? Es gibt ja die Gefahr von Nachahmungstaten - um das zu verhindern, sollte man beispielsweise Details zum Suizidort oder zur Methode nicht nennen. Auch sehr einfache Erklärungen für den Suizid sind problematisch. Ich entscheide mich außerdem dafür, in der Doku nicht nur die Geschichte der Schwestern nachzuzeichnen, sondern auch immer wieder die Perspektive zu wechseln, indem weitverbreitete Mythen über Suizid entkräftet werden oder Expert:innen für Suizidprävention das Gehörte einordnen. Denn gar nicht über Suizid zu berichten ist aus Expert:innen-Sicht auch nicht wünschenswert, weil so das Thema weiter tabuisiert wird.

Der Sound für Podcast und "Hörbilder" kommt von der Klangkünstlerin Lissie Rettenwander, die selbst nicht unweit der Wildschönau aufgewachsen ist. Sie wandelt zwischen Volksmusik, Noise und Neuer Musik. Für diese Radiodoku hat sie u. a. mit Stimme, Zither, Akkordeon, VOX-Miniverstärker, Tierrufen, Gitarren, Stimmgabeln und ihrem Meißelphon gearbeitet.

Gestaltung

  • Sarah Seekircher