ORF/JOSEPH SCHIMMER
Transparenz
Wer ist der Gary Lineker des ORF?
Namentliche Gehaltslisten und Kosten-Aufschlüsselungen für alle Produktionen: Wenn es nach dem Gesetzesentwurf der Regierung geht, gelten für den ORF künftig einige beachtliche Transparenz-Pflichten. Die juristischen Bedenken sind aber groß.
5. Juni 2023, 02:00
#doublecheck
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Bis zum 25. Mai ist das ORF-Gesetz noch in Begutachtung. Hunderte, vorwiegend kritische Stellungnahmen sind innerhalb weniger Tage eingegangen. Die Haushaltsabgabe, die ab nächstem Jahr die GIS-Gebühr ersetzt, emotionalisiert. Die Novelle von ÖVP und Grünen bringt aber auch eine bisher wenig beleuchtete Offensive in Sachen Transparenz. So will die Regierung, dass der ORF künftig für alle einsehbar in einem Jahresbericht offenlegt, wieviel er wofür ausgibt.
Dabei geht es nicht nur um Studien und Berater-Leistungen, sondern auch um die Kosten aller Eigen- und Auftrags-Produktionen - also für Unterhaltungsshows, Filme oder Info-Sendungen wie die "Zeit im Bild". Wie der Bericht genau aussehen könnte, ist noch offen. Der ORF will sich jedenfalls an existierenden Best-Practice-Beispielen orientieren.
Licht ins Dunkel der Produktionskosten
Bisher sind Medienjournalisten wie Harald Fidler von der Tageszeitung "Der Standard" jedenfalls im Dunkeln getappt. Fidler hat schon öfter recherchiert, wohin das Gebühren-Geld im ORF fließt. Das habe sich bisher schwer nachvollziehen lassen. Die jetzt angekündigte Transparenz ist für Fidler daher längst überfällig. Der ORF habe als Öffentlich-Rechtlicher die "Verantwortung, Rechenschaft darüber abzulegen, wofür das öffentliche Geld verwendet wird".
Namentliche Gehaltslisten auch für ORF
Für den "Voyeurismus", wie es der "Standard"-Journalist nennt, ist aber ein anderer Punkt um einiges brisanter. Denn geplant ist auch, dass künftig alle Jahreseinkommen über 170.000 Euro veröffentlicht werden – und zwar namentlich. Solche Gehaltslisten gibt es bei anderen Öffentlich-Rechtlichen in Europa schon länger. Die Regierung nennt explizit zwei Vorbilder. In Italien veröffentlicht die RAI alle Gagen über 200.000 Euro samt Namen und Lebenslauf. In Großbritannien macht es die BBC vor. Dort gilt - ähnlich wie jetzt für den ORF geplant – umgerechnet die 170.000-Euro-Grenze.
Deswegen weiß man auch, dass Ex-Fußballprofi und jetziger Sport-Moderator Gary Lineker, mit umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro Jahreslohn, der Top-Verdiener bei der BBC ist. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) ist in der Woche vor der Präsentation des neuen ORF-Gesetzes sogar extra noch London gereist, um sich das BBC-Modell genauer anzusehen.
Gehaltstransparenz wurde 2003 gekippt
Die juristischen Bedenken sind allerdings groß. Der ORF-Betriebsrat hat bereits angekündigt, gegen die Pläne vorzugehen. Argumentationshilfe kommt vom renommierten Medienrechtsexperten Hans Peter Lehofer. "Ich habe große Bedenken, ob das verfassungsrechtlich hält", sagt Lehofer. Es gebe dazu bereits Höchstgerichts-Entscheidungen. Ein Plan, Gehälter öffentlicher Einrichtungen namentlich offenzulegen, sei schon 2003 gescheitert. Das greife zu weit in das Privatleben der Betroffenen ein - und rechtfertige nicht das Ziel, sicherzustellen, dass öffentlichen Mittel sorgsam verwendet werden, hieß es damals sinngemäß.
Eine ORF-Regel müsste für alle gelten
Lehofer sieht im aktuellen Gesetzesentwurf auch keine neuen Argumente, warum das jetzt zulässig sein sollte. Er schließe aber nicht aus, dass der Verfassungsgerichtshof zu einer anderen Meinung kommen könnte. "Meine Einschätzung wäre, das ist einer der Aspekte, den man unbedingt im Gesetz haben will. Der wird schon drinnen bleiben, auch wenn man gegebenenfalls in Kauf nimmt, mal auszutesten, ob es hält." Wenn, sei es jedenfalls fraglich, ob eine solche Gehaltsoffenlegung nur für den ORF gelten könne – und nicht für alle öffentlichen Einrichtungen. Lehofer: "Wenn, dann wäre es ein Schritt zu mehr Transparenz."
Die überraschende Transparenz-Offensive der Koalition im ORF-Gesetz und wie damit Gehaltstransparenz im öffentlichen Bereich einen riesigen Schritt vorwärts macht. [thread]
— Martin Thür (@MartinThuer) May 1, 2023
RTR gibt nicht preis, was sie genau fördert
Auch bei den Förderungen, die private Medien bekommen, sieht es derzeit, was Transparenz angeht, nicht viel besser aus. Die RTR schüttet seit dem Vorjahr die sogenannte digitale Transformationsförderung aus, heuer sind das 20 Millionen Euro, insgesamt wurden bereits 70 Millionen aus diesem Topf vergeben. Eingereicht werden können verschiedene Projekte. Die Oe24-Gruppe von Wolfgang Fellner ließ sich in der ersten Runde etwa einen Newsletter finanzieren. Kostenpunkt: 300.000 Euro.
Auch Evaluierung der Projekte bleibt geheim
Details zu den Projekten werden nicht veröffentlicht. Kein Medienunternehmen will, dass Geschäftsgeheimnisse verraten werden, wenn man etwa eine wirklich innovative Idee einreicht. Die RTR will aber nicht einmal im Nachhinein etwas transparent machen, es wird eine Evaluierung geben, aber die soll nach #doublecheck Informationen nicht veröffentlicht werden. Hans Peter Lehofer schlägt hier vor, eine Bestimmung in die Richtlinien zu nehmen, wonach solche Förderungen nur jene bekommen, die einer Offenlegung von Anfang an zustimmen.
Service
BBC Annual Report mit Gehaltsangaben
Transparenz-Seite der RAI