Sarah Vaughan

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Ö1 Schwerpunkt

Sarah Vaughan wäre 100

Die Strahlkraft der "Göttlichen" - Zum 100. Geburtstag der vielseitigen Sängerin.

"The Divine One", "die Göttliche" - der Beiname, den die US-amerikanische Sängerin Sarah Vaughan seit den 1940er Jahren trug, hätte treffender nicht sein können. Mit ihrer außergewöhnlich wandlungsfähigen Stimme, einer Mischung aus Sopran, Kontra-Alt und Koloraturgesang, besaß sie schier unbegrenzte musikalische Möglichkeiten, die ihr einen Platz im Olymp der Jazzvokalistinnen sicherten.

Bestaunt wurde, wie kontrolliert sie Melodiebögen ausdehnte und modifizierte. Ihr Stimmumfang von mehr als drei Oktaven ermöglichte das "Swooping"-Glissando, ein stufenloses Hinabgleiten ihrer Stimme in die tiefsten Lagen, das einen musikalischen Ausdruck zwischen erwartungsvoll hochfliegend und nachdenklich sehnsuchtsvoll erzeugte und zu ihrem Markenzeichen wurde.

Ausbildung zur Opernsängerin war zu teuer

Sarah Lois Vaughan, geboren am 27. März 1924, nahm zwischen 1944 und 1987 insgesamt 60 Alben auf. Ihre Musikalität war an afroamerikanischer Gospeltradition geschult, die sie durch ihren tiefreligiösen Vater und als Organistin der Mount Zion Baptist Church in New Jersey kennenlernte. Den ursprünglichen Berufswunsch Opernsängerin musste sie aufgeben, weil die dafür nötige Stimm- und Sprachausbildung für die Familie unerschwinglich war.

Ihr Interesse an der populären Musik jener Zeit führte sie zum Talentwettbewerb in Harlem, wo sie die Konkurrenz in den Schatten stellte und 1942 den Hauptpreis von zehn Dollar holte. Vom Gospelchor ging es dann für die 18-Jährige über die Band von Earl Hines, dem experimentellsten Orchester der damaligen Zeit, in die Jazz-Clubs, wo sie im Umfeld der Bebop-Musiker lernte, sich wie eine Musikerin im Kreis der Instrumentalisten zu behaupten. Ihre Bühnenpräsenz betörte Publikum und Kritik gleichermaßen, von 1947 bis 1953 folgten Jazzpreise von Fachmagazinen wie "Esquire, Down Beat" und "Metronome Magazine".

Sarah Vaughan, 1972

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Sarah Vaughan, 1972

Sprach im Weißen Haus über Rassismus

Während der 1950er Jahre sang sie für EmArcy Records Jazzalben ein, die bis heute als essenzielle Aufnahmen gefeiert werden, beispielsweise Sarah Vaughan with Clifford Brown aus dem Jahr 1954, ein erster Höhepunkt in der künstlerischen Laufbahn der Sängerin. Gleichzeitig nahm sie von Quincy Jones produzierte Popsongs für Mercury Records auf: Ihre größten Hitparaden-Erfolge hatte sie mit "Make Yourself Comfortable" und "Whatever Lola Wants", 1959 wurde die Single "Broken Hearted Melody" zum internationalen Erfolg und zur meistverkauften Aufnahme ihrer Karriere.

Als Unterstützerin der Demokratischen Partei nahm Vaughan häufig Einladungen in das Weiße Haus an und sprach immer wieder über ihre Erfahrungen mit Rassismus. Unermüdlich absolvierte sie Star-Auftritte bei Festivals und Welttourneen, auf denen sie sich zwischen den Konzerten mit Näharbeiten entspannte. Die gefühlvollen, intensiven Darbietungen versetzten ihren Bewunderer Frank Sinatra, der Vaughans zweiten Spitznamen "Sassy" benutzte, in melodramatische Verzückung: "Sobald ich sie singen höre, will ich mir die Adern mit einer stumpfen Rasierklinge öffnen, und dann soll 'Sassy' mich in den Tod singen."

Mochte und sang jede Art von Musik

Es war ihr wichtig zu betonen, dass sie jede Art von Musik mochte und sang, von anspruchsvollen Ellington-Kompositionen über Gershwin-Songs bis zu Beatles-Hits, eine flexible Stimme machte es möglich. Ihr lakonischer Kommentar: "Ich habe viele Probleme mit dem Singen, aber ich weiß immer, wie ich mich wieder herausrette."

Im Alter von 66 Jahren verstarb Sarah Vaughan am 3. April 1990 in einem Vorort in Los Angeles. Ein Jahr vor ihrem Tod wirkte sie, gemeinsam mit Ella Fitzgerald, noch auf Quincy Jones’ Album "Back on the Block" mit, für beide Sängerinnen waren es die letzten Studioaufnahmen. Vaughan hat darauf, eingebettet in zeitgeistige Beats, inmitten eines Starensembles kurze Gastauftritte - manchmal nur wenige Takte, in denen dennoch die zeitlose Magie ihrer Stimme durchschimmert. Ihr unvergleichliches Timbre, das von robust zu zärtlich reicht, bleibt Inbegriff zeitloser Eleganz.

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