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Starke Marke, schwache Positionierung
Der "Kurier" als Zeitung der Mitte
Die Krise der Zeitungen hat auch Namen - zum Beispiel "Kurier". Das Blatt versucht gerade, sich wieder einmal neu zu positionieren, begonnen hat das mit einem Personal-Abbau in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Oft wurde der "Kurier" schon totgesagt, aber er habe immer noch Potenzial, sagt der Medienexperte Peter Plaikner, der der Zeitung freilich auch einen existenziell bedrohlichen Schlingerkurs bescheinigt. Liberal, konservativ oder einfach nur bunt? Die neue Führung will den "Kurier" jetzt als Zeitung der Mitte positionieren.
5. Mai 2024, 02:00
Dönerwetter! Mit diesem Wortspiel hat der "Kurier" die Geschichte über den 6:1 Kantersieg der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Türkei übertitelt. So pfiffig wie dieser Titel sollte die ganze Zeitung sein, "abwechslungsreich und leicht zu lesen", sagt der neue Chefredakteur Martin Gebhart. Doch der Weg aus der Krise zieht sich.
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Und er hat mit einem Donnerwetter begonnen. 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Kündigung angemeldet, nachdem schon im Vorjahr 20 gehen mussten. Ein gewaltiger Aderlass, der wehtut - den Betroffenen und den Verbliebenen in der Redaktion. Das räumt auch Geschäftsführer Richard Grasl ein. Immerhin habe man am Ende gar niemanden kündigen müssen, sagt Grasl. 30 Leute seien einvernehmlich mit Sozialplan gegangen, zehn weitere Stellen werden nicht nachbesetzt. "Und der Kurier hat mit rund 150 Redakteuren noch immer eine der größten Redaktionen des Landes, man findet nicht leere Gänge und leere Schreibtische vor."
Harter Schnitt, aber immer noch große Redaktion
Mit 135 Vollzeit-Äquivalenten spielt der "Kurier" nicht ganz, aber fast in der Liga des "Standard", der trotz Kündigungen eine für österreichische Verhältnisse riesige Redaktion unterhält. 180 Köpfe, 165 sind es in Vollzeit umgerechnet. Am "Standard" und an der "Presse", den Qualitätsblättern, will sich der "Kurier" immer schon orientieren, aber auch ein bisschen am Boulevard. Und das ist der Kern der Krise, die das Blatt zu meistern versucht. Der Branchenkenner Peter Plaikner: "Das hat zu einem gewissen Schlingerkurs in der Qualitäts-Anmutung geführt, und das hat sich letztlich auch in der Treue der Abonnentinnen und Abonnenten niedergeschlagen."
Richard Grasl benennt dieses Problem auch: "Der Kurier steht ein bisschen für alles. Wir sind nicht wirklich boulevardesk, wir haben auch nicht den Qualitätsanspruch, wie es andere Zeitungen haben. Sondern wir sind in der Mitte. Und diese Mitte könnte man sagen, dass die als fad angesehen wird. Und ich glaube, dass die Mitte wieder eine Chance hat." Ein verfänglicher Punkt. Wir sind die Mitte - das ist im laufenden Wahljahr der Slogan die ÖVP, die die SPÖ als linksextrem und die FPÖ als rechtsextrem zu framen versucht. Grasl wiegelt ab, das dürfe man nicht politisch sehen.
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Martin Gebhart
Die verfängliche Positionierung im Wahljahr
Chefredakteur Martin Gebhart weiß natürlich, dass er sich da auf heiklem Terrain befindet. Wird doch dem "Kurier", dessen Mehrheitseigentümer Raiffeisen ist, ohnehin eine ÖVP-Schlagseite vorgeworfen. "Sicher ist es verfänglich. Aber das ist ja für uns nur ein interner Arbeitsauftrag. Also wir werben ja nicht damit. Wir gehen nicht damit nach außen." Die Mitte wird also nicht der neue "Kurier"-Slogan? "Nein, auf keinen Fall der Slogan. Aber es ist schon ein bisschen eine Abgrenzung zu extremen Rändern."
Da ist er wieder, der Hauch der Kanzlerpartei. Gebhart ist ein bekennender Konservativer. Er sagt das auch klar, wenn man ihn fragt, wem er nähersteht - seiner Vorgängerin Martina Salomon, die jetzt Herausgeberin des "Kurier" ist, oder deren Vorgänger Helmut Brandstätter, der jetzt als Liberaler für die NEOS kandidiert: "Da ordne ich mich eher auf der Seite von Martina Salomon ein. Vielleicht nicht so prononciert wie sie." Nicht so prononciert konservativ, ist gemeint.
"Rein konservativ ist nicht das Markenzeichen"
Salomon trägt das auch in ihren Leitartikeln vor sich her, so wie der stellvertretende Innenpolitik-Chef Rudolf Mitlöhner. Doch die beiden seien nicht der "Kurier", sagt Martin Gebhart: "Die rein konservative Seite ist nicht das Markenzeichen. Das Markenzeichen des Kurier soll eher sein, dass auf allen Ebenen versucht wird, immer beide Seiten zu hören. Und dass man sich da wirklich ein bisschen neutraler positioniert."
Für Peter Plaikner zeigt sich in diesem Positionierungsversuch das ganze Dilemma. Nicht der betont konservative Kurs unter Salomon sei das Problem der Zeitung, damit könne man nämlich auch Erfolg haben, wie Beispiele etwa in den USA zeigten. "Es war nur ein weiteres Beispiel für den Schlingerkurs des Kurier, denn Martina Salomon ist ja auf Helmut Brandstätter gefolgt, der geradezu einen gegenteiligen Kurs innerhalb des Kurier-Spektrums gefahren ist, nämlich doch pointiert liberal." Und dann komme es natürlich immer zu einer Art Publikumsaustausch, mitunter mit starken Verlusten.
Mit Schlingerkurs zu schmerzhaften Verlusten
Die Verluste sind schmerzhaft. Hatte der "Kurier" in den Nuller Jahren noch um die 12 Prozent Reichweite, so sind es laut Media-Analyse jetzt 5,4 Prozent. Eine Entwicklung, die etwa bei der "Kronen Zeitung" auf höherem Niveau ähnlich dramatisch verlaufen ist, aber beim "Kurier" kommt eine Besonderheit dazu: Er habe die bundesweite Relevanz verloren, sagt Peter Plaikner. Das zeige der Vergleich mit der "Kleinen Zeitung", mit der sich der "Kurier" lange um Platz zwei unter den Kaufzeitungen gematcht hat.
Die "Kleine" sei in diesem Zeitraum nur von 12 auf 8 Prozent gefallen, und da liege auch eine Ursache für die Krise des "Kurier", so Plaikner: "Dass er früher in nahezu allen Bundesländern zumindest die Drittzeitung war." Hinter den lokalen Platzhirschen und der "Krone" nämlich. Heute sei der "Kurier" eine "Regional-Zeitung Ost und nicht viel mehr", sagt der Medienberater. Tatsächlich ist die Reichweite nur noch in Wien, Niederösterreich und Burgenland bei mehr als neun Prozent, überall sonst zum Teil deutlich unter drei.
Grasl: Können "Kurier" jetzt viele Jahre stabil halten
Die Digital-Abos können das bisher nicht wettmachen, obwohl der "Kurier" hier nicht schlecht unterwegs ist und laut Web-Analyse ÖWA im vorderen Feld mit ORF, "Kronen Zeitung", "Heute" und "Standard" mitspielt. Im Vorjahr gab es eine kleine Delle, die man aber mit Mess-Schwierigkeiten der ÖWA erklärt. Geschäftsführer Richard Grasl sieht die Entwicklung nüchtern: Die Print-Auflage werde weiter sinken, digital werde das noch nicht aufgewogen, aber der Kostendruck sinke durch diese Entwicklung ja auch. "Ich muss die Zeitung nicht drucken, ich brauch kein Papier dafür. Ich brauche niemanden, der sie ausführt."
Mit dem harten Schnitt beim Personal habe man jetzt die Grundlage geschaffen, mit dem "Kurier" durchzustarten, sagt Grasl: "Man kann nie wissen, wie die nächsten Jahre werden. Aber ich bin der Meinung, wenn wir sozusagen von den jetzigen Trends und vom jetzigen Status quo ausgehen, dann können wir den Kurier über viele, viele Jahre sehr stabil halten und in die Zukunft auch investieren."
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Die starke Marke neu aufladen, aber wie?
So oft Totgesagte wie der "Kurier" leben länger, dafür hat Experte Peter Plaikner auch eine Erklärung. Die digitale Transformation sei im Laufen, die verkaufte und verbreitete Papier-Auflage sei immer noch weit größer als die von "Standard" und "Presse", beide liegen um die 60.000 Stück. Der "Kurier" verkauft unter der Woche im Schnitt 103.000 Exemplare. Und nicht zu vergessen, so Plaikner: Der "Kurier" sei quasi eine Institution. "Das Wichtigste ist wohl, die immer noch sehr starke Marke Kurier möglichst geschickt in der digitalen Transformation zu begleiten."
Genau das haben die Verantwortlichen vor. Im Herbst wird 70 Jahre "Kurier" gefeiert, bis dahin soll die Marke neu aufgeladen sein. Chefredakteur Martin Gebhart über ein Feedback aus dem laufenden Strategieprozess: "So wie es vor kurzem ein Werber bei einer Sitzung gesagt hat: Er liest den Kurier sehr gerne, aber vom Werblichen her weiß er nicht genau, wo die Richtung ist - genau daran arbeiten wir." Und an der Neuaufstellung der Redaktion.
Politik, Wirtschaft und investigative Recherchen
Auch der "Kurier" will Investigativ-Kompetenz auf- und ausbauen, es solle eigene Recherche-Teams geben, sagt Gebhart. Man sei jedenfalls nicht mit dem Rasenmäher drübergefahren, ergänzt Geschäftsführer Richard Grasl. "Wir haben zum Beispiel in den Bereichen Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft gar keine Mitarbeiter abgebaut. Wir haben den Newsdesk verstärkt, weil natürlich die digitale Zukunft für uns eine ganz besonders wichtige ist. Und wir haben in den Produktionsbereichen gespart. Da kann uns die Technik, die IT, die künstliche Intelligenz vieles abnehmen, was die Gestaltung der Zeitung betrifft."
Den Journalismus muss die Redaktion unter härteren Bedingungen weiterhin selber machen. Wie gut das gelingt, wird darüber entscheiden, ob am Ende Döner-Wetter lacht - oder ob sich dann ein noch größeres Donnerwetter entlädt.
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