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AP/KIICHIRO SATO

Social Media im Wahlkampf

Wie unsere Politik auf TikTok tickt

Immer mehr Politikerinnen und Politiker in Österreich sind auf der Videoplattform "TikTok" aktiv. Ihr Ziel ist klar: Junge Menschen erreichen und ansprechen. Die Plattform wird auch für die Mobilisierung junger Menschen im Wahlkampf wichtig, glauben Experten. #doublecheck hat sich die Accounts der Politikerinnen und Politiker angeschaut.

Von der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer über ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bis zu NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Sie alle sind mittlerweile auf TikTok und posten dort Videos. Erst langsam setzt sich die Plattform auch in der österreichischen Politik durch. 63 der 183 Nationalratsabgeordneten haben bereits einen Account, 41 posten auch aktiv Videos. In der Regierung steht es 50:50: Sechs Ministerinnen und Minister posten regelmäßig, ein Minister hat sich zumindest einen Account gesichert, der Rest ist noch nicht auf TikTok.

Die größten Accounts nach Followern:

Politiker und Politikerinnen |Anzahl Follower |Anzahl Videos
Herbert Kickl, FPÖ61.491212
Yannick Shetty, NEOS49.239763
Julia Herr, SPÖ12.21047
Norbert Hofer, FPÖ8.73590
Michael Schnedlitz, FPÖ6.19759

Die Freiheitlichen haben auf Social Media klar die Nase vorne, wie auch andere rechte Parteien auf TikTok. Schon im Dezember 2020 hat die Partei einen TikTok-Account gestartet, FPÖ-Chef Herbert Kickl hat mit 61.000 Followern klar den größten Account. Auf seinem Account finden sich allerdings nur eine Handvoll direkte Ansprachen an seine Follower. Wie auch die bei den meisten anderen FPÖ-Accounts werden dort vor allem Ausschnitte aus dem Parlament und Ausschnitte von FPÖ TV geteilt.

Von Persönlichem bis zu Parlamentsreden

Bei der SPÖ hat die stellvertretende Klubvorsitzende Julia Herr die meisten Follower. Auch sie setzt auf Ausschnitte aus ihren Parlamentsreden. Das funktioniere gut, in Kombination mit Reaktionen auf die Kommentare würden sich damit auch viele Sachthemen erklären lassen, meint Herr. Spitzenreiter bei den NEOS ist der Abgeordnete Yannick Shetty. Er setzt auf bunte Themen, vom Bundesheer bis zu LGBTQ+, und hat mittlerweile knapp 50.000 Follower. Eine Strategie könne er von seinem Account aber nicht ableiten, wichtig sei authentisch zu sein, eine Art Message Control auf Social Media funktioniere nicht und werde auch vom Algorithmus schnell erkannt, glaubt Shetty.

Screenshot, Sigi Maurer

SCREENSHOT TikTok

Vom Business-Anzug bis zum Bademantel

Auch die Regierungsparteien unterscheiden sich in ihren TikTok-Auftritten stark. Alle Grünen Regierungsmitglieder sind mittlerweile auf TikTok, und versuchen dort virale Trends mitzumachen. Durchaus auch mit Selbstironie, wie Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Johannes Rauch gerne zeigen – der hielt etwa in einem Video fest "Ich bin Boomer und deshalb bin ich zu spät dran für diesen Trend".

Die Grüne Klubobfrau Sigi Maurer ist seit zwei Monaten auf TikTok, und postet dort auch mal Videos beim Schminken, Kochen oder im Bademantel. Sie versuche damit "relatable Content" zu schaffen, sie könne und wolle nicht immer nur im Hosenanzug kommunizieren, so Maurer. Damit wolle sie auch die Lebenswelten von jungen Menschen besser abbilden – und dieser lockere Umgang liege ihr auch.

Screenshot, Karl Nehammer

SCREENSHOT TikTok

Nehammer stellt Fragen und macht keine Tänze

Viele Anzugbilder gibt es dagegen bei Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP. Er setzt auf einen sehr staatsmännischen Account, auf Maßnahmen der Regierung und auf den Österreichplan der Volkspartei. Immer wieder beantwortet er aber auch Fragen von Followern. "Wie sind Sie dazu gekommen Bundeskanzler zu werden?" will ein User wissen. "Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort", schmunzelt Nehammer da.

Die Ausgangslage als Bundeskanzler ist nicht einfach, sagt auch Experte Markus Zimmer von der Social Media Agentur Buzzvalue. Nehammer sei bemüht, aber etwas zögerlich – und trete dabei auch immer wieder mal in Fettnäpfchen, wie etwa rund um den "Bist du noch normal?"-Sager. Vorreiterin in der Volkspartei war Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Sie setzt auch auf private Einblicke, etwa wenn sie sich bei den Vorbereitungen auf den Opernball zeigt, oder wenn sie den "Dönerstag" beim Döner-Essen ausruft.

Die Parteiaccounts:

Partei |Anzahl Follower |Anzahl Videos |auf TikTok seit
ÖVP3.926106Juli 2023
Grüne2.641248März 2023
SPÖ15.782218Februar 2022
FPÖ43.802307Dezember 2022
NEOS20.260561September 2022

Es braucht einen guten Mix, glaubt Journalistin und TikTokerin Alena Wacenovsky vom Online-Medium "Die Chefredaktion". Denn: "Viele Leute glauben, dass auf TikTok nur Tänze gemacht werden. Es ist aber ein Ort, an dem sehr viel politischer Diskurs stattfindet." Damit brauche ein guter Account Inhalte, aber auch den persönlichen Bezug.

TikTok als "der Fernseher" der neuen Generation

Generell sei es wichtig, dass Politikerinnen und Politiker auf den großen Social-Media-Plattformen vertreten sind, sagt Jugendforscher Kilian Hampel. Und er ist überzeugt: Jugendliche wollen auf diesen Plattformen auch politische Inhalte - und nicht allein gelassen werden. Das zeige auch die Jugendstudie in Deutschland klar: Über 60 Prozent der Jugendlichen haben dort angegeben, dass sie sich auf Social Media über politische Inhalte informieren. Die Plattformen seien damit "der Fernseher" der neuen Generation, sagt Hampel.

Auch für die kommenden Wahlen werden Social Media und auch TikTok wichtig, gerade wenn es um die Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern geht, bekräftigt auch Markus Zimmer von Buzz Value. Derzeit sei auf den sozialen Plattformen noch wenig davon zu spüren, es herrsche "die Ruhe vor dem Sturm". Im Spätsommer werde der Wahlkampf aber auch auf Social Media deutlich zu spüren sein, schätzt er.

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