Albanische Botschaft in Tirana 1990

Lothar Parzeller

Podcast

Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an den Mauerfall denken? Das Jahr 1989 vermutlich, als in der Nacht vom 9. November auf den 10. November tausende Berlinerinnen und Berliner in den Westen strömten. Oder noch früher, am 27. Juli, als der österreichische Außenminister Alois Mock den Eisernen Vorhang an der ungarischen Grenze mit einer Drahtschere durchtrennte. Kaum jemand denkt an das Bild, mit dem die Podcast-Serie „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ der österreichischen Journalistin Franziska Tschinderle und der deutschen Journalistin Anja Troelenberg beginnt.

Albanien ist im Juli 1990 die letzte stalinistische Diktatur Europas, die Menschen leben völlig abgeschottet von der Außenwelt. Aber dann, am Abend des 2. Juli 1990, bekommt dieses abgeriegelte System Risse. Ein LKW kracht plötzlich gegen die Mauer der bundesdeutschen Botschaft im Zentrum von Tirana. Durch das Loch in der Mauer strömen Menschen. Jahrzehntelang waren sie eingesperrt gewesen. Jetzt hat sich ein Fenster aufgetan.

Eine neue Serie erzählt, wie der letzte kommunistische Staat Europas die Freiheit erlangte.

Auch nach dem Fall der Berliner Mauer blieb Albanien weiter isoliert, vergleichbar mit Nordkorea heute. Bis Anfang der 1990er Jahre standen hier Stalin-Statuen. Nur wenige Privilegierte durften das Land verlassen. Wer es trotzdem versuchte, riskierte, erschossen oder jahrelang inhaftiert zu werden.

Doch im Sommer 1990 gibt es leichte Lockerungen, die rund drei Millionen Bürgerinnen und Bürger der sozialistischen Volksrepublik dürfen sogar die Fußballweltmeisterschaft im Fernsehen verfolgen. Und Deutschland - damals kurz vor der Wiedervereinigung - ist dabei, Weltmeister zu werden.

  • Der LKW kurz nach Durchbrechen der Botschaftsmauer

    Der LKW kurz nach Durchbrechen der Botschaftsmauer

    Lothar Parzeller

  • Lothar Parzeller vor dem Tor der deutschen Botschaft in Tirana

    Lothar Parzeller, damals ein junger Polizist, vor dem Tor der Botschaft

    privat

  • Der Brunnen im Innenhof der deutschen Botschaft

    Der Brunnen im Innenhof der deutschen Botschaft

    Lothar Parzeller

|

Politthriller am Ende des Kalten Krieges

Die Nachricht von dem Loch in der deutschen Botschaft verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Immer mehr Menschen klettern über die Mauer, um politisches Asyl zu beantragen. Auf einer Fläche von rund 3.500 Quadratmetern drängen sich bald mehr als 3.000 Menschen, darunter auch Kinder. Das kommunistische Regime dreht ihnen kurzerhand das Wasser ab. Es gibt nicht genug zu essen, Krankheiten drohen, sich auszubreiten. In der Nacht ist es kalt im Garten, am Tag steigen die Temperaturen auf über dreißig Grad. Eine Frau bringt ihr Kind zur Welt - ohne Ärztin oder Hebamme.

Die Serie „Die Botschaft“ dokumentiert in fünf Teilen, was sich damals im Garten zugetragen hat und welche Rolle deutsche Diplomaten beim Sturz des letzten kommunistischen Regimes Europas spielten.

Intensive Recherchen

Die Autorinnen Tschinderle und Troelenberg haben ein Jahr lang recherchiert, um die Geschichte der Botschaftsbesetzung zu erzählen. Aus nächster Nähe. Beide leben seit Jahren in Albanien. Sie haben den LKW-Fahrer gefunden, der damals gegen die Mauer krachte. Sie reisen nach Berlin, um die Akten des Auswärtigen Amtes einzusehen. Und nach Rom, um einen jungen deutschen Polizisten zu interviewen, der die Ereignisse mit seiner analogen Kamera dokumentierte. Sie recherchieren den tragischen Tod eines 17-Jährigen, der auf der Flucht vom Geheimdienst getötet wurde.

Die Podcast-Serie „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ ist ein Politthriller am Ende des Kalten Krieges. Er erzählt, wie das Leben hunderter Menschen eine neue Wendung nimmt, weil eine Handvoll westlicher Diplomaten den Mut hatte, für sie einzustehen.

Service

Der Podcast „Die Botschaft. Europas letzter Mauerfall“ ist ab 4. November zu hören - auf ORF SOUND, in der Deutschlandfunk App und überall, wo es Podcasts gibt. Die 5-teilige Serie wird auch im „Radiokolleg“ vom 4. bis 7. November und in den „Hörbildern“ am 9. November ausgestrahlt, jeweils um 9:05 Uhr.

Ko-Produktion Deutschlandfunk/ORF 2024
Gestaltung: Franziska Tschinderle und Anja Troelenberg
Redaktion Deutschlandfunk: Christiane Habermalz
Regie: Roman Ruthard
Redaktion ORF: Ina Zwerger, Monika Kalcsics

Text: Franziska Tschinderle, Anja Troelenberg