Human Methods

Nikolaus Ostermann

Sound Art: Zeit-Ton

"Humane Methods" von Fronte Vacuo

Der Jahreswechsel ist die Zeit der Rückschau. In unserem Jahresrückblick, der sich auch heuer wieder über den gesamten Jänner erstrecken wird, gibt es Gespräche, Konzertmitschnitte und Sendungen zu hören, die der Redaktion besonders in Erinnerung geblieben sind. Den Auftakt macht Susanna Niedermayr mit "Humane Methods" der Künstlergruppe Fronte Vacuo, die in den Spielzeiten 2022/23 und 2023/24 Artist in Residence des Wiener Volkstheaters war.

Gegründet haben die transdisziplinäre Künstlergruppe Fronte Vacuo im Grenzbereich von Tanztheater, Bio Art, interaktive Musik und Video- und Lichtkunst Marco Donnarumma, Margherita Pevere und Andrea Familari. Wir leben heute in harten Zeiten, konstatieren die Drei, und das hat mit der Verknüpfung dreier Elemente zu tun: mit soziopolitischer Polarisierung, mit Umweltzerstörung und mit algorithmischen Megastrukturen. Diese drei Elemente seien in vielerlei Hinsicht voneinander abhängig und erzeugen durch ihre Wechselwirkungen neue Formen der Gewalt gegen Lebewesen. Es handle sich um eine Art neues, dysfunktionales Ökosystem, das Fronte Vacuo mit ihrer "Humane Methods" Saga auf poetische Art und Weise erfahrbar machen möchten.

Leben nach der Katastrophe

"Sie erleben eine Welt, in der sich eine massive brutale Katastrophe ereignet hat. Diese liegt bereits Jahrhunderte zurück", schildert Marco Donnarumma. "Alles ist kaputt. Es gibt Gemeinschaften, Hierarchien und Beziehungen, aber alles ist sehr roh, sowohl die Materialien, als auch die Art, wie die Menschen miteinander umgehen. Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Welt können sich an die Katastrophe nicht mehr erinnern, sie liegt zu weit zurück. Sie leben mit dem, was sie haben. Das Publikum erlebt in ‚Humane Methods‘ also eine Gesellschaft, die versucht sich zu rekonstruieren."

Human Methods - The Deer

Nikolaus Ostermann

Mitfühlend töten

"Humane Methods", der Name dieser neu erschaffenen Welt, verweist auf ein Gesetz, das 1978 in den USA erlassen wurde, um sogenannten Nutztieren einen, wie es wortwörtlich heißt, "humanen Tod" zu garantieren. "Dieses Gesetz basiert also auf der Idee, dass man Tiere auf eine humane und mitfühlende Art töten kann", so Marco Donnarumma. "Mitfühlend töten? Das ist natürlich paradox und, ja, verrückt, wenn man an die Massentierhaltung und an diese riesigen Schlachthäuser denkt, wo derartige Gesetze dann ihre Anwendung finden. Das macht nicht wirklich Sinn! Und es findet sich hier eine Parallele zur kapitalistischen Verwertungslogik. Gemäß dieser ist die Ausbeutung alles Lebendigen auf dieser Welt in Ordnung, solange sie eben human ist."

Fortsetzungsgeschichte in mehreren Teilen

Wir durften in den vergangenen zwei Jahren unter anderem das Orakel besuchen, in das Herz der Energieversorgung eindringen, den Schlüsselmeister dabei beobachten, wie er über Leben und Tod entscheidet, sehen wie die Vergangenheit in die Zukunft strahlt und auf immer wieder neue Art erleben, wie wir mit unserem Tun den Fortlauf der Geschichte unmittelbar beeinflussen und trotzdem nicht Teil von ihr zu sein scheinen.

Human Methods - The Hunt

Marcel Urlaub

"Tragedia. The Hunt"

Im Zentrum der fünften Episode "Tragedia. The Hunt" der Saga "Humane Methods” im Rahmen von Fronte Vacuos Künstlerresidenz am Wiener Volkstheater steht die idiologische Polarisierung.

In einem begleitenden Text zu der Episode "Exhale" aus der "Humane Methods" Saga schreibt Fronte Vacuo: "Woher wissen Sie, was Sie wissen? Ihr Wissen basiert auf Ihrem Standpunkt, aber Ihr Standpunkt ist subjektiv. Was Sie sehen, kann nie die ganze Geschichte sein und "Exhale" wird Ihnen genau das beweisen. Setzen Sie sich in diese verfallenen Gewächshäuser und entdecken Sie ein Labyrinth der Perspektiven, der halb gesehenen Ereignisse und der ungesehenen Reaktionen. An diesem Ort, an dem man keine allumfassende Perspektive einnehmen kann, müssen alternative Formen von Empathie und Wissen geschaffen werden."

Im Zeichen der Empathie

Empathie ist ein Schlüsselbegriff, denn genau an dieser würde es in Zeiten der soziopolitischen Polarisierung fehlen, führt Margherita Pevere aus. "Empathie kann ein wichtiger Baustein in einer Beziehung sein, um zu verstehen, welche Bedürfnisse der Andere hat und wo er verletzlich ist. Wenn die Menschen empathischer wären, dann würde das ihren Beziehungen eine ganz andere Basis verleihen, eine Basis, die vielleicht den Bedürfnissen aller involvierten Parteien gerecht werden könnte. Natürlich verläuft in der Welt von "Humane Methods" nichts derart linear, aber in all den verschiedenen Episoden, werden dem Publikum Situationen angeboten, in denen es sich die Frage stellen kann: Was passiert nun als nächstes und was kann ich tun, um das Leiden zu lindern?"

Und Marco Donnarumma ergänzt: "Ich glaube, dass "Humane Methods" eine gute Arbeit dabei leistet, die Besucherinnen und Besucher an einen Ort zu bringen, an dem sie sich manchmal ein bisschen unsicher fühlen, vielleicht auch verletzlich. Mitunter verstehen sie nicht was vor sich geht, auch das lässt ein Gefühl der Ungewissheit entstehen und genau in diesen Momenten ist es umso wichtiger, empathisch zu sein."

Gestaltung