
PICTUREDESK.COM/HERMINE GRÖGL
80 Jahre Zweite Republik
Zwischen Trümmern und Neubeginn
Der Zweite Weltkrieg ist erst 80 Jahre her. Viele Menschen, die rund um das Jahr 1945 Babys oder Kinder waren, haben selbst kaum oder wenige Erinnerungen an die schwierige Zeit nach dem Krieg. Doch alle sind aufgewachsen mit oftmals traumatischen Erfahrungen ihrer Eltern und Großeltern. Vieles wurde lange totgeschwiegen und gleichzeitig doch über Generationen weitergegeben.
13. Juni 2025, 09:27
Wie Menschen sich an ihre Vergangenheit erinnern, ihre Erinnerungen weitergeben und damit eine gemeinsame Identität formen, ist ein dynamischer Prozess.
Ö1 lädt dazu ein, diesen Erfahrungsschatz, der in jeder Familiengeschichte steckt, zu bergen und zu teilen.
Sie können auf dieser Erinnerungsplattform kurze Videos, Audios, Texte und Bilder hochladen und dazu beitragen, dass sich das kollektive Gedächtnis über diese Zeit erweitert.

APA/Heeresgeschichtl.Museum/HT
Ö1 Schwerpunkt
anlässlich der Gründung der Zweiten Republik vor 80 Jahren, am 27. April 1945

ÖNB/CROY
Ö1 Archiv
Sie können auf dieser Erinnerungsplattform kurze Videos, Audios, Texte und Bilder hochladen und dazu beitragen, dass sich das kollektive Gedächtnis über diese Zeit erweitert.
Mehr als 200 Anrufe von Hörerinnen und Hörern haben uns an insgesamt 7 Vormittagen im März und April erreicht. Sie alle haben uns ihre Familiengeschichten erzählt und damit das Alltagswissen über die Zeit zwischen 1945 und 1955 mit uns geteilt. Viele haben ihre Erinnerungen aufgeschrieben oder auch Urkunden, Dokumente und Fotos direkt hochgeladen- Alle Erinnerungen sind hier auf dieser Plattform zu hören, zu lesen und zu sehen.
Geschichten wie diese, berühren und bewegen, und zeigen, wie groß die Angst aber auch der Mut der Menschen in dieser von Not, Flucht und Zerstörung geprägten Zeit war:
Energische Mutter verscheuchte Russen
"Meine Mutter hat mich an der Hand genommen mit meinem sieben Jahren, und wir sind durch die Gärten geturnt. Über die Zäune drüber, 500 Meter von uns war ein Bauer, da hat sie ein paar Liter Milch geholt. Wie wir da einmal durchgegangen sind, auf einmal steht vor uns ein Mordslackl, ein russischer Soldat mit einer Kalaschnikow umgehängt. Ja, den habe ich heute noch von mir. Der war vielleicht 18, 19 Jahr alt, war eher blond und Akne gehabt, ein par Wimmerl im Gesicht. Und meine Mutter hat mit dem gebrüllt, der hat nur die Augen aufgemacht. Nach einiger Zeit hat er sich umgedreht und ist weggegangen. Und wie wir nach Haus gegangen sind: „Ich hab mich in meinem Leben noch nie so gefürchtet“, hat meine Mutter gesagt.“
Mein Vater, der fremde Mann
„Mein Vater kam erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Da stand plötzlich ein fremder Mann in der Tür. Meine Mutter hat sich umgedreht und geschaut, was denn da los ist und hat einen Freudenschrei ausgestoßen. Die zwei sind sich da im Arm gelegen -und ich bin daneben gestanden und hab nicht gewusst, was los ist. Und dann hat sie gesagt, das ist dein Papa! Oder: dein Vater. Ha! Bis ich mich daran gewöhnt habe, dass da jetzt noch ein männliches Wesen im Haus ist, das hat eine Weile gedauert.“
Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky über die Besatzungszeit Österreichs: Dieser Beitrag war Teil des Prjekts "Plötzlich international" von ORF Topos im Dezember 2023
Milchkanne über den Kopf
"Meine Großmutter hat im Stall eine Kuh gemolken, als die Stalltür aufgeht und ein russischer Soldat vor ihr steht, das Gewehr im Anschlag. Die Großmutter ist total erschrocken, nimmt den vollen Milchkübel, stülpt ihn dem Soldaten über den Kopf, reißt ihm das Gewehr aus der Hand und schmeißt es auf den Misthaufen. Dann ist sie natürlich vor lauter Schreck, dass sie das jetzt gemacht hat, davongelaufen und hat sich hinter einer Steinmauer im Garten versteckt. Der Soldat sucht schimpfend und fluchend nach dem Gewehr und meiner Großmutter, aber hat sie nicht finden können. Vor lauter Zorn hat er dann ein Kalbl mitgenommen und ist davon."
Ein herzliches Dankeschön an alle, die an dieser Ö1 Oral History Initiative bereits teilgenommen haben und teilnehmen werden, sagt das Team von „Gemeinsam erinnern“: Ute Maurnböck, Sabine Nikolay, Claudia Unterweger, Ina Zwerger und Joseph Schimmer.