
PICTUREDESK.COM/AFP/LUCAS BARIOULET
Das Ö1 Konzert
Das RSO Wien im Musikverein Wien
Der Derwisch tanzt. Seine Arme sind erhoben, der Kopf zur Seite geneigt. Sein Körper dreht sich langsam, die Beine bewegen sich zu einem inneren Rhythmus. Im Tanz wird alles eins: Worte, Gebet, Bewegung, Poesie. "Dance when you're broken open / Dance if you’ve torn the bandage off / Dance in the middle of the fighting / Dance in your blood / Dance when you are perfectly free."
17. März 2025, 15:27
Sendung hören
Das Ö1 Konzert | 18 03 2025
Mehr als 800 Jahre ist es her, dass der persische Sufi und Mystiker Rumi diese Zeilen verfasst hat. In seiner Kindheit und Jugend ständig auf Wanderschaft, erreicht er vermutlich in den 1220er Jahren das Reich Rum und lässt sich in Konya (in der heutigen Türkei) nieder.
1244 trifft er dort auf den Derwisch Schams-e Tabrizi. Ob mystische oder irdische Liebe zwischen diesen beiden Männern, sie soll sich als schicksalshaft für Rumis Leben erweisen. Als Schams nach drei Jahren plötzlich verschwindet, wendet sich Rumi in seiner Trauer ganz der islamischen Mystik und Dichtung zu. Bis zu seinem Lebensende verfasst er Tausende Verse, die alle von der Liebe als größte Macht des Universums handeln.
Fünf Verse des persischen Dichters Rumi
Rumis Gedichte sind bis heute auf der ganzen Welt bekannt und beliebt - in den USA gilt er als einer der meistverkauften Dichter. Auch die mittlerweile in den USA lebende britische Komponistin Anna Clyne greift sein Werk auf. Ihr Cellokonzert Dance, im Konzert mit Camille Thomas als Solistin, orientiert sich entlang der fünf Verse des gleichnamigen Gedichts. Dessen helle Poesie, die klare Struktur, der starke Bezug zur Körperlichkeit, besonders aber der unterschiedliche Charakter jeder einzelnen Zeile inspirierten die Komponistin zu einem Werk, das diese Eigenschaften reflektiert.
„... when you are broken open“
Die Verletzlichkeit der Worte im ersten Satz „... when you are broken open“ überträgt Anna Clyne in ungewöhnlich hohe, liegende Töne in dem Soloinstrument, das von schwebenden Klängen im Orchester begleitet wird. „Earthy and fiery“ lautet hingegen die Spielanweisung für „... if you’ve torn the bandage off“, in dessen Zentrum die Empfindung von Körperlichkeit steht.
„... when you are perfectly free“
Mit kräftigen Rhythmen und einer leidenschaftlichen Melodie treibt das Cello diesen Satz voran - dass das hie und da ein bisschen nach Schostakowitsch klingt, ist bestimmt kein Zufall. Ruhe inmitten des Chaos „... in the middle of fighting“ vermittelt der dritte Satz, in dem das Soloinstrument durch zyklische Bewegung im Orchester langsam nach oben getragen wird. In „... in your blood“ greift die Komponistin den zyklischen Gedanken erneut auf und leitet in „... when you are perfectly free“ über, das noch einmal Elemente aus allen vorhergehenden Sätzen enthält. Mit einer einfachen Melodie lässt die Komponistin das Cello verklingen.

Kevin John Edusei
MARCO BORGGREVE
Rhythmus und Tanz
Tanz und Rhythmus sind auch wesentliche Elemente der anderen Werke dieses Konzertabends unter der Leitung von Kevin John Edusei. Von Ravels Tanz auf dem Vulkan La Valse über Zoltán Kodálys schwungvolle Háry János-Suite bis zu Derrick Skyes pulsierendem Prisms, Cycles, Leaps - das ORF RSO Wien wirbelt mit gewohnter Spielfreude durch ein mitreißendes Programm. Dance!
Text: Anna Jagenbrein