Bunte Regenschirme

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Rufe nach verfassungsrechtlicher Absicherung

Ein Schutzschirm für die Medien

Die Trump-Regierung, die mit autoritären Führungen in Osteuropa sympathisiert, wollte "Radio Free Europe" den Geldhahn zudrehen. Der US-Auslandssender, gegründet im Kalten Krieg als eine Speerspitze der Amerikaner gegen die Russen, ist ein Leuchtturm im Kampf gegen Desinformation – und das bis heute. RFE sendet auch in EU-Staaten wie Ungarn und Bulgarien sowie in Kandidatenländern auf dem Balkan, wo die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Ein US-Gericht in Washington hat den Angriff von Elon Musk gestoppt, RFE sendet vorerst weiter. Aber es ist ein sehr lautes Alarmsignal.

Es ist nämlich genau das Szenario, das unabhängige Medien mittlerweile überall bedroht. Lothar Lockl, von den Grünen nominierter Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats, formuliert es so: "Einerseits gibt es politische Gruppierungen, die ein Problem mit freien und unabhängigen Medien haben. Und auf der anderen Seite gibt es Konzerne, Digitalkonzerne aus den USA und aus China, die das gesamte Werbevolumen in Österreich das Onlinewerbevolumen absaugen. Und das ist eine große Bedrohung nicht nur für den ORF, sondern auch für private österreichische Medien."

Lothar Lockl

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Lothar Lockl

Lockls Stiftungsratskollegin Hildegard Aichberger hat im STANDARD vorgeschlagen, etwa die ORF-Finanzierung über das Publikum - wie aktuell der ORF-Beitrag - in der Verfassung abzusichern. Damit dem ORF eben nicht einfach der Geldhahn zugedreht werden kann, wie es "Radio Free Europe" passiert ist. Die FPÖ wollte ja in den Verhandlungen mit der ÖVP eine 15-prozentige Kürzung der Beitragseinnahmen des ORF verordnen.

Zeitfenster für eine wehrhaftere Republik

Der Kärntner Landeshauptmann und Grandseigneur der SPÖ, Peter Kaiser, damals kurz nach dem Scheitern von Blau-Schwarz im Journal zu Gast: "Wir müssen in manchen Bereichen unsere Republik wehrhafter machen, beispielsweise ein klarer Schutz kritischer Medien. Das geht von ORF bis zu Printmedien. Ich möchte, dass wir eine wehrhafte zweite Republik haben und auch dazu sollte man die nächsten politischen Jahre nutzen." So steht es auch im Regierungsprogramm auf Seite 123: "Stärkung unserer wehrhaften Demokratie gegen autoritäre und extremistische Tendenzen".

Ein Zeitfenster ist da, die Dreierkoalition hat mit den Grünen eine Zweidrittelmehrheit, denen unabhängige Medien ein Anliegen sind. Lothar Lockl greift das auf: "Es lohnt sich, dass die Parteien hier miteinander reden, ob es nicht im Nationalrat tatsächlich eine Zweidrittelmehrheit gibt. Es würde die Presse- und Meinungsfreiheit mit Leben erfüllen. Das würde ihr neue Kraft geben." Doch wie sehen das die Mediensprecher der Regierungsparteien?

"Dann müsste ja alles in die Verfassung"

Kurt Egger von der ÖVP beruft sich darauf, dass seine Partei mit der Beendigung der Verhandlungen mit der Kickl-FPÖ ja bewiesen habe, dass ihr Europa, Distanz zu Russland und freie und unabhängige Medien wichtig seien. "Wenn diese Dinge nicht erfüllt sind, wird es mit uns keine Regierung geben. Jetzt nicht. Und auch sicher in der Zukunft nicht.“ Und was spricht dann gegen eine Absicherung in der Verfassung? „Da geht es nicht darum, das in der Verfassung abzusichern. Dann müsste ich alles in der Verfassung absichern", sagt Egger.

Ähnlich verhalten antwortet SPÖ-Mediensprecher Klaus Seltenheim auf die Frage nach einer Absicherung des ORF-Beitrags vulgo Haushaltsabgabe, die die SPÖ kritisch gesehen hat und gern sozial gestaffelt hätte: "Es gibt jetzt diese Haushaltsabgabe und ich halte auch nichts davon, alle paar Monate diese Diskussion neu zu eröffnen." Einwurf: Diese Diskussion könnte ja ein für alle Mal beendet werden, wenn das mit Zweidrittelmehrheit abgesichert wird. Seltenheim: "Ich möchte der Debatte nicht vorgreifen. Das hat alles seine Für und Wider."

Spardruck auf ORF ein wenig gelockert

Es fällt auf, dass die SPÖ sich den Spardruck auf den ORF auf die Fahnen heftet. Dass der Beitrag bis 2029 bei 15,30 Euro im Monat bleibt - was den ORF insgesamt 220 Millionen Euro kostet und weitere Einsparungen auch beim Personal zur Folge haben wird - das verkauft die SPÖ als ihren Erfolg. Eine weitere versteckte Sparmaßnahme in der bereits beschlossenen Novelle aus dem Ressort von Medienminister Andreas Babler hätte den ORF noch einmal bis zu 100 Millionen Euro gekostet: die Einnahmen aus dem ORF-Beitrag bleiben nämlich bis 2029 bei 710 Millionen Euro im Jahr gedeckelt, obwohl sie tendenziell steigen. Alles über dem Limit kommt auf ein Sperrkonto.

Henrike Brandstötter

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Henrike Brandstötter

Das wird jetzt gelockert, erläutert NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter: "Da heben wir jetzt diese Grenze von 710 auf 730 Millionen Euro. Der ORF braucht doch Planungssicherheit. Das Einfrieren auf 15,30 Euro ist durchaus sportlich, auch für den ORF. Und um auf der anderen Seite dann auch wieder finanziellen Spielraum zu haben, geben wir 20 Millionen Euro pro Jahr mehr frei aus diesem Sperrkonto."

Landeshauptleute reden im ORF nicht mehr mit

Brandstötter sieht sich mit den NEOS als treibende Kraft für weitere Reformen auch zugunsten der Unabhängigkeit des ORF. In der Nationalratsdebatte hat sie ihr Lieblingsthema pointiert angesprochen: Das gesetzliche Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektoren. "Stellen Sie sich einmal vor, Sie bewerben sich um einen Job und plötzlich sitzt da der Landeshauptmann und redet ein Wörtchen mit. Das ist absurd. Das werden wir abschaffen. Aber das kann nicht unser Ziel sein, dass uns China und Nordkorea um diesen Stunt beneidet." Warum hat man das nicht mit einem Federstrich jetzt gleich mit der Novelle erledigt? Man habe sich in der Koalition auf einen zweiten Schritt verständigt, sagt Brandstötter im #doublecheck-Interview. Dieser zweite Schritt wird spannend. Da sind sich die drei Koalitionsparteien jetzt schon uneinig, was alles darin enthalten sein soll.

NEOS wollen an ZDF angelehnte Gremienreform

Stichwort Gremienreform. Die NEOS wollen da unbedingt mehr, ihr Modell ist an jenes vom ZDF angelehnt, das der Universitätsprofessor für Organisation Innsbruck, Leonhard Dobusch, so beschreibt. Der ZDF-Fernsehrat – den Dobusch von innen kennt - habe 60 Mitglieder und sei "nicht zahnlos wie in Österreich der Publikumsrat tendenziell, sondern dieses Gremium wählt die Intendanten. Und dieses Gremium wählt 8 von 12 Mitgliedern eines Verwaltungsrats. Das entspricht dann eher einem Aufsichtsrat in einem Unternehmen." Dieses kleine Gremium ist operativ tätig, bei Finanzen und Personal. Die Mitglieder im Verwaltungsrat werden mit Drei-Fünftel-Mehrheit in geheimer Wahl bestellt.

Leonhard Dobusch

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Leonhard Dobusch

Zentrale Schwächen im Stiftungsrat bleiben

Für Dobusch - der mittlerweile dem ZDF-Verwaltungsrat angehört - wäre das ein Modell, das auch dem ORF gut anstehen würde. Denn der Publikumsrat, der jetzt gemäß Verfassungsgerichtshof leicht aufgewertet wurde, sei nicht Fisch und nicht Fleisch. Und, so Dobusch: "Die jetzt erfolgte Gremienreform ist natürlich nur die absolute Minimalvariante. Der Einfluss der Bundesregierung auf die Besetzung des Stiftungsrates ist immer noch vergleichsweise groß."

Überdies seien zwei ganz entscheidende Schwächen bestehen geblieben: "Es wird weiterhin offen abgestimmt und auch Personalentscheidungen wie die Wahl des Generaldirektors sind mit einfacher Mehrheit möglich. Und das ist etwas, glaube ich, das sollte man auf jeden Fall noch reparieren. Weil das erlaubt dann potenziell einer kleinen Gruppe eigentlich dann hier wirklich drüberzufahren und zwingt nicht zum Kompromiss über weltanschauliche Lager hinweg." Die weltanschaulichen Lager, die heißen bei uns Freundeskreise. Und an denen halten vor allem Rot und Schwarz verbissen fest.

Der Eiertanz um die Partei-Freundeskreise

Leonhard Dobusch lehnt solche Freundeskreise entschieden ab. Dass es Vorbesprechungen und Strukturen dafür geben müsse, sei klar. Im ZDF seien die für alle offen. Dort gibt es laut Dobusch "keine parteipolitischen Freundeskreise. Aber es gibt zwei Vorbesprechungen, die sich grob entlang weltanschaulicher Orientierungen konstituieren. Also eine eher konservative und eine eher progressive Gruppe. Und das finde ich durchaus auch angemessen. Natürlich geht es auch um politische Fragen, aber die sollten nicht parteipolitisch überformt sein." Medienminister Andreas Babler hat für die SPÖ schon einmal klargestellt, dass mit der Minimalreform, wie sie Dobusch nennt, die Gremien-Frage erledigt sei. Auch ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger windet sich bei der Frage nach einem zweiten Schritt. Originalton: "Es wäre unseriös, wenn ich jetzt schon Dinge vorgreifen würde, die in Diskussionsrunden mit Expertinnen und Experten, mit Stakeholdern auch diskutiert werden. Und wir werden am Schluss unsere politischen Ableitungen daraus machen."

Was laut Regierungsprogramm fix kommt, das sind weitere Fördermillionen für die Zeitungen. Deren Printprodukte, die immer noch einen hohen Anteil an den Erlösen haben, die stehen unter Druck. Die Zustellung am Land ist für die Verlage nicht mehr leistbar, das soll jetzt subventioniert werden. Der Zeitungsverband VÖZ erwartet sich bis zu 40 Millionen Euro aus diesem Titel - eine riesige Summe, mehr als das Fünffache der im Vorjahr an Tages- und Wochenzeitungen ausgeschütteten Vertriebsförderung plus der besonderen Förderung zur Erhaltung der regionalen Vielfalt.

Dreierkoalition bei Geldspritze für Print einig

Der Medienminister hat die Erwartungen der Verleger schon gedämpft, auch Henrike Brandstötter bremst hier: "Was ich nicht möchte, ist, dass dieses Budget, diese kolportierten 40 Millionen Euro, die noch nicht ausverhandelt sind, eins zu eins zur Post gehen. Und was die Post als erstes macht als cleveres Unternehmen, dass sie die Preise für das einzelne Produkt nach oben hebt und sich dadurch ein Körberlgeld verdient. Das ist keine Post-Subvention." Das sei dann nicht Sache der Politik, wie das organisiert wird, entgegnet Kurt Egger von der ÖVP. Er will keine Summe bestätigen, das sei Verhandlungssache - das sagt auch Klaus Seltenheim, der die lebenserhaltende Geldspritze aber für wichtig hält.

In der SPÖ läuft das unter dem Slogan "Recht auf analoges Leben". Digital first, ja natürlich, sagt Seltenheim. "Ich bin aber auch dagegen, dass man Leute, die sich mit digitalen Plattformangeboten - oder vielleicht auch mit dem Breitbandausbau in ihrer Gegend - schwerer tun, vom Medienkonsum ausschließt. Und das ist auch eine Generationenfrage in Österreich." Es ist der Blick auf eine wichtige Wählerklientel der SPÖ, die Pensionisten.

Gratis-Abos müssen für Junge attraktiv sein

Noch ein neuer Fördertopf wird für die Zeitungen aufgemacht, die Summe von 30 Millionen Euro ab 2026 ist in diesem Fall schon festgeschrieben: Gratiszugang zu digitalen Zeitungsangeboten für Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge. Seltenheim stellt klar: da müssen die Verlage aber schon auch was Neues bieten. "Ich denke, es muss etwas sein, was von den jungen Menschen auch angenommen wird. Ihnen jetzt quasi zu oktroyieren, ihr müsst jetzt das Sonntagsabo von einer etablierten Tageszeitung nehmen, das wird nicht funktionieren. Das wäre eine Totgeburt." Es gelte, gemeinsame Formate zu entwickeln, die angenommen werden.

Das sieht auch der ÖVP-Mediensprecher so: "Ich gehe davon aus, dass das Produkt für die Jugendlichen ganz anders ausschauen muss als das, was quasi im herkömmlichen Sinne das Zeitungsabo ist. Weil wenn ich es nicht schaffe, denen schmackhaft zu machen, dass sie es auch lesen und sich dann darin informieren, dann ist die Übung, glaube ich, umsonst", sagt Kurt Egger. Die NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter warnt davor, dass der Schuss für die Zeitungen nach hinten losgehen könnte, wenn das falsch aufgestellt wird und dann die Familien-Abos gekündigt werden, weil die Kinder es gratis bekommen.

"Radio Free Europe" als doppelte Warnung

Das Beispiel "Radio Free Europe" sollte eine doppelte Warnung sein. Das zuständige Gericht in Washington hat eine einstweilige Verfügung gegen die Streichung von Geldern erlassen. Das würde in Österreich nicht funktionieren, erläutert der Rundfunkrechts-Experte Hans Peter Lehofer gegenüber #doublecheck. Es gebe bei uns kein Eilverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof oder eine einstweilige Verfügung in so einem Verfahren. "Ist das Geld einmal weg und die Mitarbeiter sind gekündigt, dann hilft eine VfGH-Entscheidung ein Jahr später auch nichts mehr", betont Lehofer. So geschehen in Griechenland, wo die Regierung 2013 die öffentlich-rechtliche ERT eingestellt hat. Eine Woche später ordnete das höchste Verwaltungsgericht die Wiederaufnahme des Sendebetriebs an - doch die Verfügung war rechtlich zahnlos, der Sender blieb geschlossen.

Ein anderes Beispiel ist die Slowakei, wo Premier Robert Fico im Vorjahr den öffentlich-rechtlichen Sender abgedreht hat und ein Staatsmedium daraus gemacht hat. Und das richtet sich die pro-russische links-nationale Regierung jetzt personell her. Erst diese Woche wurde der frühere Pressesprecher des autoritären Premier Vladimír Mečiar in den Vorstand gewählt, als Vorsitzender. Je näher ein öffentlich-rechtlicher Sender beim Staat ist, umso leichter und rascher geht so ein Umbau für eine Mehrheit, die unabhängige Medien nicht will.