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Literatur
Serhij Zhadan erhält Staatspreis
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur geht an den ukrainischen Autor Serhij Zhadan. Zuletzt erschien sein Erzählband "Keiner wird um etwas bitten", der im Juni zum Ö1 Buch des Monats gekürt wurde.
1. Juli 2025, 14:53
Die Entscheidung für den ukrainischen Autor gab am Dienstag Kulturminister Andreas Babler (SPÖ) bekannt. Der 50-Jährige erhält den mit 25.000 Euro dotierten und seit 1965 verliehenen Preis am 25. Juli bei einem Festakt am Rande der Salzburger Festspiele. Mit dem Staatspreis wird ein literarisches Gesamtwerk gewürdigt, das international besondere Beachtung gefunden hat.
"Serhij Zhadan ist einer der prägnantesten Schriftsteller der europäischen Gegenwartsliteratur, der zur literarischen Stimme der Ukrainer:innen geworden ist", zollte Babler dem neuen Preisträger seinen Respekt: "Zhadan gibt dem Schrecken des Krieges und der unsichtbaren, allumfassenden Angst eine literarische Sprache."
Literarische Stimme der Ukrainer:innen

Ö1 Buch des Monats
Der Autor ist seit dem Angriff Russlands auf seine Heimat mit seiner Rockband zum tatkräftigen Unterstützer der Bevölkerung und der Armee geworden und ist selbst als Helfer hinter der Front im Abwehrkampf aktiv. Im Rahmen seines Militärdienstes, für den er sich im Frühjahr 2024 meldete, betreibt er in Charkiw ein Frontradio. "Wir machen Interviews mit Soldaten und Zivilisten und versuchen, eine Brücke zwischen dem Militär und der Zivilbevölkerung zu schlagen", sagte der Autor im Vorjahr der "Zeit".
Vielfach prämiert
Zhadan wurde am 23. August 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte u.a. Literaturwissenschaft und Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört zu den prägenden Figuren der Szene in Charkiw. Sein bisheriges literarisches Werk umfasst zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke, für "Die Erfindung des Jazz im Donbass" wurde er u.a. mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet, die BBC kürte das Werk zum "Buch des Jahrzehnts".
2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei Suhrkamp erschienen deutsche Übersetzungen seiner Bücher, zuletzt der Gedichtband "Chronik des eigenen Atems" (2024) und der Erzählband "Keiner wird um etwas bitten. Neue Geschichten" (2025), das zum Ö1 Buch des Monats Juni gekürt wurde.
Jury lobt "vielstimmige literarische Räume"
"Serhij Zhadan entwickelt seine faszinierend-kunstvollen und dabei immer auch hochgradig lebendigen und vielstimmigen literarischen Räume vor geschichtlich klar erkennbaren Hintergründen", heißt es in der Begründung der Jury, die in diesem Jahr aus der Autorin Raphaela Edelbauer, dem Germanisten und Leiter des Literaturhauses Graz, Klaus Kastberger, Alexander Potyka (Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels), dem Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal und der Journalistin Anne-Catherine Simon bestand.
Welche Zäsur der russische Angriffskrieg auch für sein Schreiben bedeutete, ist in dem Ende 2024 erschienenen Gedichtband "Chronik des eigenen Atems. 50 und 1 Gedicht" nachzulesen. Begonnen hatte er mit der Arbeit an dem Band im März 2021, ein Jahr später hat er seine Sprache verloren, wie er im Nachwort schreibt. "In der Mitte bricht das Buch. Dieser Bruch liegt auf der Hand, er war unvermeidlich", schreibt Zhadan über den Tag des Überfalls auf die Ukraine. "Nach dem 24. Februar klingt Poesie irgendwie unangebracht."
Spenden für ukrainische Streitkräfte
Doch allmählich kam die Sprache zurück, der zweite Teil des Bandes umfasst Gedichte ab dem 15. Juni 2022. An einer Stelle heißt es: "Es kommt der Moment, in dem du dich traust, / dich losreißt von dem Ort, dich löst aus der Stille, die dich umringt und bedrängt." Im Mai 2023 sagte er bei einem Besuch in Wien: "Als der große Krieg begann, wurde klar, dass jetzt eine andere Literatur, eine andere Art zu schreiben, eine andere Sprache beginnt." Damals sammelte er mit Auftritten Spenden für die ukrainischen Streitkräfte.
Zuletzt ging der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur an die Französin Marie NDiaye (2023) und die polnische Autorin Joanna Bator (2024).
Text: APA/Red.