Theiß, Szeged

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Im Fluss - die Theiß entlang

Sie ist der längste Nebenfluss der Donau - und doch weniger besungen als ihre große Schwester: die Theiß, Tisa oder Tisza, 966 Kilometer lang, verbindend und trennend zugleich.

Ihr Ursprung liegt im westukrainischen Transkarpatien, wo sich Schwarze und Weiße Theiß vereinen. Hier leben die Huzulen, deren kurze Unabhängigkeit 1919 nur wenige Monate währte. Heute werden Gäste mit Bergkäse Bryndza, traditionellem Handwerk und der Schönheit der Westkarpaten empfangen - in einem Land, das vom Krieg gezeichnet ist und doch abseits der Front liegt. Die Eibenwälder, die dem Fluss den Namen gaben, lieferten einst begehrtes Holz, ebenso wie die Salzminen kostbaren Reichtum stromabwärts schickten.

Theiß in der Ukraine

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Zwischen Chust und Tokaj

Von Transkarpatien aus fließt die Theiß weiter durch die Ukraine. In Chust erzählen Keramik und Glas von alten Traditionen, die junge Kunsthandwerker neu beleben, bevor der Fluss einen Winkel der Slowakei berührt: Im Dreiländereck bei Čierna nad Tisou erinnern breite Gleise und sozialistische Wohnblöcke an die Ära des Güterverkehrs zwischen Ost und West - ein Knotenpunkt, dessen Bedeutung im Ukrainekrieg wieder wächst.

Die Reise nach Szabolcs, gut 60 Kilometer südlich, führt zurück in die Zeit der ungarischen Landnahme zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert und zu einer der ältesten ungarischen Siedlungen. Im nahegelegenen Tokaj mündet der Bodrog in die Theiß, hier beginnt eine andere Geschichte: die des berühmten Tokajer Weins. Die klimatische Besonderheit, geschaffen durch zwei Flüsse und den Edelfäulepilz Botrytis, machte ihn weltbekannt - heute immer mehr auch in Südostasien. Synagogen, Rabbigräber und Erinnerungen an die Sathmarer Schwaben erzählen von der ethnischen Vielfalt, die einst in der Region lebte.

Der Theiß-See und Szeged

Weiter südlich weitet sich die Theiß zum Tisza-See. Der Aufstau schuf nicht nur das größte Kraftwerk Ungarns, sondern auch ein Paradies für Wasservögel im UNESCO-Weltkulturerbe Hortobágy. Weniger paradiesisch: Bei Hochwasser trägt der Fluss einen „Plastik-Tsunami“ Richtung Donau. Initiativen wie der PET Kupa verwandeln Müllsammeln in ein gemeinschaftliches Wettrennen - und setzen ein Zeichen für sauberes Wasser.

PET Kupa: Müllsammeln

PET Kupa: Müllsammeln

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Szeged empfängt den Reisenden mit römischer Vergangenheit, prächtigen Synagogen und kultureller Lebendigkeit. Stadt der Sonne und des Paprikas wird sie genannt; unweit davon, in Röszke, widmet die Familie von Paprika Molnár dem roten Gewürz sogar ein eigenes kleines Museum.

Paprikamuseum

Paprikamusem

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In Serbien

Jenseits der Grenze, in Serbien, folgt die Theiß ihrem letzten Lauf. In Novi Bečej und Bečej mischen sich Spuren römischer, osmanischer und habsburgischer Herrschaft. Das Naturschutzgebiet Okanj Bara glänzt als Refugium seltener Vogelarten und Pflanzen. Kurz vor der Mündung in die Donau erinnert Knićanin, einst Rudolfsgnad, an die dunklen Kapitel der Donauschwaben - an Vertreibung, Lager und Tod. Ein paar verwitterte Steine halten die Erinnerung wach.

Massengrab in Knićanin

Massengrab in Knićanin

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Eine Reise durch Landschaften und Geschichte

Naturidyll und Müllproblem, stille Schönheit und laute Geschichte: Wer der Theiß folgt, reist nicht nur durch Landschaften, sondern durch Geschichten - und entdeckt einen Strom, der es verdient, besungen zu werden.

Wenn Sie Interesse an den Expeditionen „Im Fluss“ haben: Im Ö1 Lexikon finden Sie alle bisherigen Recherchereisen: vor zwei Jahren waren wir die Donau ostwärts unterwegs, das Jahr darauf die Drau und Mur südostwärts. Zu hören unter Im Fluss

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