Ágnes Heller

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Im Gespräch | 10 04 2014

Ágnes Heller

"Ungarn ist trotzdem meine Heimat"
Renata Schmidtkunz spricht mit Ágnes Heller, Philosophin

Sie wurde 90 Jahre alt, war Mutter von einer Tochter und einem Sohn, Großmutter von 6 Enkelkindern und Urgroßmutter von einem Urenkel. Sie war interessiert am Alltagsleben von Menschen, sah ihre Aufgabe darin, Fragen zu stellen und war trotz heftigster Propaganda gegen ihre Person nicht bereit, sich die Liebe zu ihrer ungarischen Heimat absprechen zu lassen.

Sie war eine der bedeutendsten europäischen Philosophinnen unserer Zeit: Ágnes Heller, geboren 1929 in Budapest, der Vater stammte aus Wien, die Großmutter Sophie war eine geborene Meller und eine der ersten Frauen, die an der Universität von Wien studierten. Ihre Fächer waren Deutsch und Geschichte.

Weil die Zeiten schwer waren, sagt sie, bekamen die Eltern nur ein Kind. Geschwister hat sie immer vermisst. Der Vater, ein Jurist, der vielen ungarischen Juden zur Flucht verhalf, wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Sie selbst überlebte mit ihrer Mutter in Budapest nur knapp. Nach dem Krieg wurde sie Studentin eines der bedeutendsten Philosophen des Marxismus, Gyorgi Lukacs. Sie wude seine Assistentin, begann an der Universität zu lehren, begriff, dass Marx die Freiheit der Menschen im Auge hatte und vertrat die Ansicht, dass der Marxismus behutsam an die Lebensbedingungen der jeweiligen Länder angepasst werden müsste. Unter Janos Kádár, dem Restaurator des sowjetischen Einflusses im Ungarn nach 1956 wurde sie 1958 von der Universität entfernt, 1973 auch aus der ungarischen Akademie der Wissenschaften wegen "Abweichung" ausgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Philosophen Ferenc Feher, emigrierte sie 1977 nach Australien. An der Universität von Melbourne lehrte sie von 1978 - 1986 Soziologie. 1987 übertrug man ihr den Hannah Arendt Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in Greenwich Village in New York.

In den folgenden Jahren entwickelte sie eine neue Art des Neokonservativismus, ganz besonders unter dem Einfluss von 9/11.
Seit ihrer Emeritierung pendelte sie zwischen New York und Budapest, schrieb über Shakespeare, Ästhetik, politische Theorie, die Rolle Osteuropas in der Geschichte des Kontinents, Ethik.
Sie wurde mit zahllosen international renommierten Preisen ausgezeichnet.

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