Gedanken für den Tag

"Maria - der exemplarische Mensch" von Rainer Bucher

Von jeher wurde Maria, die Mutter des Jesus von Nazareth, in enge Beziehung gebracht zur Zeit sprießender Pflanzen, beginnender Fruchtbarkeit in der Natur und wachsender Lebensfreude. Deshalb wird Maria traditionell als "Maienkönigin" gefeiert.

Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher freilich stellt sie in der Woche von 17. bis 22. Mai als anti-patriarchale Figur schlechthin vor. Maria steht für eine Menschheit, die gegen zerstörerische Zustände und Handlungen kämpft. Sie zeigt, so Bucher, was passiert, wenn sich ein Mensch auf Gott einlässt: Er wird stark. Aus einem kleinen jüdischen Mädchen wird die Mutter Gottes, aus einer ohnmächtigen Frau wird eine, die Mächtige vom Thron stößt.

In der Botschaft Jesu von Gott stehen die Armen vor den Reichen, die Ohnmächtigen vor den Mächtigen, die Kleinen vor den Großen. In dieser Botschaft geht die Person vor der Institution, und gilt der Primat der Liebe im Verhältnis von Gott und Mensch und im Verhältnis der Menschen untereinander.
Ein zentraler biblischer Text dafür ist das Magnificat, das Gebet der begeisterten Maria. Es ist das Gebet einer Siegerin.
 
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands.
Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist
und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für
bei denen, die ihn fürchten.
Er übet Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl
und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen,
das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

An Maria kann man ablesen, was passiert, wenn sich ein Mensch auf Gott einlässt: Er wird stark. Aus einem kleinen jüdischen Mädchen wird die Mutter Gottes, aus einer ohnmächtigen Frau wird eine, die da gepriesen wird von allen. Plötzlich kehren sich die Verhältnisse um. Sonst entscheiden Männer über Frauen und sind Menschheitsfragen immer Männerfragen. Hier entscheidet aber eine Frau über einen Mann: Maria entscheidet über die Ankunft Jesu. Und hier sind Menschheitsfragen, ja die Menschheitsfrage: Ob Gott einen Ort in der Geschichte der Menschheit bekommt, Fragen an eine Frau.

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