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"Verkauft". Wie Ayub, Akhdar, Ahmed und Abu Bakr im Gefangenenlager Guantánamo Bay landeten. Von Christian Lerch

Im September 2001 erreichten vier uigurische Männer ein Bergdorf nahe der afghanischen Stadt Jalalabad. Sie waren aus ihrer Heimat, der westchinesischen Provinz Xinjiang, geflohen: vor politisch-religiösen Repressionen durch die chinesische Regierung und vor wirtschaftlicher Perspektivelosigkeit. Vom Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September, Tausende Kilometer entfernt, und vom Beginn des sogenannten "Krieges gegen den Terror" wussten die jungen Männer nichts. Bis zu dem Tag, als Bomben auf das Bergdorf fielen.

Die Invasion Afghanistans durch US-geführte Alliiertentruppen zwang die Gruppe zur Flucht in das pakistanische Grenzgebiet, wo sie von Dorfbewohnern als "enemy combatants" - als feindliche Kämpfer - an die US-Army verkauft wurden. 5.000 Dollar pro Kopf waren sie den US-Amerikanern wert. Der Abschluss dieses Handels war der Beginn einer traumatischen Odyssee von Ayub (17 Jahre alt), Akhdar (27), Ahmed (28) und Abu Bakr (32): Über sechs Monate lang wurden sie in Containern des Kriegsgefangenenlagers Kandahar festgehalten, und vier Jahre lang im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba.

Seit 2006 leben sie als Asylwerber im albanischen Tirana: "They've killed my future and didn't say any sorry", sagt Ayub im Juni 2009 und beschreibt das Gefühl der vier, die sich von der ganzen Welt betrogen fühlen.

Insgesamt viereinhalb Jahre sind die vier Männer in US-Gefangenschaft, obwohl das US-Military Tribunal schon im Jahr 2004 sie in letzter Instanz für unschuldig erklärt. Über zwei Jahre lang versucht das US-Außenministerium, aufnahmewillige Staaten für die Uiguren zu finden. Die USA selbst lehnen es bis zuletzt ab, die Männer aufzunehmen, da es unmöglich erscheint, sie gerade in jenem Land zu integrieren, für das sie lange Zeit als Bedrohung galten.

Auch die EU-Staaten zeigen keine Bereitschaft, die vier Männer aufzunehmen, obwohl sie stets die Schließung des Lagers und die Freilassung der Häftlinge von Guantánamo Bay gefordert haben.

Die Regierung in Peking verlangt die Auslieferung der Männer, da sie dort unter Verdacht stehen, uigurische Separatisten zu sein. Überraschend landen Ayub, Ahmed, Akhdar und Abu Bakr schließlich im Mai 2006 im kleinen südosteuropäischen Staat Albanien. Die albanische Regierung erhält dafür zum einen finanzielle Unterstützung von den USA, zum anderen wird die Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis NATO in Aussicht gestellt (Produktion ORF/WDR/SWR 2009).

Der Autor Christian Lerch, geboren 1978 in Vorarlberg, studierte Politikwissenschaften und Publizistik an der Universität Wien. Der freie Radioautor wurde für das Feature "Crystal Meth" mit dem Hans-Nerth-Stipendium sowie mit dem "Ake Blomstroem Memorial Prize" ausgezeichnet.

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