matrix - computer & neue medien
1. Gegen den digitalen Kollektivismus. Jaron Laniers "Gadget: Warum die Zukunft uns noch braucht". Gestaltung: Janko Röttgers; *2. Couch-Aktivismus - Protestkultur im Netz. Gestaltung: Michael Schmid
10. Oktober 2010, 22:30
1. Jaron Lanier galt in den Achtzigern und frühen Neunzigern als einer der Pioniere der Virtuellen Realität. Er simulierte Räume, die mit Datenhelmen und Avataren den Nutzern eine Art virtuelle Präsenz versprachen. Seit rund zehn Jahren ist aus dem Vordenker jedoch einer der schärfsten Kritiker moderner Technologien geworden. Sorgen macht Lanier vor allem ein Trend, den er "digitalen Maoismus" nennt.
Gemeinschaftlich organisierte Projekte wie Wikipedia entwerten dabei seiner Meinung nach die Arbeit einzelner Autoren. Letztlich führten sie zu einem neuen Kollektivismus, der für unsere Wissensgesellschaft so gefährlich sei wie Kommunismus oder Faschismus. Am Montag, 11. Oktober, erscheint Laniers Mahnschrift auf Deutsch bei Suhrkamp. In "Gadget: Warum die Zukunft uns noch braucht" warnt er u.a. vor dem Menschenbild, das Facebook uns aufgrund seiner Datenstrukturen suggeriert, und auch vor der Gratiskultur im Netz.
2. Mit dem Wandel der Medienöffentlichkeiten und der Verlagerung der Meinungsproduktion ins Internet, kommt es zu einem radikalen Umbau der Medienlandschaften. Wenn früher Information nach dem Prinzip "top-down" streng hierarchisch produziert wurde, passiert das jetzt abseits der großen Medienunternehmen scheinbar völlig antihierarchisch und basisdemokratisch. Die traditionellen Medien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen sind nicht mehr allein. Blogs, aber vor allem die Sozialen Netzwerke sind an der Produktion von Meinung maßgeblich beteiligt. Das zieht nicht nur Unternehmen ins Social Web, sondern immer mehr auch politische Organisationen und NGOs. Die studentische Aktion "unibrennt" ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Protest und basisdemokratisch organisierte politische Teilhabe durch Social Media verändert haben. Eine der Gefahren der Protestkultur im Netz: es bleibt bei einer simplen folgenlosen Meinungsbekundung per Mausklick.