Gedanken für den Tag

von Anita Pollak. "In den Hütten sollt Ihr wohnen" - Gedanken rund um die jüdische Holiday-Season

Wann und wie ein Jahr beginnt, ist eine Frage des Standortes und nicht zuletzt der Religion. Das jüdische Neujahr beginnt mitten im Herbst und läutet eine Zeit der Einkehr, der Umkehr, der Besinnung und der Buße ein, die im Versöhnungstag ihren Höhepunkt erreicht. Das darauf folgende einwöchige Laubhüttenfest dagegen ist ein fröhliches Familienfest.

Die Herbstfeiertage bilden das Zentrum des religiösen jüdischen Lebens. Was können sie heute bedeuten, wie werden sie in einer nicht-jüdischen Umgebung begangen und welche spirituelle Kraft geht von ihnen aus? Fragen und Gedanken der Kulturpublizistin Anita Pollak.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Gute Wünsche begleiten jeden Jahreswechsel. So auch den jüdischen, der erst vor kurzem gefeiert wurde. Man wünscht einander natürlich Gesundheit und Glück, zusätzlich ein bisschen was von des Lebens Süße und - eine gute "Einschreibung". Ja, zu einem guten Jahr "möget Ihr eingeschrieben werden" lautet die altmodische Formel. Sie hat's allerdings in sich.

Denn nach religiös-jüdischer Tradition führt Gott Buch über jeden Menschen. Die guten und die schlechten Taten, ja sogar Gedanken werden da verzeichnet. Und zu Jahresbeginn werde Bilanz gezogen. Die ganz Bösen, so die Vorstellung, würden im kommenden Jahr sterben. Die ganz Guten, sie kämen auf jeden Fall ins Buch des Lebens. Aber wer ist schon ganz gut und wer ganz böse? Also, jeder hat eine Chance und jeder hat was zu büßen. Dazu dienen die zehn Bußtage zwischen den Neujahrstagen und dem Versöhnungstag, dem Jom Kippur. Er fiel vergangene Woche auf einen Sabbath und galt somit als doppelt heilig, ja am Allerheiligsten. Der Jom Kippur ist ein Fasttag. 25 Stunden lang, von vor Sonnenuntergang bis nach Sonnenuntergang keine Nahrung, kein Getränk, nur Gebet, ganz Einkehr. Man gedenkt der Toten und versöhnt sich mit den Lebenden. Man klopft sich an die Brust, man bereut, fasst gute Vorsätze, man bittet Gott um Verzeihung und um Gnade.

Mit anderen in der Synagoge fastend, wird man immer schwächer und gleichzeitig stärker. Das Ende des langen Tages verkündet der erlösende Klang des Schofars. Ein durchdringender archaischer Schall aus einem Widderhorn, dessen Eindringlichkeit sich niemand entziehen kann. Und damit ist es, nach jüdischer Vorstellung, besiegelt, das Schicksal jedes Einzelnen fürs kommende Jahr. Keiner weiß, wie er in der göttlichen Buchführung abgeschnitten hat.

Bevor man heim eilt, zum "Anbeißen", wie das Fastenbrechen genannt wird, wünscht man noch einmal allen Alles Gute!

Eine "gute Einschreibung" ist ein guter Wunsch für ein Neues Jahr.

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Titel: GFT 111011 Gedanken für den Tag / Anita Pollak
Länge: 03:46 min

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