Gedanken für den Tag

von Matthias Hartmann. "Wechsel und Veränderung"

Aus dramatischer, philosophischer und aus sehr persönlicher Sicht denkt Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann in den "Gedanken für den Tag" zum Jahreswechsel über Zeiten der Veränderung nach. Motive dafür liefern ihm auch die Stücke, die gerade auf dem Spielplan des Wiener Burgtheaters stehen - ebenso wie die, mit denen er sich in Hinsicht auf kommende Inszenierungen gerade beschäftigt.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Wenn ich über das Thema "Wechsel und Veränderung" nachdenke dann bin ich natürlich sofort beim Theater. Die Neuerfindung liegt ja im Wesen des Theaters. Jede Inszenierung ist ein Neubeginn, ein Sich-Neu-Erfinden und -Finden, als Mensch, als Regisseur, als Kollektiv mit dem Ensemble. Alles muss wieder neu gefunden werden und alles ist ständigen Wechseln und Veränderungen ausgesetzt. Dabei gilt es natürlich offen zu bleiben für neue Formen, neugierig sein auf neue und andere Welten oder auf die Neuentdeckung alter Welten. Das verlangt vor allen Dingen Mut und dass man sich nicht auf alte Patentrezepte stürzen darf. Ich habe erlebt, dass immer, wenn man sich auf das verlassen möchte, auf die Muster des vorangegangenen Erfolges, wenn man versucht, die zusammenzusetzen wie Mosaiksteine, die einmal ein schönes Bild ausgemacht haben, dass überraschenderweise dann sich der Erfolg, bzw. die künstlerische Qualität, sich nicht einstellt. Sondern erst, wenn man hinaustentakelt in eine Welt, von der man höchstens Ahnung hat, aber kein Wissen, dann entsteht tatsächlich ein radikales Kunstwerk.
Es ist ja so, wenn man zum Beispiel ein Arzt ist und es kommt jemand zu einem und sagt: "Herr Doktor, ich hab hier was mit der Haut" und dann sagt der: "Ja, dann nehmen wir doch jetzt mal eine Zinksalbe und wenn das in zwei Wochen nicht weg ist, dann nehmen wir Cortison", dann hat er Erfahrung. Oder wenn jemand kommt und hat Probleme mit dem Nachbarn, dann weiß ein Rechtsanwalt, was er erfahrungsgemäß tun muss. Und nur in der Kunst ist es anders: Da darf man die Erfahrung nicht verwerten, sondern man muss versuchen, Dinge zu verändern, zu radikalisieren, muss versuchen, Prozesse zu stimulieren, von denen man in Wahrheit noch gar nichts weiß, sondern was erfahren möchte.

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Sendereihe

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Titel: GFT 111227 Gedanken für den Tag / Matthias Hartmann
Länge: 03:49 min

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