Gedanken für den Tag

Von Teresa Indjein. "Vom Kostbarmachen der Zeit". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

"Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist", hat der deutsche Journalist Robert Lembke einmal gemeint. Vielbeschäftigt zu sein, füllt zwar auch die Zeit, allerdings nicht immer mit Inhalt.

Die kleinen Momente sind es - manchmal auch die großen, die das Leben kostbar machen. Jeder Tag ist wie das ganze Leben und jede Stunde hat ihre besondere Kraft. Es gilt sie zu nützen, findet die Diplomatin Teresa Indjein. Denn die Zeit ist eine große Gabe, die man nicht verschwenden sollte. Dabei geht es Teresa Indjein nicht um getriebene Geschäftigkeit, sondern um das Schaffen von bereichernden Momenten - wie auch immer diese für den Einzelnen oder die Einzelne aussehen mögen.


Zeit an der Sonne

Unlängst saß ich am Neusiedlersee in der Sonne. Samstag, Erholung von den Anforderungen des Berufsalltags. Eine Amsel singt, Spatzen zwitschern in den Sträuchern. Ich bemerke, dass ein Stück Zuhause auch in vertrauten Vogelklängen ist. Neben mir eine Reihe von Blumenkästen mit rosa und violetten Pelargonien. Ich nähere mich ihnen, so dass meine Augen nur wenige Zentimeter von den Blütenköpfen entfernt sind. Zauberhaft fröhliche Schönheit.

Die Sonne wärmt meine Haut. Ich schließe die Augen und habe das Gefühl, dass sich die Zeit verdichtet. Der helle Augenblick erinnert mich an andere schöne Momente meines Lebens. Als würde dieses Lichtfenster andere Lichtfenster öffnen, frühere Momente des Glücks wieder herholen, wenn die Sonne gestrahlt hat. Sommer der Kindheit, eine Hängematte zwischen zwei Birken, die Wiese am Seeufer, die erste Reise zum Meer, strahlende Nächte. Die Erinnerungen sind alle noch da.

Wie in einer Schachtel, in der man seine Schätze aus vergangenen Zeiten aufbewahrt, sind all diese Erfahrungen immer noch da. Schachtel - Erfahrungen nenne ich sie also. Mir ist, als wäre in diesem schönen "Jetzt" alles Schöne von früher auch miteingeschlossen. Das möchte ich eigentlich gerne schaffen: die Sonne gewinnen lassen. Dass die Sonne Trauer und Schmerzen, die sicher auch in so einer Schachtel-Erfahrung abzurufen wären, einmal überstrahlt.

Man muss nur einmal mehr aufstehen als fallen, habe ich oft sagen hören. Dass das Licht die Dunkelheit überstrahlt, darum bitten, und ins Bewusstsein der Endlichkeit kleine Ewigkeitsmomente hereinlassen. So schöne, dass ich darin schmelzen kann. So, dass Vergangenheit und Gegenwart sich verbinden, dass gleichsam Tote und Lebende einander treffen. Wenn mich der kleine Ewigkeitsmoment streift, muss ich mir auch nichts mehr vorstellen, mir nicht mehr ausmalen, dass etwas besser und weniger schmerzlich werden muss. Ich glaube, in so einem Sonnenmoment liegt mein Glück beschlossen.

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Titel: GFT 120901 Gedanken für den Tag / Teresa Indjein
Länge: 03:49 min

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