Gedanken für den Tag

Von Julya Rabinowich. "Vaterbild, Trauerweg und Neuanfang" - Der Blick zurück, der Blick nach vorn in Kunst und Leben. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Von Licht und Schatten

Heute: der Versuch einer Tochter, den Vater nicht nur als Vater, sondern als Künstler wahrzunehmen. War die Kindheit geprägt durch gemeinsame Erlebnisse, Wut und Bewunderung, so riss das alles mit seinem Tod ins Nichts ab. Jetzt, 24 Jahre später, ist es eine erneute Begegnung auf völlig anderem Niveau: Ich bin nur 8 Jahre jünger als mein Vater, der für mich auf ewig 50 blieb. Jetzt bin ich die Künstlerin, die auf einige Werke zurückblicken kann, die ich ihm niemals zeigen konnte, ebenso, wie ich Mutter einer Tochter bin, die er nie kennenlernte. Es ist nur ein Versuch, aber ich bin gespannt auf das Ergebnis.

"Der Spaltkopf", mein erster Roman, auch von meinen Kindheitserinnerungen geprägt, war meine Antwort auf Jedermann, auf Vaters Unwesen. Un-Wesen deshalb, weil sie nichts oder etwas nur verborgen Menschliches hatten, und meine Fantasie den augenlosen Kopfflächen fürchterliches Innenleben einhauchte. Seine Dunkelheit aber hatte etwas Samtiges. Die Arbeiten wurden heller und durchsichtiger, bis die Finsternis in seiner letzten Serie völlig zurückgewichen war ins hellsichtige Grau und Weiß, in zarte Tuscheschichten, in kantige Faltungen des "Papierknäuels", den durchdringenden Blick des verblassenden "Propheten". Diese letzte Serie wirkt ausgedünnt, leicht, spröde, sie unterscheidet sich von den vorhergehenden, sie ist ein Abschluss, ein erahntes Omega. Dieses Heraustreten aus dem schützenden Dunkel ins gnadenlos Helle war auch ein Verlassen allen Gewohnten. Das Ich ist weder vor noch hinter der Maske zu finden. Das unverhüllte, scharf ausgeleuchtete Gesicht tritt erst in der finalen Serie, die knapp vor dem Tod des Künstlers entsteht, in Erscheinung. Ich bin also fähig, das auszusprechen: "finale Serie". "Knapp nach dem Tod des Künstlers". Ich bin fähig, diese Bilder zu ordnen, auszuwählen, zu inszenieren. Ihm einen neuen Raum zu geben. Mich neu zu definieren.

Service

Ausstellung, "meeting jedermann: rabinovich revisited", 28.2. - 26.5.2013, Jüdisches Museum Wien, 1010 Wien, Dorotheergasse 11

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi/1678 - 1741
Titel: Der Winter - Concerto Nr.4 in f-moll op.8 RV 297
* Largo - 2.Satz (00:01:52)
Album: Die vier Jahreszeiten
Anderer Gesamttitel: Le Quattro Stagioni
Anderssprachiger Titel: L' Inverno
Solist/Solistin: Simon Standage /Violine < Gian Battista Rogeri, Brescia 1699 >
Orchester: The English Concert
Leitung: Trevor Pinnock
Länge: 02:00 min
Label: DG 4000452

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