Gedanken für den Tag

Von Roland Werneck, evangelischer Pfarrer. "Streben nach Freiheit, Suche nach Identität" - Zum evangelischen Reformationstag. Gestaltung: Alexandra Mantler

Die Schattenseiten nicht verdrängen!

Anfang November sind die Tage, an denen viele Menschen die Friedhöfe besuchen. Das Totengedenken an den Gräbern ist ja oft nicht nur mit angenehmen Erinnerungen verbunden. Als Pfarrer erlebe ich bei Gesprächen vor Begräbnissen immer wieder, wie schwer es vielen fällt, auch die Schattenseiten im Leben der Verstorbenen anzusprechen - aber die sind eben auch da. Kein Mensch hat nur helle, positive Seiten!

Martin Luther gilt in der evangelischen Kirche als Vorbild, weil er sich mutig für die Freiheit des Glaubens und des Gewissens eingesetzt hat. Aber Luther hatte auch seine Schattenseiten, die nicht verschwiegen werden dürfen. Eine seiner Spätschriften drei Jahre vor seinem Tod trug den Titel "Von den Juden und ihren Lügen". Darin empfahl er unter anderem, Synagogen anzuzünden und den Juden ihre Gebetbücher wegzunehmen. 75 Jahre nach der von den Nazis so genannten "Reichskristallnacht" am 9. November 1938 muss auch an diese dunkle Seite Luthers erinnert werden.

Die Synode der Evangelischen Kirche in Österreich, ihr höchstes Gremium also, hat sich in dem richtungsweisenden Dokument "Zeit zur Umkehr" vor 15 Jahren unmissverständlich gegen jede Form von Antisemitismus ausgesprochen. Festgestellt wird, dass nicht nur einzelne Christinnen und Christen, sondern die Kirchen selbst gegenüber dem jüdischen Volk schuldig geworden sind. Zu Luthers Spätschriften gegen die Juden heißt es wörtlich: "Wir verwerfen den Inhalt dieser Schriften."

Das Gedenken an die Verstorbenen kann manchmal schmerzvoll sein. Dass über Tote nur Gutes geredet werden darf, wird ihnen nicht gerecht. Unsere Vorfahren sind eben auch oft in die Irre gegangen. Wir müssen sie nicht nachträglich verklären. Auch das gehört zur Freiheit des Evangeliums! In der Bibel steht der schöne Satz: "Prüft aber alles, und das Gute behaltet!"

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Dietrich Buxtehude/um 1637 - 1707
Album: DIETRICH BUXTEHUDE: ABENDMUSIK
Titel: Sonate in F-Dur op.1 Nr.1 BuxWV 252 für Violine, Viola da gamba und Basso continuo
Sonata
Ausführende: Capriccio Stravagante /Mitglieder
Ausführender/Ausführende: Manfredo Kraemer /Violine
Ausführender/Ausführende: Jay Bernfeld /Viola da gamba
Ausführender/Ausführende: Basso continuo
Leitung: Skip Sempe
Länge: 02:00 min
Label: deutsche harmonia mundi 054727

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