Dimensionen - die Welt der Wissenschaft
Die Krise der Freiheit
Psychopolitik im Neoliberalismus
Gestaltung: Marlene Nowotny
4. August 2014, 19:05
Transparenz ist zu einem Sehnsuchtswort geworden: Hier gilt es Korruption aufzudecken und dort einen Abhörskandal, zwielichtige Finanzgeschäfte müssen durchleuchtet und politische Skandale entlarvt werden. Doch der Wunsch nach totaler Transparenz richtet sich mittlerweile gegen jede Form der Macht, warnt der Philosoph Byung-Chul Han. Macht allein auf Missbrauch zu reduzieren, wäre ein großer Fehler. Denn ohne Macht wären die Politik, das demokratische System handlungsunfähig. In einer "smarten" Welt, in der alles - nicht nur Menschen, sondern auch Dinge - miteinander vernetzt sind, wird die "Transparenzgesellschaft" ununterscheidbar von der "Überwachungsgesellschaft". Die Menschen hinterlassen heute laufend Spuren ihrer Handlungen im Internet der Dinge. Die Daten werden gesammelt und verwertet. Vertrauen als soziale Praxis wird immer unbedeutender und weicht der Kontrolle. Doch die Transparenz steht nach wie vor im Zeichen der Demokratie, der Meinungs- und Informationsfreiheit. Nach Ansicht des Philosophen Byung-Chul Han ist die Forderung nach Transparenz jedoch viel mehr ein Baustein der neoliberalen Ideologie: Mehr Information, mehr Vernetzung und Kommunikation sorgen für Produktivitätssteigerung und Wachstum. Diese Entwicklung sorgt nicht nur für eine Beschleunigung der Gesellschaft, sie bringt auch einen Zwang zur Konformität mit sich. Denn Andersartigkeit oder Fremdheit behindern die grenzenlose Kommunikation, die die vermeintliche Freiheit bringen soll.
Service
Byung-Chul Han (2014): Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken. S. Fischer Wissenschaft