Gedanken für den Tag

von Friedbert Ottacher, Autor und Praktiker in der Entwicklungszusammenarbeit. "Entwicklungszusammenarbeit im Umbruch". Gestaltung: Alexandra Mantler

Wer ist arm?

Das oberste Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist es, die weltweite Armut zu bekämpfen. In den Millenniumsentwicklungszielen, die vor 15 Jahren von der UN-Vollversammlung beschlossen wurden und heuer zu Ende gehen, steht es schwarz auf weiß: "Der Anteil der Menschen, die von weniger als 1,5 Dollar am Tag leben, soll halbiert werden".

Was heißt es eigentlich, in einem Entwicklungsland arm zu sein? Armut bedeutet, dass ich meine Grundbedürfnisse und die meiner Kinder nicht befriedigen kann. Ich kann mir also im schlimmsten Fall kein Dach über dem Kopf, ausreichend Nahrung und eine grundlegende Gesundheitsversorgung leisten - von einem Schulbesuch ganz zu schweigen.

Wenn die Armut absolut ist, verelende ich - und laufe Gefahr, dabei meine Würde zu verlieren. Hier muss die Entwicklungszusammenarbeit ansetzen: bei den Ausgegrenzten, bei den Randgruppen.

Ich habe viele Jahre für ein Hilfswerk gearbeitet, das sich um Menschen mit Behinderungen gekümmert hat. Es gibt in den meisten Ländern nämlich kaum eine Minderheit, die ähnlich stark ausgegrenzt wird: vom Gesellschaftsleben, vom Arbeitsmarkt, von der Schule und selbst den Krankenhäusern. Meine Aufgabe damals war es, Projekte in Äthiopien zu koordinieren. Wir haben Rehabilitationsmöglichkeiten auf Dorfebene aufgebaut, Lehrer in Gebärdensprache und Blindenschrift unterrichtet, Überzeugungsarbeit bei Dorfvorstehern, Schuldirektoren und Politikern geleistet und die Eltern behinderter Kinder - darunter waren oft alleinerziehende Mütter - finanziell unterstützt.

Bei dieser Arbeit hatte ich die tiefe Überzeugung, das Richtige zu tun. Die Entwicklungszusammenarbeit mag bislang daran gescheitert sein, die Welt aus der Armut zu befreien - aber den Absturz in das Elend und die Würdelosigkeit hat sie zigtausende Male verhindert. Und übrigens: Das Ziel, die Zahl der Menschen, die von weniger als 1,5 Dollar am Tag leben zu halbieren, wurde bereits 2010 erreicht.

Service

Buch, Friedbert Ottacher, Thomas Vogel, "Entwicklungszusammenarbeit im Umbruch", Brandes & Apsel

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Cesar Calvo/Chabuca Granda
Titel: Maria Lando
Ausführende: Susana Baca
Länge: 02:20 min
Label: Putumayo World Music PUTU 135-

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