Dschihad-Rekrutierung mit Sekten-Methoden
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hat Mitte der Woche einen Plan gegen die Rekrutierung der Dschihadisten in Frankreich vorgestellt. Ein Punkt des Plans ist die Prävention dschihadistischer Tendenzen bei Jugendlichen. Denn die radikalen Islamisten gehen mit sektenähnlichen Methoden vor, weiß die Buchautorin Douina Bouzar, die ein Präventionszentrum leitet.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 26.4.2014
Sektenähnliche Methoden
Douina Bouzar ist Anthropologin und Muslima. Sie kennt ihre Religion. Und deren Grenzen: "In der Philosophie des Islam gibt es so etwas wie Abspaltung nicht, wenn das passiert, müssen wir nachfragen." Im Jänner hat Douina Bouzar ein Buch veröffentlich, der Titel: "Wie man den Islam entschärfen kann". Über vierzig Familien haben sich daraufhin bei ihr gemeldet, Eltern und Freunde von jungen Erwachsenen, die Im Internet auf Nachrichten von radikalen Dschihadisten ansprechen. Douina Bouzar hat daraufhin ein Präventionszentrum eröffnet, das sich mit Jugendlichen beschäftigt, die sich von radikalen Islamisten im Internet beeinflussen lassen. Deren Methoden seien ähnlich wie die von Sekten, sagt Douina Bouzar: "Diese Rekrutierungsseiten versuchen, die Jugendlichen von ihrem gewohnten Umfeld abzuspalten, die Kontakte zu Familie und Freunden abzubrechen, um Teil dieser reinen Gruppe zu sein."
Zum Kämpfen "auserwählt"
Mit Videos im Internet werben die Gruppen für den Dschihad in Syrien, via Facebook und E-Mail treten sie mit französischen Jugendlichen in Kontakt: "Die Splittergruppen nutzen das Internet, die Sozialen Netzwerke wie Facebook, um die Jugendlichen anzusprechen. Ihnen wird dann das Gefühl gegeben, dass sie die einzigen sind, die die wahre Botschaft der Videos im Internet, die wahre Botschaft des Islam verstehen, dass sie auserwählt sind. Und wenn ihre Eltern, ihre Freunde die Botschaft nicht verstehen, dann deshalb, weil sie nicht auserwählt wurden."
Die Erfahrungen von Douina Bouza mit diesen Rekrutierungen widersprechen vielen Klischees: nicht nur männliche Jugendliche fühlen sich durch diese Botschaften angezogen. Ein Drittel der Betroffenen sind laut Bouzar Mädchen. Und es sind nicht in erster Linie muslimische Jugendliche, die den Weg nach Syrien antreten, Douina Bouzar: "Es trifft alle sozialen Milieus und nicht nur instabile Jugendliche, so wie das vielleicht noch vor fünf Jahren war. Es trifft Familien jeglicher Herkunft und die meisten von ihnen, rund 70 Prozent, sind Atheisten."
Schwierige Unterscheidung
Um zu verhindern, dass Jugendliche zum Dschihad nach Syrien reisen, ist vor allem eines wichtig: Die Familien müssen schnell reagieren. Bouzars Präventionszentrum versucht den betroffenen Familien dabei zu helfen zu erkennen, ob sich ihre Kinder einfach nur für den Islam interessieren oder in den Einfluss von sektenartigen radikalislamistischen Gruppen geraten sind: "Nicht-muslimische Familien tun sich viel schwerer festzustellen, ob ihre Kinder sich für den Islam interessieren oder eine Radikalisierung, Abspaltung und Realitätsflucht stattfindet. Die Familien zögern und verlieren dadurch wertvolle Zeit. Denn wenn man nicht gleich zu Beginn versucht die Jugendlichen von diesen Ideen Abzubringen ist es später sehr schwierig sie wieder zurück in die Realität zu holen." Am leichtesten wäre es, die Internetseiten der radikalen Gruppen zu sperren, sagt Douina Bouzar. Doch das ist meist nicht möglich, weil deren Server in vielen verschiedenen Ländern verteilt sind.
Arbeit in den Schulen
Ein wichtiger Teil der Präventionsarbeit müsste in den Schulen beginnen, sagt Douina Bouzar: "Der Religionsunterricht muss auf eine sehr weltliche Weiße stattfinden, ohne irgendwelchen Bekehrungseifer. Den Jugendlichen muss in der Schule beigebracht werden, wie religiöse Botschaften übersetzt werden können und das man das nicht nach Küchenrezept machen kann."
Auch die Medien müssten in ihrer Wortwahl aufpassen: jene Menschen die zum Dschihad nach Syrien fahren seien keine Konvertiten, sondern Indoktriniert von radikalen Kämpfern, die oft aus sehr kleinen Gruppen bestehen, sagt Douina Bouzar.