Gedanken für den Tag

von Walter Friedl, Außenpolitik-Journalist bei der Tageszeitung Kurier und Theologe. "Ich bin immer ich". Gestaltung: Alexandra Mantler

"Es ist zum Kotzen", hatte Wiens legendärer Bürgermeister Helmut Zilk einmal gemeint - und sich dabei auf die Parteibuchwirtschaft im Schulwesen bezogen. Recht hatte er. Und der markige Sager des auch sonst oft polternden Politikers blieb im kollektiven Bewusstsein haften.

Und heute? Um ja keine potenziellen Wählerinnen und Wähler zu verprellen, lavieren die obersten Volksvertreter herum, dass einem schlecht wird, produzieren substanzlose Worthülsen. Und das nicht nur in Wahlkampfzeiten, sondern auch im täglichen Politgeschäft. Das finde ich zum Kotzen.

Zum Gestalten braucht es echte Gestalten mit Konturen - nicht übercoachte Sprechpuppen. Wer nur gefallen will und den wahren Kern verbirgt, wird letztlich fallen gelassen.

Ich meine, Politik heute schreit nach Verantwortungsträgern und -trägerinnen, die diesem Wortsinn gerecht werden. Die wirklich Antworten geben und die Menschen nicht mit NLP-Quatsch abspeisen wollen. Wir durchschauen es mittlerweile.

Klare Standpunkte sind gefordert und - neudeutsch formuliert - leadership. Damit rede ich keinem Führerkult das Wort, sondern Politikern, die authentisch auftreten und das, was sie für richtig erkannt haben, der Bevölkerung präsentieren - ohne Rücksicht auf Umfragen oder auch politische Großwetterlagen. Frei nach dem Ausspruch Martin Luthers: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir." So endete die Rede des Reformators auf dem Reichstag von Worms 1521. Diese Worte sind Zeugnis einer festen Gewissheit, einer standhaft vertretenen Glaubensüberzeugung. Unter Gefahr für Leib und Leben bleibt Luther bei seiner Lehre - er bleibt seinem Gewissen treu und trotzt der Autorität von Kirche und Papst.

Zurück zum Heute: Lebendige Demokratie lebt vom Wettstreit unterschiedlicher Konzepte. Der Einheitsbrei dagegen mundet gar nicht. Die Gefahr, dass sich Menschen in dieser Situation den vergifteten Gerichten politischer Rattenfänger zuwenden, ist enorm. Dann freilich käme das ganz große Kotzen, wie wir aus der Geschichte wissen.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Carlos Gardel/1890-1935
Komponist/Komponistin: Gerardo Hernan Matos Rodriguez
Album: LAURENT KORCIA: CINEMA
Titel: Por una cabeza/instr. / aus dem Film "Tango Bar", verwendet in dem Film "Scent of a woman" / "Der Duft der Frauen"
Titel: La cumparsita/instr., verwendet in dem Film "Some like it hot" / "Manche mögens heiß"
Solist/Solistin: Laurent Korcia /Violine
Solist/Solistin: Vincent Peirani /Akkordeon
Solist/Solistin: Pierre Boussaguet /Kontrabass
Länge: 02:00 min
Label: EMI Classics 2657822

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